Urteile zu Drogen im Verkehr
Führerschein und Einnahme von Cannabis, Kokain und
OLG Zweibrücken
Az: 1 Ss 117/02
Urteil vom 14.02.2003
In dem Strafverfahren wegen Trunkenheit im Verkehr hier: Revision hat der 1. Strafsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken in der Sitzung am 14. Februar 2003 für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts - Strafrichter - Ludwigshafen am Rhein vom 8. Mai 2002 wie folgt geändert:
Der Angeklagte wird wegen einer fahrlässig begangenen Ordnungswidrigkeit des Führens eines Kraftfahrzeuges unter Einwirkung eines berauschenden Mittels zu einer Geldbuße von 250 Euro und einem Fahrverbot von einem Monat verurteilt.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.
3. Der Angeklagte trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens, jedoch mit der Maßgabe, dass die Gebühr um drei Viertel ermäßigt wird; um denselben Bruchteil fallen die notwendigen Auslagen des Angeklagten im Revisionsverfahren der Landeskasse zur Last.
4. Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis wird aufgehoben. Für diese Maßnahme wird der Angeklagte nicht entschädigt.
Gründe:
Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr ( 316 Abs. 1, Abs. 2 StGB) zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 30 Euro verurteilt; ihm die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist für die Wiedererteilung von fünf Monaten angeordnet. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen und prozessualen Rechts rügt. Die Sachrüge führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils in der Weise, dass es lediglich bei einer Ahndung wegen einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit gemäß 24 a Abs. 2 und 3 StVG verbleibt.
Das Amtsgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte am 13. September 2001 mit einem PKW gegen 23.50 Uhr in Ludwigshafen am Rhein die Eschenbachstraße befahren habe, obwohl er infolge der Einnahme von Betäubungsmitteln (Cannabis, Kokain und/oder Heroin) zum sicheren Führen des Fahrzeugs nicht mehr in der Lage gewesen sei und dies bei gehöriger Sorgfalt habe erkennen müssen. Zum Nachweis der Fahrunsicherheit verweist das Amtsgericht auf Bekundungen der beiden Polizeibeamten, wonach der Angeklagte bei der Verkehrskontrolle "sehr schläfrig" gewirkt, "zögerlich reagiert" und Selbstmordabsichten geäußert habe, seine Stimmung "von Minute zu Minute zwischen aggressiv, aufgedreht lustig und weinerlich depressiv" geschwankt habe und er deshalb als "relativ hoch unter Drogeneinfluss stehend" einzuschätzen gewesen sei. Zudem stellt das Urteil wie folgt auf das Gutachten des medizinischen Sachverständigen Prof. Dr. R ab, das von einem Drogenkonsum (Cannabis, Kokain und/oder Heroin) innerhalb von fünf Stunden vor dem Vorfall ausgeht: "Da diese Mittel zentralwirksam seien, müsse von einem akuten Einfluss zum Tatzeitpunkt ausgegangen werden. Inwieweit sich dieser auf die Fahrtauglichkeit ausgewirkt habe, sei differenzierend zu betrachten, da hier verschiedene Wirkungen zusammenträfen. Während einerseits THC eine stimmungsanregende Wirkung habe und die Pupillen weite, seien Morphin und Codein eher dämpfend und beruhigend. Dies könne daher die Erklärung dafür sein, dass die Stimmungslage des Angeklagten während der Kontrolle ständig geschwankt habe.
Jedenfalls müsse aufgrund neuerer...Untersuchungsreihen nunmehr davon ausgegangen werden, dass bei solchen... Stimmungsschwankungen eindeutig eine Fahruntauglichkeit vorliege, da der Rauschmitteleinfluss eine adäquate Reaktion und Einstellung auf jedwede beliebige Verkehrssituation - und dies insbesondere zur Nachtzeit - unmöglich mache. Zwar sei dabei das Stresssystem im Körper durchaus noch aktivierbar, aber nicht anhaltend. Zudem sei eine jederzeitige Ablenkbarkeit und eine ständige Aufmerksamkeitsveränderung festzustellen, was hier auch durch die ständigen Stimmungsschwankungen des Angeklagten hinreichend dokumentiert werde."
Diese Feststellungen tragen eine Verurteilung wegen eines Vergehens nach 316 StGB nicht, da sie eine Fahruntauglichkeit des Angeklagten nicht belegen. Da ein der alkoholischen Beeinträchtigung entsprechender messbarer Grenzwert für eine absolute Fahruntauglichkeit infolge Drogenkonsums nach derzeitigen medizinischen Erkenntnissen nicht zur Verfügung steht, war das Amtsgericht darauf angewiesen, anhand von Indizien auf eine Beeinträchtigung des Angeklagten zu schließen, die dem Tatbestand des 316 Abs. 1 StGB genügt. Solche relative Fahruntauglichkeit liegt nach dem Konsum von Betäubungsmitteln erst vor, wenn Umstände erkennbar sind, die über die allgemeine Drogenwirkung hinaus den sicheren Schluss zulassen, dass der Konsument in der konkreten Verkehrssituation fahrunsicher gewesen ist (vgl. BGH St 31, 42, 44ff; OLG Köln NJW 1990, 2945, 2946; OLG Düsseldorf NZV 1999, 174, 175). Die verkehrsspezifischen Untauglichkeitsindizien müssen also nicht lediglich eine allgemeine Drogenenthemmung erkennen lassen, sondern sich unmittelbar auf die Beeinträchtigung der Fahreignung beziehen. Insbesondere kommen deshalb als Ausfallerscheinungen direkte Defizite im Fahrverhalten selbst in Betracht, zum Beispiel eine auffällige, riskante, besonders sorglose und leichtsinnige Fahrweise.
Solche Indizien standen dem Amtsgericht nicht zur Verfügung, da die Fahrweise des Angeklagten offensichtlich völlig unauffällig gewesen ist. Es ist allerdings - entsprechend der Situation bei alkoholbedingter Fahruntauglichkeit - nicht unabdingbar, dass das Fahrverhalten selbst die Unsicherheit erkennen lässt. Vielmehr kann die Beeinträchtigung auch aus einem Leistungsverhalten nach der Tat abgeleitet werden, das sichere Rückschlüsse auf mangelnde Fahrtauglichkeit, so z.B. schwerwiegende Einschränkungen der Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit, zulässt (BGH St 44, 219, 225 f). Diesen Weg versuchte das Amtsgericht mit Unterstützung des Sachverständigen zu gehen. Die in erster Linie psychischen Symptome, die dafür aus dem Nachfahrverhalten zur Verfügung stehen, reichen jedoch entgegen den Ausführungen des Sachverständigen nicht aus. Aggressives und depressives Verhalten in Stimmungsschwankungen sind zwar typische Auswirkungen des Drogenkonsums, jedoch für sich genommen keine hinreichenden Anzeichen für eine Fahruntauglichkeit. Es darf dabei zunächst nicht unberücksichtigt bleiben, dass die von den Zeugen bekundeten Reaktionen des unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln stehenden Angeklagten sich in einer durch die Verkehrskontrolle ausgelösten besonderen Stresssituation gezeigt haben. So wird die geäußerte Suizidabsicht, aber auch die den Polizeibeamten gegenüber demonstrierte Aggressivität in erster Linie mit der physischen Belastung infolge der Überprüfung des Angeklagten und der zu erwartenden Sanktion zu erklären sein. Auch wenn ein solches Nachfahrverhalten wiederum den Einfluss der Drogen erkennen lässt, kann daraus allein die Fahruntauglichkeit nicht mit der erforderlichen Sicherheit hergeleitet werden. Sie läge nur dann vor, wenn sich diese psychischen Auffälligkeiten in dem Maße auf die Fahrweise projizieren ließen, dass daraus auf mangelhafte Reaktion, fehlende Koordination, beeinträchtigte Sehfähigkeit, Orientierungslosigkeit, Verlust des Gleichgewichtssinnes u. ä. Mängel geschlossen werden könnte, die eine sichere Beherrschung des Fahrzeuges im öffentlichen Verkehr nicht mehr gewährleisten (vgl. OLG Düsseldorf aaO). Diesen Nachweis leistet jedoch auch das Gutachten des medizinischen Sachverständigen nicht. Es unternimmt vielmehr den Versuch, aus allgemeinen Drogensymptomen generell Fahruntauglichkeit abzuleiten und nähert sich damit auf nicht zulässige Weise dem Begriff einer absoluten Fahrunsicherheit an.
Die Verurteilung wegen eines Vergehens gemäß 316 StGB kann deshalb keinen Bestand haben. Nach den fehlerfrei getroffenen Feststellungen zum Konsum von Betäubungsmitteln, die mit Sicherheit zumindest THC enthalten haben und damit der Anlageliste zum Straßenverkehrsgesetz unterliegen, hat der Angeklagte sich jedoch eines fahrlässigen Verstoßes gegen 24 a Abs. 2 StVG schuldig gemacht. Da von einer neuen Beweisaufnahme keine weiteren entscheidungserheblichen Tatsachen zu erwarten sind, kann der Senat nach 82 Abs. 1, 79 Abs. 4 OWiG in der Sache durchentscheiden (vgl. Göhler OWiG 13. Aufl. 82 Rn 16 m.w.N.; Senatsurteil vom 3. 4. 1998 - 1 Ss 34/98).
Die Bemessung der Sanktionen für die fahrlässig begangene Ordnungswidrigkeit folgt Nr. 242 BKatV, da nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils keine Umstände ersichtlich sind, die eine Ermäßigung oder Erhöhung der Regelgeldbuße von 250 € oder ein Absehen von einem einmonatigen Fahrverbot rechtfertigen würden. Den Entscheidungsgründen kann entnommen werden, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten die Zahlung einer Buße in dieser Höhe ermöglichen. Eine Überprüfung der Auswirkungen des Fahrverbots erübrigt sich, da dieses sich infolge der Anrechnung der bisherigen Dauer der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis nicht mehr auswirkt ( 450 Abs. 2 StPO); aus demselben Grund unterbleibt auch die Einräumung der Abgabefrist gemäß 25 Abs. 2 a StVG.
Der Senat hebt gemäß 111 a Abs. 2 StPO die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis auf. Die Versagung einer Entschädigung für die gegenüber dem angeordneten Fahrverbot überschießende Dauer der Sicherungsmaßnahme beruht auf 5 Abs. 2 Satz 1 StrEG: Grob fahrlässig im Sinne dieser Vorschrift handelt, wer nach Drogenkonsum ein Kfz im Verkehr führt (BayObLG 1994, 71; OLG Düsseldorf JR 1999, 474, 476). Zudem hat der Angeklagte in der Revisionshauptverhandlung auf Entschädigung verzichtet.
Die Entscheidung über die Kosten und notwendigen Auslagen des Angeklagten im Revisionsverfahren beruht auf 473 Abs. 4 StPO. Der Senat hat darüber hinaus keine Veranlassung gesehen, den Angeklagten in Anwendung von 465 Abs. 2 StPO von Verfahrenskosten zu entlasten.
Zulässigkeit der Anordnung eines Drogenscreening b
VG Braunschweig
Az.: 6 B 91/04
Beschluss vom 10.02.2004
Leitsatz/-sätze:
1. Die Anforderung eines ärztlichen Gutachtens auf der Grundlage von vier Drogenscreenings ist unverhältnismäßig und rechtfertigt im Falle einer Nichtbeibringung die Entziehung der Fahrerlaubnis nicht, wenn der Betreffende lediglich einmal im Besitz einer geringen Menge Haschisch sowie ein weiteres Mal mit einem leeren Plastiktütchen angetroffen wurde, diese Vorfälle ein halbes Jahr auseinander lagen und ein Bezug zum Führen eines Fahrzeugs nicht ersichtlich ist.
2. Der Streitwert beläuft sich im Hauptsacheverfahren bei einer Fahrerlaubnis der Klasse C oder CE auf 6.000,00 Euro, bei C1 oder C1E auf 5.000,00 Euro, bei B oder BE auf 4.000,00 Euro, bei A auf 4000,00 Euro und bei A1 auf 3.000,00 Euro, im vorläufigen Rechtsschutzverfahren auf den halben Wert.
Beim Besitz mehrerer Fahrerlaubnisklassen wird, ausgehend von der Klasse mit dem höchsten Wert, dieser Wert um 50 v. H der weiteren Klassen erhöht, soweit diese Berechtigungen nicht von der Ausgangsklasse umfasst werden. Bei einer überwiegend beruflichen Nutzung erfolgt ein Aufschlag von 50 v. H. des Auffangwertes (2.000,00 Euro).
Aus dem Entscheidungstext:
I.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Insoweit ergeht die Entscheidung gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten der Beteiligten werden nicht erstattet.
II.
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Fahrerlaubnisentziehungsverfügung des Antragsgegners vom 9. Januar 2004 wird wiederhergestellt.
Dem Antragsgegner wird gemäß 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO aufgegeben, den bereits eingezogenen Führerschein dem Antragsteller unverzüglich wieder auszuhändigen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
III.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 4.250,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Antragsteller erhielt im August 2001 eine Fahrerlaubnis der Klassen A1, BE, C1E und L, die er in seiner Eigenschaft als Mitarbeiter eines Express-Kurierdienstes beruflich nutzt. Mit Verfügung des Antragsgegners vom 9. Januar 2004 wurde ihm die Fahrerlaubnis unter Anordnung der sofortigen Vollziehung entzogen.
Der Antragsteller war im Oktober 2002 nach seiner Einreise aus den Niederlanden bei einer allgemeinen Verkehrskontrolle überprüft worden. Dabei waren im Kofferraum seines Fahrzeugs in einer Sporttasche 5 g Haschisch aufgefunden worden. Am 7. März 2003 wurde der Antragsteller auf der Bundesautobahn A 27 in der Gemarkung Langwedel erneut verkehrspolizeilich überprüft. Im Verlauf der Verkehrskontrolle wurde in seinem Schuh ein leeres Tütchen mit Anhaftungen von Marihuana aufgefunden. Auf eine Nachfrage gab der Antragsteller an, zuletzt am 3. März 2003 Haschisch konsumiert zu haben. Mit Verfügung vom 7. Mai 2003 stellte die Staatsanwaltschaft Verden das zunächst wegen eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz eingeleitete Verfahren gemäß 31a BtMG ein und gab dem Antragsgegner hiervon Kenntnis.
Der Antragsgegner ordnete nach einer Einsichtnahme in die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten mit Verfügung vom 31. Juli 2003 an, dass sich der Antragsteller zur Klärung der an seiner Fahreignung bestehenden Bedenken beim Gesundheitsamt des Landkreises Gifhorn bis zum 30. Januar 2004 vier Drogenscreenings zu unterziehen habe. Als der Antragsteller dieser Aufforderung nicht nachkam, entzog der Antragsgegner dem Antragsteller unter Anordnung der sofortigen Vollziehung mit Verfügung vom 9. Januar 2004 die Fahrerlaubnis. Hiergegen erhob der Antragsteller am 26. Januar 2004 Widerspruch, über den noch nicht entschieden worden ist.
Am 26. Januar 2004 hat der Antragsteller außerdem beim Verwaltungsgericht um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Er trägt vor:
Bereits die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei nicht ordnungsgemäß begründet worden. Zudem halte die angefochtene Verfügung auch in der Sache einer rechtlichen Überprüfung nicht stand, sodass sein Interesse an einer Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung der behördlichen Maßnahme überwiege. Die Entziehung der Fahrerlaubnis stütze sich lediglich auf Vermutungen und sei rechtswidrig. Eine Fahrerlaubnis könne nur dann entzogen werden, wenn die fehlende Fahreignung erwiesen sei. Er sei im Zusammenhang mit dem Besitz von Marihuana nur einmal am 16. Oktober 2002 aufgefallen, aber weder strafrechtlich verurteilt noch sonst im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs in Erscheinung getreten. Am 7. März 2003 habe lediglich ein leeres Tütchen mir irgendeiner Substanz, das er beim Anziehen in der Bundeswehrkaserne vor dem Antritt der Heimfahrt nicht bemerkt habe, an seinem Strumpf geklebt. Es sei weder danach geforscht worden, ob das Tütchen ihm gehört habe, noch sei festgestellt worden, ob er unmittelbar vor Fahrtantritt Betäubungsmittel konsumiert habe. Selbst dazu, in welcher Menge er überhaupt schon einmal Marihuana geraucht habe, seien Feststellungen nicht getroffen worden. Im Hinblick darauf, dass er bei der Anfertigung des Polizeiberichts vom 7. März 2003 nicht über seine Rechte als Beschuldigter aufgeklärt worden sei, unterliege der Vorgang überdies einem Beweisverwertungsverbot. Allein ein gelegentlicher Haschischkonsum oder das Mitführen geringer Mengen Marihuana genügten nicht für die Annahme einer fehlenden Fahreignung. Es hätten außerdem Feststellungen dazu getroffen werden müssen, dass er weder willens noch in der Lage sei, den lediglich vermuteten Haschischkonsum und das Führen von Kraftfahrzeugen zu trennen. An derartigen Feststellungen fehle es hier. Bei dieser Sachlage sei die Aufforderung, sich vier Drogenscreenings zu unterziehen, rechtswidrig, wie das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung vom 20. Juni 2002 (NJW 2002, 2378) entschieden habe. Infolgedessen könne an seine Weigerung, sich diesen Drogenscreenings zu unterziehen, nicht die von der Verkehrsbehörde gewählte Rechtsfolge der Fahrerlaubnisentziehung geknüpft werden.
Der Antragsteller beantragt, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die Verfügung des Antragsgegners vom 9. Januar 2004 wiederherzustellen sowie ihm für die Wahrnehmung seiner Rechte im ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Bertram aus Gifhorn zu bewilligen.
Der Antragsgegner beantragt, den Antrag abzulehnen.
Er entgegnet:
Die Fahrerlaubnis habe mit sofortiger Vollziehung entzogen werden müssen, weil der Antragsteller das mit Schreiben vom 31. Juli 2003 geforderte Drogenscreening nicht beigebracht habe. Ein solches Drogenscreening sei zur Aufklärung angeordnet worden, ob der Antragsteller nur gelegentlich Cannabis konsumiere und einen solchen Konsum und das Fahren voneinander trennen könne. Die Tatsache, dass er innerhalb eines halben Jahres zweimal im Besitz von Betäubungsmitteln angetroffen worden sei, sei ein gewichtiges Indiz dafür, dass er nicht nur gelegentlich mit Betäubungsmitteln in Berührung komme. Das Auffinden eines Tütchens mit Anhaftungen von Marihuana im Schuh weise auf einen Konsum unmittelbar vor der Fahrt hin. Es liege nahe, dass das Tütchen erst kurz zuvor benutzt und dann versteckt worden sei. Die gegenteiligen Behauptungen des Antragstellers könnten nur als Schutzbehauptung verstanden werden. Wegen der überragenden Bedeutung der Verkehrssicherheit sei die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehungsverfügung geboten gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
1.) Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, weil der Antragsteller nach den von ihm dargelegten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen in der Lage wäre, die Kosten der Prozessführung mit vier Monatsraten zu bestreiten ( 166 VwGO i.V.m. 115 Abs. 3 ZPO). Nach Abzug der in 115 Abs. 1 und 2 ZPO bezeichneten Absetzungsbeträge verbleibt dem Antragsteller noch ein monatliches Einkommen von 544,62 Euro, das eine monatliche Ratenzahlung von 175,00 Euro auf die voraussichtlich in diesem Verfahren entstehenden Gerichts- und Anwaltskosten von insgesamt ca. 400,00 Euro zulässt.
2.) Dagegen ist der nach 80 Abs. 5 VwGO statthafte Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zulässig und begründet.
Zwar hat der Antragsgegner die sofortige Vollziehung formell ordnungsgemäß angeordnet und in noch ausreichender Weise schriftlich begründet, weshalb das besondere Interesse an dem Sofortvollzug der angefochtenen Verfügung vom 9. Januar 2004 als gegeben erachtet wird ( 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO). Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Verfügung vom 9. Januar 2004 ist jedoch gemäß 80 Abs. 5 VwGO wiederherzustellen, weil der Widerspruch in einem solchen Maße Aussicht auf Erfolg bietet, dass es nicht gerechtfertigt erscheint, den Antragsteller weiterhin vorläufig von der Teilnahme am Straßenverkehr auszuschließen.
Nach 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. 46 Abs. 1 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde dem Inhaber einer Fahrerlaubnis diese Berechtigung zu entziehen, wenn er sich als zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet erweist. Bei einer solchen Entscheidung darf gemäß 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung des Betroffenen geschlossen werden, wenn dieser sich weigert, sich einer nach den verkehrsrechtlichen Vorschriften vorgesehenen Untersuchung zu unterziehen, oder er ein von der Behörde gefordertes Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Die Schlussfolgerung einer fehlenden Fahreignung ist allerdings nur zulässig, wenn die Aufforderung zur Untersuchung oder zur Vorlage des Gutachtens rechtmäßig war und für die Weigerung, der behördlichen Aufforderung nachzukommen, kein ausreichender Grund vorliegt (BVerwG, Urt. vom 05.07.2001, DAR 2001, 522 m.w.N.).
Der Antragsteller stellt die Rechtmäßigkeit der Anordnung des Antragsgegners vom 31. Juli 2003, ein ärztliches Gutachten des Gesundheitsamtes des Landkreises Gifhorn auf der Grundlage von vier Drogenscreenings darüber vorzulegen, ob er Betäubungsmittel einnimmt, zu Recht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Frage (vgl. hierzu: BVerfG, Beschl. vom 08.07.2002, NJW 2002, 2381; Beschl. vom 20. 06.2002, NJW 2002, 2378; Beschl. vom 01.08.2002, 1 BvR 11043/98 <juris>). Die Anordnung, ein Gutachten beizubringen, dient dazu, den Tatsachen, die Bedenken gegen die Fahreignung begründen, weiter nachzugehen und die Eignungszweifel zu klären ( 2 Abs. 8, 3 Abs. 1 Satz 3 StVG, 11 Abs. 2, 46 Abs. 3 FeV). Mit Rücksicht auf die für den Betroffenen mit der Anordnung zur Beibringung eines ärztlichen Gutachtens verbundenen belastenden Folgen ist es aus Gründen der Verhältnismäßigkeit allerdings nicht in das freie Ermessen der Fahrerlaubnisbehörde gestellt, wann sie von einem Anfangsverdacht als Grundlage für eine solche Maßnahme ausgehen darf. Die Anordnung zur Beibringung eines (fach-)ärztlichen Gutachtens ist vielmehr nur rechtmäßig, wenn hinreichend konkrete Verdachtsmomente vorliegen, die einen Eignungsmangel des betreffenden Fahrerlaubnisinhabers als naheliegend erscheinen lassen (BVerfG, Beschl. vom 20.06.2002 und 01.08.2002, aaO.; Beschl. vom 30.01.2003, 1 BvR 866/00 <juris>; VGH Mannheim, Beschl. vom 04.07.2003, 10 S 2270/02 <juris>).
In Bezug auf Eignungsbedenken, die sich aus einer Erkrankung des Fahrerlaubnisinhabers oder aus sonstigen Einflussfaktoren auf die Fahreignung ergeben, kommt den Anlagen 4, 5 oder 6 zur Fahrerlaubnisverordnung besondere Bedeutung zu. Hinsichtlich der Einnahme von Cannabis findet sich in Nr. 9.2 der Anlage 4 die Regelung, dass bei einem nur gelegentlichen Cannabiskonsum die Fahreignung gegeben ist, wenn der Betreffende zwischen dem Konsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs trennt und nicht zusätzlich Alkohol oder andere psychoaktiv wirkende Stoffe konsumiert sowie außerdem keine Störung der Persönlichkeit und kein Kontrollverlust verliegt (Nr. 9. 2.2 der Anlage 4 zur FeV). Wird dagegen Cannabis regelmäßig im Sinne von Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV konsumiert, ist allein wegen der Häufigkeit des Konsums von der Ungeeignetheit des Fahrerlaubnisinhabers auszugehen, weil ein solcher regelmäßiger Konsum zu einer nicht mehr hinnehmbaren Herabsetzung der verkehrsbezogenen Fähigkeiten führt. Hiernach ist die Anordnung eines ärztlichen Gutachtens nach 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV rechtmäßig, wenn hinreichende Verdachtsmomente vorliegen, dass der Fahrerlaubnisinhaber regelmäßig Cannabis konsumieren könnte; liegen dagegen wie hier lediglich Anhaltspunkte für einen nur gelegentlichen Cannabiskonsum vor, bedarf es weiterer Verdachtsmomente dafür, dass ein unzureichendes Trennungsvermögen von Konsum und Führen eines Kraftfahrzeugs gegeben ist, zusätzlich Alkohol oder andere psychoaktiv wirkende Stoffe aufgenommen werden oder eine Störung der Persönlichkeit bzw. ein Kontrollverlust anzunehmen ist.
Im vorliegenden Fall lassen sich konkrete Verdachtsmomente, die einen Eignungsmangel als naheliegend erscheinen lassen, nicht feststellen, sodass sich die Anforderung eines amtsärztlichen Gutachtens auf der Grundlage von vier Drogenscreenings als rechtswidrig erweist. Insbesondere sind Indizien, dass der Antragsteller regel- oder gewohnheitsmäßig Cannabis konsumiert, ebenso wenig gegeben, wie Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller bei einem nur gelegentlichen Konsum den Drogengebrauch und das Führen von Kraftfahrzeugen nicht ausreichend zu trennen vermag. Selbst wenn die Erklärungsversuche des Antragstellers hinsichtlich der bei der Verkehrskontrolle vom 7. März 2003 aufgefundenen leeren Klemmtüte mit Cannabisanhaftungen wenig nachvollziehbar sind, lassen die zu den Ermittlungsakten der Polizei gelangten Erkenntnisse über den Umgang des Antragstellers mit Drogen lediglich den Schluss darauf zu, dass er bisher allenfalls gelegentlich und nicht in großen Mengen Cannabis konsumiert hat. Ein Zusammenhang mit dem Führen von Kraftfahrzeugen lässt sich daraus ebenfalls nicht herleiten. Dem Antragsteller ist jeweils im Anschluss an die Verkehrskontrollen vom Oktober 2002 und März 2003 die Weiterfahrt mit seinem Pkw gewährt worden. Die Polizeibeamten hatten offenbar keinen Zweifel an der Fahrtauglichkeit des Antragstellers im Zeitpunkt der Verkehrskontrollen und haben dem Antragsteller am 7. März 2003 die Erklärung abgenommen, dass der letzte Cannabiskonsum bereits mehrere Tage zurückgelegen habe.
Ein Bezug zum Straßenverkehr lässt sich schließlich auch nicht daraus herleiten, dass im Oktober 2002 im Fahrzeug des Antragstellers 5 g Marihuana aufgefunden worden waren und am 7. März 2003 ein leeres Klemmtütchen mit Cannabisrückständen im Schuh des Antragstellers gefunden worden war. Der bloße Besitz von Cannabis während des Fahrens reicht dafür nicht aus. Hierzu wären vielmehr Indizien erforderlich, aus denen die Annahme abgeleitet werden könnte, dass der Fahrzeugführer während oder im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Fahrt Drogen konsumiert (z.B. Reste eines Haschisch-Joints im Aschenbecher des Fahrzeugs).
Infolgedessen ist die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Fahrerlaubnisentziehungsverfügung des Antragsgegners vom 9. Januar 2004 wiederherzustellen und der bereits eingezogene Führerschein des Antragstellers wieder auszuhändigen ( 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO).
Die Kostenentscheidung hinsichtlich des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beruht auf 154 Abs. 1 VwGO, hinsichtlich der vom Antragsteller außerdem beantragten Prozesskostenhilfe auf den 1 Abs. 1 GKG, 166 VwGO, 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO.
Der Streitwert beläuft sich in diesem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auf die Hälfte des in einem Hauptsacheverfahren anzunehmenden Wertes. Hierbei geht das Gericht in Bezug auf die Fahrerlaubnisklassen C1E und BE von der Klasse mit der am weitesten reichenden Berechtigung aus und legt für die Klasse C1E einen Wert von 5.000,00 Euro zu Grunde (bei Klasse C oder CE wären dies 6.000,00 Euro, bei Klasse B oder BE wären es 4.000,00 Euro) und erhöht diesen Wert um 50 v.H. des für die Klasse A1 anzunehmenden Wertes (3.000,00 Euro; bei Klasse A wären dies 4.000,00 Euro). Schließlich ist wegen der überwiegend beruflichen Nutzung der Fahrerlaubnis noch ein Wert von 50 v.H. des Auffangwertes hinzuzurechnen (2.000,00 Euro). Insgesamt ist hiernach von einem Streitwert von 8.500,00 Euro im Hauptsacheverfahren und von 4.250,00 Euro im vorläufigen Rechtsschutzverfahren auszugehen ( 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG).
Drogenbesitz und Anordnung einer MPU
VG Bremen
Az.: 5 V 1326/12
Beschluss vom 21.03.2013
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird zum Zwecke der Kostenberechnung auf 6.250,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der 1942 geborene Antragsteller wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis.
Der Antragsteller ist Inhaber einer Fahrerlaubnis der Klassen 1 und 3 (nunmehr Fahrerlaubnisklassen A, A1, B, BE, C1, C1E, m und L).
Laut Strafanzeige der Polizei Bremen vom 13. November 2008 wurde im Rahmen der polizeilichen Streifentätigkeit zur Bekämpfung der Drogen- und Straßenkriminalität am 06. November 2008 im Fahrzeug des Antragstellers eine Zigarettenschachtel mit zwei abgeschnittenen Strohhalmen, die als Hilfsmittel für den nasalen Konsum von Betäubungsmitteln (Schniefröhrchen) dienen, gefunden. Auf Nachfrage habe der Antragsteller erklärt, die Zigarettenschachtel noch nie zuvor gesehen zu haben, den Zweck der abgeschnittenen Röhrchen nicht zu kennen und mit Drogen noch nie etwas zu tun gehabt zu haben. In der Geldbörse des Antragstellers fanden sich laut Angaben der Polizei Bremen eine Cliptüte mit einer in Cellophanpapier verschweißten Verkaufseinheit eines Heroingemisches (Gewicht: 2,3 g); in einer Medikamentenschachtel wurde ein weiteres Papierbriefchen mit einem Heroingemisch (Gewicht: 1,3 g) gefunden. Hierzu erklärte der Antragsteller, die Cliptüte beim Säubern seines Autos gefunden und für eine Rückgabe an den rechtmäßigen Eigentümer aufbewahrt zu haben. Wie das Heroin in die Medikamentenschachtel gekommen sei, könne er sich nicht erklären. Außer ihm nutze niemand das Fahrzeug, gelegentlich nehme er aber Mitfahrer mit. Schließlich fanden sich beim Antragsteller zwei Packungen des Schlafmittels "Fluninoc" sowie 18 Tabletten des zur Gruppe der Psychopharmaka gehörenden Medikaments "Diazepam". Hierzu erklärte der Antragsteller, die Medikamente zur Stimmungsaufhellung zu nutzen. Ein in der Folge durchgeführter Urintest ergab, dass nicht auszuschließen sei, dass in der näheren Vergangenheit Morphin konsumiert worden sei.
Gemäß der Strafanzeige der Polizei Bremen vom 30. Juni 2011 wurden beim Antragsteller am 27. Juni 2011 im Rahmen einer zivilen Streife fünf Päckchen vermischten Heroins mit einem Gesamtgewicht von 2,5 g gefunden. Hierzu erklärte der Antragsteller, das Heroin bloß für einen Bekannten zu verwahren, selbst jedoch kein Heroin zu konsumieren.
Laut Mitteilung der Polizei Bremen vom 14. März 2012 wurden Beamte im Rahmen einer zivilen Streifenfahrt zur Bekämpfung der Straßen- und Drogenkriminalität erneut auf den Antragsteller aufmerksam. Beim Antragsteller fanden sich eine Packung Tabletten "Fluninoc" sowie ein mit 19 zerkleinerten Tabletten des Medikaments gefülltes Überraschungsei. Ferner wurde beim Antragsteller ein Riegel mit 10 Diazepamtabletten aufgefunden. Hierzu erklärte der Antragsteller, ein Rezept für die Tabletten zu haben, welches er bezüglich der Schlaftabletten auch vorlegen konnte. Beim Öffnen des Fahrzeugs des Antragstellers, so die Mitteilung der Polizei Bremen, sei der typische, essigähnliche Geruch von Heroin festzustellen gewesen. Der Geruch sei auf mehrere im Wagen des Antragstellers verbliebene Taschentücher zurückzuführen gewesen, die Reste von Heroin aufgewiesen hätten. Im Fahrzeug wurden ferner eine weitere Packung Diazepam, vier weiten Fluninoc-Tabletten, eine Packung des Schlafmittels Zopiclon, 44 Stück Rivotril sowie zwei Tabletten des Schmerzmittels Tramudin und mehrere leere Flaschen Methadon (Polamidon) aufgefunden. Rezepte für die Medikamente konnte der Antragsteller nicht vorlegen.
Mit Schreiben vom 20. Juni 2012 dem Antragsteller laut Postzustellungsurkunde zugestellt am 03. Juli 2012 forderte das Stadtamt Bremen den Antragsteller auf, zur Ausräumung von Bedenken an seiner Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen das Gutachten eines Arztes des Gesundheitsamtes oder eines anderen Arztes der öffentlichen Verwaltung oder eines Arztes, der die Anforderungen nach Anlage 14 FeV erfüllt oder ein Gutachten eines Arztes einer Begutachtungsstelle für Fahreignung zu der Frage "Nimmt Herr/Frau M. Betäubungsmittel im Sinne des BtMG, die die Fahreigung in Frage stellen (Anlage 4 Fahrerlaubnis-Verordnung FeV )?" beizubringen. Binnen 14 Tagen nach Erhalt des Schreibens sei das Einverständnis zu dem Gutachten zu erklären, binnen zwei Monaten solle das Gutachten selbst vorgelegt werden. Die wies darauf hin, dass eine Drogenanamnese, eine körperliche Untersuchung sowie eine polytoxische Haaranalyse zur Klärung der Eignungszweifel notwendig seien. Bei nicht fristgerechter Vorlage des Gutachtens dürfe die auf die Nichteignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen und die Fahrerlaubnis entziehen. Dem Schreiben war eine Liste von Ärzten beigefügt, die die Begutachtung in Bremen durchführen können. Auf die Gebührentragungspflicht wurde der Antragsteller hingewiesen. Zur Begründung für die Aufforderung zur Vorlage des ärztlichen Gutachtens nahm die auf die Heroinfunde am 06. November 2008 und am 27. Juni 2011 sowie auf die Medikamentenfunde und die Geschehnisse vom 14. März 2012 Bezug. Es sei davon auszugehen, dass der Antragsteller Betäubungsmittel im Sinne des BtMG konsumiere. Dies folge sowohl aus dem Besitz des Antragstellers an den gefundenen Mitteln als auch aus dem Fund leerer Polamidonflaschen, benutzter Taschentücher mit Heroinspuren sowie dem typischen Heroingeruch im Fahrzeug des Antragstellers. Da die Einnahme der gefundenen Drogen die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausschließe, bestünden zumindest erhebliche Zweifel an der Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen. Für die Anordnung eines ärztlichen Gutachtens reiche es aus, dass Tatsachen die Annahme eines einmaligen Konsums von Betäubungsmitteln im Sinne des BtMG begründen würden.
Der Antragsteller erklärte seine Bereitschaft zur Beibringung eines ärztlichen Gutachtens durch einen Arzt am Institut für Rechtsmedizin des Klinikums Bremen-Mitte. Anfang August 2012 widerrief er gegenüber dem Klinikum die Bereitschaft, sich untersuchen zu lassen, da andere Untersuchungsstellen deutlich günstiger seien. In der Folge unterblieb die Vorlage eines ärztlichen Gutachtens.
Mit Verfügung vom 11. September 2012 dem Antragsteller laut Postzustellungsurkunde zugestellt am 15. September 2012 entzog das Stadtamt Bremen dem Antragsteller die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen (Ziffer 1.), gab dem Antragsteller auf, den Führerschein bis spätestens am dritten Tag nach Zustellung der Verfügung abzuliefern, drohte ein Zwangsgeld in Höhe von € 250,00 für den Fall der Nichtablieferung an (Ziffer 2.) und ordnete die sofortige Vollziehung der Verfügung an (Ziffer 3.). Zur Begründung führte die aus, der Antragsteller sei ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen. Der Antragsteller habe die ihm gesetzte Frist zur Vorlage eines ärztlichen Gutachtens verstreichen lassen, ohne dass ein entsprechendes Gutachten bisher vorgelegt worden sei. Hinderungsgründe habe der Antragsteller nicht mitgeteilt, auch sei kein neuer Gutachter nach Abbruch der Untersuchung am Klinikum Bremen benannt worden. Weigere sich der Betroffene ohne ausreichenden Grund, sich untersuchen zu lassen oder ein berechtigt angefordertes Gutachten fristgerecht beizubringen, dürfe die Verwaltungsbehörde auf die Ungeeignetheit des Fahrerlaubnisinhabers schließen und die Fahrerlaubnis entziehen. Der Weigerung gleichzusetzen sei der Umstand, dass die Kosten der Begutachtung nicht aufgebracht werden könnten. Man unterstelle dem Antragsteller, dass er ihm bekannte und die Eignung ausschließende Mängel verbergen wolle. Die fristgerechte Mitwirkung des Betroffenen sei notwendig, um eine Beweisvereitelung zu verhindern. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei dann gerechtfertigt, wenn ein besonderes öffentliches Interesse hieran bestehe. Nach Abwägung des Interesses am Erhalt der Fahrerlaubnis mit dem der Allgemeinheit an der Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit überwiege das Erfordernis, den Antragsteller sofort aus der motorisierten Verkehrsgemeinschaft auszuschließen. Es sei davon auszugehen, dass die bei ihm bestehenden Eignungsmängel derart gravierend seien, dass sie sich jederzeit bei einer Teilnahme am Straßenverkehr auswirken würden, ohne dass der Antragsteller dies verhindern könne oder wolle. Schließlich seien die konkreten Eignungsmängel aufgrund der fehlenden Kooperation des Antragstellers nicht bekannt. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung betreffend die Androhung von Zwangsmaßnahmen für den Fall der Nichtablieferung des Führerscheins folge aus der Notwendigkeit, effektive Fahrerlaubniskontrollen zu gewährleisten und andere Verkehrsteilnehmer vor ungeeigneten Kraftfahrern zu schützen.
Mit der am 17. September 2012 erhobenen Klage und dem am gleichen Tag gestellten Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes trägt der Antragsteller unter Vorlage einer Apothekenquittung vor, die bei ihm gefundenen "Fluninoc"-Tabletten habe er auf Grundlage eines ärztlichen Rezeptes erworben. Eine Haaranalyse habe er durchführen lassen, doch seien die Ergebnisse nicht aussagekräftig und die Gutachtenanforderung in rechtswidriger Weise erfolgt. Insbesondere sei ein Verstoß gegen Europarechtliche Vorschriften festzustellen. Ferner sei er durch die Gutachtenanforderung in seinem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit verletzt. Zwei Urinproben seien zwischenzeitlich mit negativem Ergebnis ausgefallen.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Verfügung vom 11. September 2012 wiederherzustellen.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung weist sie in Ergänzung zu den Gründen der angegriffenen Verfügung darauf hin, die vom Antragsteller vorgelegte Apothekenquittung erkläre nicht, wie der Antragsteller in den Besitz von Heroin und den vorgefundenen Polamidonflaschen gelangt sei.
II.
Der gemäß 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO statthafte Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist unbegründet.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehung begegnet in formeller Hinsicht keinen Bedenken. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist auch in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden.
1. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Sie genügt insbesondere den Anforderungen, die nach 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO an die Begründung einer solchen Anordnung zu stellen sind.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist den Anforderungen des 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO entsprechend begründet worden. Die Vorschrift erfordert eine auf den konkreten Einzelfall abstellende Darlegung, worin das besondere öffentliche Interesse an einer ausnahmsweisen sofortigen Vollziehbarkeit besteht und weshalb das Interesse des Adressaten, zunächst nicht von dem angefochtenen Verwaltungsakt betroffen zu werden, hinter dieses erhebliche öffentliche Interesse zurücktreten muss. Die in dem angegriffenen Bescheid gegebene Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist danach rechtlich nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin hat in ihrem Bescheid vom 27. September 2011 ausgeführt, eine Abwägung des Interesses der Allgemeinheit an der Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit mit dem Interesse des Antragstellers an einem Erhalt der Fahrerlaubnis falle zu dessen Nachteil aus. Es überwiege das Erfordernis seines sofortigen Ausschlusses aus der Verkehrsgemeinschaft. Die bestehenden Eignungsmängel des Antragstellers seien derart gravierend, dass sie sich jederzeit bei der Teilnahme am Straßenverkehr auswirken könnten, unabhängig von dessen Wollen oder Können. Schließlich seien die konkreten Eignungsmängel aufgrund der fehlenden Kooperation des Antragstellers nicht bekannt.
Die im Bescheid vom 11. September 2012 ausgeführten Gründe sind schlüssig und beziehen sich auf den konkreten Einzelfall - die fehlende Bereitschaft des Antragstellers, ein fachärztliches Gutachten vorzulegen, die daraus folgenden Unsicherheiten und die Schwere der bestehenden Eignungsmängel. Die Begründung der Antragsgegnerin ist aus sich heraus verständlich. Auch hat die Antragsgegnerin deutlich gemacht, dass der Antragsteller ohne die Anordnung der sofortigen Vollziehung vor Unanfechtbarkeit der Verfügung vom 11. September 2012 das hochwertige Rechtsgut der Verkehrssicherheit und damit hochrangige Rechtsgüter anderer Menschen gefährden könnte. Dies zeigt, dass einer der Zwecke des 80 Abs. 3 VwGO, nämlich die Verwaltung dazu anzuhalten, die Notwendigkeit einer sofortigen Vollziehung sorgfältig zu prüfen, hier erreicht worden ist. Die Begründung genügt darüber hinaus dem weiteren Zweck der Vorschrift, den betroffenen Bürger in die Lage zu versetzen, seine Rechte wirksam wahrzunehmen und die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels abzuschätzen sowie eine gerichtliche Kontrolle zu ermöglichen.
Zwar ist einzuräumen, dass die von der Antragsgegnerin gewählte Begründung mehr oder weniger für sämtliche Fälle der Entziehung einer Fahrerlaubnis bei fehlender Kooperation des Betroffenen passt. Die Allgemeinheit der Ausführungen im Rahmen des 80 Abs. 3 VwGO ist jedoch kein Mangel, der die Beanstandung der Begründung zur Folge haben müsste. Die Verwendbarkeit einer Begründung in vielen gleich gelagerten Fällen, ihr bausteinartiger Charakter, ergibt sich im Fahrerlaubnisrecht aus der Natur der Sache. Die Verkehrssicherheit und damit letztlich Gesundheit und Leben anderer Verkehrsteilnehmer haben, verglichen mit dem Wunsch des betroffenen Kraftfahrers, weiterhin ein Kraftfahrzeug führen zu dürfen, ein derart starkes Übergewicht, dass die Abwägung in aller Regel zum Nachteil des Kraftfahrers ausfallen muss.
2. In der Sache überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehung das private Interesse des Antragstellers, von der sofortigen Vollziehung einstweilen bis zu einer Klärung der Rechtmäßigkeit der Verfügung im Hauptsacheverfahren verschont zu bleiben.
Nach 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes angeordnet worden ist, die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine eigene, originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheides und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Im Rahmen dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs maßgeblich zu berücksichtigen. Bleibt dieser mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos, wird die Abwägung in der Regel zum Nachteil des Betroffenen ausfallen, da dann das von der Behörde geltend gemachte besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung regelmäßig überwiegt.
Im vorliegenden Fall ergibt die im Eilverfahren allein erforderliche summarische Überprüfung, dass dem Antragsteller die Fahrerlaubnis mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Recht entzogen worden ist; zudem besteht auch ein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse, welches über das Interesse hinausgeht, das den Verwaltungsakt selbst rechtfertigt.
a) Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis ist 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i. V. m. 3 Abs. 1, 11 Abs. 2, 8, 14 Abs. 1, 46 Abs. 1, 3 FeV. Danach ist demjenigen die Fahrerlaubnis zu entziehen, der sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden nach 46 Abs. 3 FeV die 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung. Nach 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 11 Abs. 2 Satz 3 FeV ordnet die die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens an, wenn Tatsachen die Annahme begründen, dass die Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes vorliegt. Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er der das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf die gemäß 11 Abs. 8, 46 Abs. 3 FeV bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen.
Die Antragsgegnerin hatte dem Antragsteller die Fahrerlaubnis nach 3 Abs.1 Satz 1 StVG, 46 Abs. 1 Satz 1 FeV zu entziehen, nachdem sie gemäß 11 Abs. 8 FeV auf dessen Nichteignung geschlossen hatte. Der Antragsteller hat das von der geforderte Gutachten vorliegend nicht beigebracht. Er hat die Beibringung zwar nicht ausdrücklich verweigert. Der Weigerung steht jedoch die nicht fristgerechte Beibringung gleich.
Dem kann der Antragsteller auch nicht entgegengehalten, der Schluss auf seine Nichteignung zum Führen eines Fahrzeugs erfolge in rechtswidriger Weise, weil schon die Aufforderung zur Vorlage eines fachärztlichen Gutachtens nicht rechtmäßig gewesen sei. Die Beibringungsaufforderung vom 20. Juni 2012 ist sowohl formell als auch materiell rechtmäßig.
aa) Die Anordnung, ein ärztliches Gutachten beizubringen, genügte den formellen Anforderungen des 11 Abs. 6 Satz 2 FeV. Die teilte in der Beibringungsanordnung mit, dass die Frage der Kraftfahrteignung des Antragstellers zu klären sei, nachdem dieser am 06. November 2008, am 27. Juni 2011 sowie am 14. März 2012 im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln polizeilich in Erscheinung getreten sei. Die Anordnung enthielt auch die erforderliche Fristsetzung, einen Hinweis auf die Kostentragungspflicht des Betroffenen und die Angabe, dass das Gutachten von einem näher spezifizierten Arzt zu erstellen sei. Hierbei wurde eine Auflistung von Ärzten, die entsprechende Untersuchungen in Bremen durchführen, genannt. Außerdem wurde der Antragsteller auf die Folgen einer Weigerung, sich untersuchen zu lassen, oder einer nicht fristgerechten Vorlage des Gutachtens hingewiesen ( 11 Abs. 8 Satz 2 FeV).
bb) Die Beibringungsaufforderung war auch materiell rechtmäßig. Sie beruht auf 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 11 Abs. 2 Satz 3 FeV i. V. m. 46 Abs. 3 FeV. Wie eingangs erläutert, ordnet die danach die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens an, wenn Tatsachen die Annahme begründen, dass Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes eingenommen wurden bzw. werden, so dass Bedenken an der Geeignetheit zum Führen eines Kraftfahrzeuges bestehen. Zwar genügt für die Anforderung eines Gutachtens nach 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV nicht jedweder geringfügige Anhaltspunkt, der auf einen Drogenkonsum hindeuten könnte. Insbesondere reicht die bloße Vermutung des Drogenkonsums nicht als Rechtfertigung für eine Gutachtensanforderung (zur Unzulässigkeit einer Untersuchungsmaßnahmen "ins Blaue hinein" vgl. BVerwG, U. v. 05.07.2001, 3 C 13/01, Rn. 26 juris). Wie sich aus dem Wortlaut des 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV ergibt ("wenn Tatsachen die Annahme begründen"), ist die Anforderung eines Gutachtens indes bei Anhaltspunkten gerechtfertigt, die bei vernünftiger, lebensnaher Einschätzung die ernsthafte Besorgnis begründen, der Betreffende konsumiere Drogen. Insofern setzt eine Gutachtensanforderung nach 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV nicht voraus, dass ein Betäubungsmittelkonsum tatsächlich bereits nachgewiesen ist. Denn in diesem Fall stünde (außer bei Cannabis) die Nichteignung des Betreffenden bereits fest, sodass die Fahrerlaubnis ohne Anordnung der Beibringung eines Gutachtens gemäß 46 Abs. 3 FeV und 11 Abs. 7 FeV unmittelbar zu entziehen wäre.
Allein der Besitz von Betäubungsmitteln des Antragstellers stellt zwar keine Tatsache dar, welche die Annahme der Einnahme von Betäubungsmitteln begründen kann, da der Gesetzgeber in 14 Abs. 1 Satz 2 FeV gezeigt hat, dass er in diesem Fall die Anordnung einer ärztlichen Untersuchung nicht zwingend vorsieht, sondern diese vielmehr in das Ermessen der Behörde stellt.
Vorliegend wurden beim Antragsteller aber nicht nur Heroin, Tabletten des Medikaments "Fluninoc" sowie das Arzneimittel "Diazepam" gefunden Betäubungsmittel nach den Anlagen 1 und 3 zum BtMG. Im Rahmen der Streifenfahrt vom November 2008 konnten auch zwei abgeschnittene Strohhalme, die als Hilfsmittel für den nasalen Konsum von Betäubungsmitteln (Schniefröhrchen) dienen im Besitz des Antragstellers vorgefunden werden. Ferner wurden im März 2012 im Auto des Antragstellers benutzte Taschentücher mit Heroinspuren vorgefunden, aus dem Auto drang laut Angaben der Polizei ein für Heroin typischer, essigähnlicher Geruch. Bereits diese Umstände begründen in ihrer Gesamtschau die Annahme, dass auch der Antragsteller selbst die bei ihm vorgefundenen Betäubungsmittel konsumiert und führen daher zwingend zu der Anordnung der ärztlichen Begutachtung (vgl. hierzu VG Augsburg, U. v. 19.07.2010 Au 7 K 09.888, Rn. 23 juris; Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl. 2011, 14 FeV, Rn. 15). Die vorliegenden Verdachtsmomente gehen insbesondere über die bloße Vermutung eines Drogenkonsums, die für sich genommen als Rechtfertigung für eine Gutachtenanforderung nicht ausreichen würde, hinaus. Sowohl der essigähnliche Geruch aus dem Auto des Antragstellers heraus bei gleichzeitigem Auffinden von mit Heroinspuren versetzten Taschentüchern im Fahrzeug legen den Schluss auf einen zeitnahen Drogenkonsum durch den Fahrzeughalter nahe. Dies gilt in verstärktem Maße wenn wie vorliegend in der Vergangenheit bereits Utensilien für den Konsum von Betäubungsmitteln bei der betroffenen Person gefunden worden sind.
Die Aussage des Antragstellers, er habe die Schniefröhrchen zuvor noch nie gesehen, ein Drogenkonsum durch seine Person finde nicht statt, wertet die Kammer als bloße Schutzbehauptung. Die Aussagen sind pauschal und vermögen nicht zu erklären, wie verdachtsbegründende Gegenstände in den Besitz des Antragstellers gekommen seien sollen, ohne dass dieser Kenntnis hiervon gehabt haben soll. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass ein Drogenkonsum zur Anforderung eines ärztlichen Gutachtens nicht sicher feststehen muss. Ausreichend ist schon, dass konkrete Tatsachen die Annahme des Drogenkonsums begründen. Dies ist wie dargelegt vorliegend der Fall.
cc) Der Schluss der gemäß 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung des Antragstellers ist nach gegenwärtiger Erkenntnis ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden.
Sofern der Antragsteller geltend macht, er habe bereits zwei für Urinproben mit negativem Ergebnis abgegeben, vermag dies am Tatbestand einer Weigerung zur Gutachtenvorlage nichts zu ändern. Unklar bleibt auch wann und wo der Antragsteller die Urinproben hat durchführen lassen.
Die nicht fristgerechte Beibringung des Gutachtens erfolgte im vorliegenden Fall auch ohne ausreichenden Grund. Sofern der Antragsteller die Untersuchung am Institut für Rechtsmedizin der Klinikums Bremen wegen einer aus seiner Sicht im Vergleich zu anderen Instituten überhöhten Rechnung abgebrochen hat, stellt dies keinen ausreichenden Grund für die unterbliebene Gutachtenvorlage dar. Bereits aus dem Schreiben der Antragsgegnerin vom 20. Juni 2012 (S. 2, erster Satz) ergibt sich, dass der Antragsteller die Kosten der Begutachtung von etwa € 450 zu tragen hat. Dass diese Summe in unverhältnismäßiger Weise überschritten worden wäre, ist nicht ersichtlich und wird vom Antragsteller auch nicht geltend gemacht. Auch der pauschale Verweis des Antragstellers darauf, das Ergebnis der Haarprobe sei in seinem Fall "völlig daneben", vermag die Nichtvorlage des geforderten Gutachtens nicht zu rechtfertigen. Insofern ist darauf hinzuweisen, dass es den Gerichten obliegt, die Rechtmäßigkeit von Gutachten und die Richtigkeit der darin festgehaltenen Ergebnisse abschließend zu bewerten, nicht aber den betroffenen Personen.
Gründe dafür, dass abweichend vom Regelfall (vgl. Vorbemerkung Nr. 3 zur Anlage 4 zur FeV) besondere Umstände vorliegen, die die Annahme eines Ausnahmefalls rechtfertigen könnten, sind nach oben Gesagtem nicht ersichtlich.
Ist somit der Antragsteller als ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeugs anzusehen, hatte ihm die Antragsgegnerin die Fahrerlaubnis nach 3 Abs. 1 StVG, 46 Abs. 1 FeV zwingend zu entziehen.
b) Die Verpflichtung des Antragstellers zur Ablieferung des Führerscheins folgt aus den 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, 47 Abs. 1 FeV.
c) Die Androhung von Verwaltungszwang beruht auf 11 Abs. 1, 13 Abs. 1 Nr. 1 und 14 BremVwVG und ist nicht zu beanstanden. Die Androhung des Zwangsgeldes ist verhältnismäßig. Sie ist geeignet, den Antragsteller zur Erfüllung der Verpflichtung anzuhalten. Mildere Mittel, die ebenso wirksam wären, sind nicht denkbar. Außerdem ist die Androhung im Interesse der effektiven Durchsetzung des Ausschlusses des Antragstellers vom motorisierten Straßenverkehr angemessen. Auch die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes ist nicht zu beanstanden. Mit 250,00 Euro liegt es im unteren Bereich des von 14 Abs. 2 BremVwVG eröffneten Rahmens.
d) Ist von der Ungeeignetheit der Antragsteller zum Führen von Kraftfahrzeugen auszugehen, so ist es im Hinblick auf die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer rechtlich unbedenklich, dass die Behörde bei der Entziehung der Fahrerlaubnis die sofortige Vollziehung anordnet. Erweist sich ein Kraftfahrer selbst im Rahmen einer nur summarischen Prüfung als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, so wäre es nicht zu verantworten, ihn weiter am motorisierten Straßenverkehr teilnehmen zu lassen mit der Folge, dass dadurch andere Verkehrsteilnehmer gefährdet würden. Angesichts der irreparablen Folgen, zu denen ein von einem ungeeigneten Kraftfahrer verursachter Verkehrsunfall führen kann, ist es unbedenklich, wenn die Behörde bei der Entziehung von Fahrerlaubnissen die sofortige Vollziehung anordnet.
3. Die Kostenentscheidung ergeht nach 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1, 2 GKG.
Fahrlässigkeit bei Fahrt eines Fahrzeugs unter Dro
Oberlandesgericht Frankfurt/Main
Az: 3 Ss 35/07
Beschluss vom 25.04.2007
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Amtsgericht das Vorliegen einer Straftat nach 316 I, III StGB aus tatsächlichen Gründen verneint und gegen den Angeklagten wegen vorsätzlichen Führens eines Pkw unter der Wirkung von Cannabis ( 24a II StVG) eine Geldbuße von 400 € und ein Fahrverbot für die Dauer von 2 Monaten verhängt. Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und in gleicher Weise begründete Revision des Angeklagten, die mit der Sachrüge - zumindest vorläufig - Erfolg hat, so dass es eines Eingehens auf die Verfahrensrüge nicht bedarf.
Zwar begegnet der Schuldspruch zum objektiven Tatbestand keinen Bedenken. Unter Wirkung des Rauschmittels wird ein Kraftfahrzeug bereits dann geführt, wenn - wie hier festgestellt - die in der Anlage zu 24a StVG aufgeführte Substanz im Blut des Angeklagten nachgewiesen worden ist, ohne dass die Fahrsicherheit konkret beeinträchtigt gewesen sein muss (OLG Frankfurt [2. Strafsenat], Beschl. v. 22.5.2006 - 2 Ss-OWi 191/06; BayObLG, NZV 2004, 267; OLG Saarbrücken VRS 102, 120; OLG Köln, NStZ-RR 2005, 385). Zwar kann nach der Entscheidung des BVerfG vom 21.12.2004 (NZV 2005, 270) eine Wirkung i.S. des 24a II 1 StVG nur angenommen werden, wenn die betreffende Substanz auch in einer Konzentration nachgewiesen wird, welche die Beeinträchtigung der Fahrsicherheit zumindest als möglich erscheinen lässt und damit die in 24a II 2 StVG aufgestellte gesetzliche Vermutung rechtfertigt. Dies ist indes bereits dann der Fall, wenn zumindest der in der Empfehlung der Grenzwertkommission vom 20.11.2002 (abgedr. BA 2005, 160, vgl. auch Bönke, NZV 2005, 272, 273) empfohlene Nachweisgrenzwert erreicht ist. Dieser beträgt bei THC 1,0 ng/ml. Vorliegend hat das Amtsgericht rechtsfehlerfrei einen Entnahme- und Tatzeit-THC-Wert von 2,2 ng/ml festgestellt.
Hingegen sind die Feststellung zum subjektiven Tatbestand nicht ausreichend. Zur vorsätzlichen Begehungsweise ist erforderlich, dass der tatbestandsmäßige Erfolg zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen wird. Fahrlässiges Handeln liegt vor, wenn der Täter die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen und seinen persönlichen Fähigkeiten verpflichtet und imstande ist, außer Acht lässt und deshalb entweder die Tatbestandsverwirklichung nicht erkennt und nicht voraussieht (unbewusste Fahrlässigkeit) oder die Möglichkeit zwar erkennt, aber mit ihr nicht einverstanden ist und ernsthaft darauf vertraut, diese werde nicht eintreten (bewusste Fahrlässigkeit.) Die Feststellungen des Amtsgerichts füllen weder die Voraussetzungen des vorsätzlichen, noch - entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht - des (unbewusst) fahrlässigen Handelns aus, so dass auch eine eigene Entscheidung des Senats - Änderung des Schuldspruchs auf eine fahrlässige Begehensweise - ausscheidet. Vielmehr muss das Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen werden.
Zwar ergibt sich aus den Feststellungen, dass der Angeklagte vor Fahrtantritt bewusst Haschisch konsumiert hat und - auf Grund langjährigen Drogenkonsums - auch allgemein von dessen berauschender Wirkung wusste. Vorsatz und Fahrlässigkeit müssen sich indes auch und gerade auf das Fahren unter Wirkung des Rauschmittels erstrecken (OLG Hamm, NStZ 2005, 710; OLG Saarbrücken, NJW 2007, 309; Beschl. v. 16.3.2007 - Ss (B) 5/2007 - Juris). Hierzu muss das Bewusstsein des Angeklagten allerdings keine spürbare Wirkung oder gar eine Beeinträchtigung der Fahruntüchtigkeit umfassen (vgl. KG, NZV 2003, 250, 251). Auch muss der Angeklagte nicht zu einer exakten physiologischen und biochemischen Einordnung der Wirkweise der Droge in der Lage sein. Vielmehr muss er als Kraftfahrer die Unberechenbarkeit von Rauschdrogen in Rechnung stellen (vgl. OLG Zweibrücken, NStZ 2002, 95).
Für möglich hält ein Kraftfahrer das Fahren unter Wirkung des Rauschgift jedoch nur, wenn er sich vorstellt, dass der Rauschmittelwirkstoff nicht vollständig unter den analytischen Grenzwert (hier: 1,0 ng/ml THC) abgebaut ist. Fahrlässig handelt er, wenn er in zeitlicher Nähe zum Fahrtantritt Cannabis konsumiert hat und sich dennoch an das Steuer setzt, ohne sich bewusst zu machen, dass der genannte Abbau noch nicht vollständig erfolgt ist, obwohl ihm das erkennbar ist (OLG Saarbrücken aaO; ähnlich OLG Hamm aaO). Bereits an der Erkennbarkeit der - so bestimmten - Wirkung des Rauschmittels zum Tatzeitpunkt kann es aber ausnahmsweise fehlen, wenn zwischen Konsum der Droge und der Fahrt längere Zeit vergeht (OLG Hamm; OLG Saarbrücken -jew. aaO; OLG Bremen, NZV 2006, 276), so dass nicht nur ein vorsätzliches Handeln ausscheidet, sondern selbst der Vorwurf der (unbewussten) Fahrlässigkeit nicht erhoben werden kann. In diesem Ausnahmefall muss der Tatrichter deshalb nähere Ausführung dazu machen, auf Grund welcher Umstände sich der Angeklagte hätte bewusst machen können, dass der Rauschmittelkonsum noch Auswirkungen hätte haben können. Letztgenannter Darlegungslast genügt das angefochtene Urteil nicht.
Das Amtsgericht stellt einerseits fest, "dem Angeklagten (sei) bewusst gewesen, dass er nur Stunden vor Fahrtantritt (20.40 Uhr) Cannabis konsumiert habe". Andererseits führt es im Rahmen der Widerlegung der Einlassung des Angeklagten aus, der Sachverständige, dem das Gericht folgt, habe ausgeführt, dass die Zeitspanne zwischen Blutentnahme (21.47 Uhr) und letztem Konsum "höchstens 24 Stunden" betragen haben könne. Das kann dahin verstanden werden, dass mit der Wendung "nur Stunden vor Fahrtantritt" sei Haschisch konsumiert worden, die knapp 23 Stunden gemeint sind, die nach den Ausführungen des Sachverständigen längstens in Betracht kamen. Jedenfalls sind die Feststellungen nach dem Zweifelssatz so auszulegen.
Zwar lagen demnach zwischen Fahrtantritt und letzter Rauschgifteinnahme nicht mehrere Tage (wie im Falle des OLG Hamm aaO), sondern lediglich knapp ein Tag. Mit Blick auf die festgestellte nur etwas mehr als 2- fache Überschreitung des analytischen Grenzwertwertes kann jedoch - anders als im Falle des OLG Bremen (aaO), in welchem zwischen dem Cannabiskonsum und dem Fahrtantritt "weniger als ein Tag lag", aber der 44-fache THC-Wert erreicht wurde, und entsprechend der Entscheidung des OLG Saarbrücken (aaO), in welcher der Tatrichter von einem THC-Wert von 0,2 ng/ml und 28 Stunden zwischen Genuss und Fahrantritt ausging - ohne weitere Feststellungen nicht ohne weiteres von der Voraussehbarkeit der Tatbestandsverwirklichung ausgegangen werden. Solche fehlen jedoch. Das Amtsgericht wird deshalb mit Hilfe des Sachverständigen zu klären haben, ob sich weitere Indizien für die Erkennbarkeit der fortdauernden Wirkung des Rauschmittels zum Tatzeitpunkt feststellen lassen. Namentlich bietet sich an zu überprüfen, ob mit Blick auf die festgestellten Hydroxy-THC- und THC-Corbonsäurewerte eine zeitnähere als die bisher nach dem Zweifelssatz sich ergebende Rauschmitteleinnahme in Betracht kommt (vgl. hierzu OLG Hamm und OLG Bremen -jew. aaO).
Mit der erfolgten Aufhebung und Zurückverweisung wird die gleichermaßen eingelegten sofortigen Beschwerde gegen die Kostenentscheidung gegenstandslos (Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl., 464 Rn 20). Über dieses Rechtsmittel war deswegen nicht mehr zu befinden.
Fahrt unter Cannabiseinfluss- fahrlässiges Nichte
OLG Hamm
Az.: III-2 RBs 83/12
Beschluss vom 21.01.2013
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Herne-Wanne vorn 18.06,2012 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 21. Dezember 2012 durch
die Richterin am Oberlandesgericht als Einzelrichterin gemäß 80 a OWiG nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Betroffenen bzw. seines Verteidigers beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird nebst den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Herne-Wanne zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Das Amtsgerichts Herne-Wanne hat mit Urteil vorn 18.06.2012 gegen den Betroffenen wegen fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeugs unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln eine Geldbuße von 400,00 Euro sowie ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Gleichzeitig hat es angeordnet, dass das Fahrverbot erst wirksam wird. wenn der Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.
Das Amtsgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
"Am 02.09.2011 um 22:35 Uhr befuhr der Betroffene mit seinem PKW, Typ BMW amtliches Kennzeichen XXXXX, mit einer Blutkonzentration von 1,7 ng/ml THC die im Stadtgebiet von Herne-Wanne liegende Neidstraße in Höhe des Hauses Nr. 35. Um 23:22 Uhr wurde dem Betroffenen mit seiner Einwilligung eine Blutprobe entnommen, die, was eine forensischtoxikologischen Analyse des Universitätsklinikums Essen ergab, die o.g. Blutkonzentration aufwies.
Der Betroffene hätte bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen und ihm zumutbaren Sorgfalt die Möglichkeit der fortdauernden Wirkung seines Cannabiskonsums erkennen können und müssen."
Nach den weiteren Urteilsausführungen hat der der Betroffene hat im Rahmen der Hauptverhandlung eingeräumt, zum Tatzeitpunkt seinen PKW mit einer Blut-konzentration von 1,7 ng/ml THC in der Neidstraße geführt zu haben. Ihm sei jedoch nicht bewusst gewesen, dass bei ihm noch eine THC-Konzentration im Blut vorgelegen habe. da er bereits drei Tage vor der Tat "gekifft" hätte. Er sei da-von ausgegangen, dass im Tatzeitpunkt das von ihm drei Tage zuvor eingenommene Betäubungsmittel vollständig abgebaut gewesen sei. Der bei ihm festgestellte THC-Wert sei im Übrigen so gering, dass eine Beeinträchtigung seines Fahrverhaltens ausgeschlossen gewesen sei. Er könne sich den Umstand, dass bei ihm THC im Blut festgestellt worden sei, nur so erklären, dass bei ihm, da er Insulin spritze, sehr hager sei und zudem nicht gewohnheitsmäßig "kiffe", THC verlangsamt abgebaut werde.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der eine Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wird.
II.
Das Rechtsmittel hat mit der erhobenen Sachrüge zumindest vorläufig Erfolg. Sie führt zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und zu einer Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht Herne-Wanne. Angesichts dessen kann es dahingestellt bleiben, ob auch die erhobenen Verfahrensrügen durchgreifen, da sie dem Rechtsmittel zu keinem weitergehenden Erfolg hätten verhelfen können.
Die getroffenen Feststellungen tragen nicht die Verurteilung wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen 24 a Abs. 2 StVG.
Sie belegen zwar die Erfüllung des objektiven Tatbestands des 24 a Abs. 2 StPO durch den Betroffenen.
Nach 24a Abs. 2 Satz 1 StVG begeht derjenige eine Ordnungswidrigkeit, der im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug unter der Wirkung eines in der Anlage zu dieser Vorschrift genannten berauschenden Mittels führt. Eine solche Wirkung liegt gemäß 24 a Abs. 2 Satz 2 StVO vor, wenn eine dieser in der Anlage aufgeführten Substanzen - bei Cannabis handelt es sich um das Abbauprodukt Tetrahydrocannabinol (THC) - im Blut nachgewiesen wird, ohne dass die Fahrsicherheit konkret beeinträchtigt gewesen sein muss (OLG Frankfurt NStZ-RR 2007, 249). Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21.12.2004 (NJW 2005, 349) können mit Rücksicht auf die durch verbesserten Nachweismethoden erhöhte Nachweisdauer dieser Zeitraum und die Wirkungsdauer nicht mehr gleichgesetzt werden. Es reicht daher nicht mehr jeder Nachweis von THC im Blut für die Erfüllung des Tatbestandes des 24 a Abs. 2 StVG aus. Erforderlich ist vielmehr der Nachweis der betreffenden Substanz in einer Konzentration, die eine Beeinträchtigung der Fahrsicherheit zumindest als möglich er-scheinen lässt und damit die in 24 a Abs. 2 S. 2 StVG aufgestellte gesetzliche Ver-mutung rechtfertigt. Das ist nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft jedenfalls dann der Fall. wenn zumindest der in der Empfehlung der Grenzwertkornmission vom 20.11.2002 (BA 2005, 160) empfohlene Nachweisgrenzwert erreicht ist, der für THC (Cannabis) derzeit bei 1 ng/mi liegt (vgl. OLG Hamm Beschluss vom 20.05.2008 - 5 Ss OVVi 282/08 - König in Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 40.Aufl., 24a StVG Rdnr. 21 a m.w.N.).
Nach den Urteilsfeststellungen ist im Blut des Betroffenen ausweislich des forensisch-toxikologischen Gutachtens des Universitätsklinikums Essen vom 02.09.2011 Tetrahydrocannabinol (THC) in einer den o. g. Nachweisgrenzwert übersteigenden Konzentration von 1,7 ng/ml nachgewiesen worden.
Die Annahme des Amtsgerichts, der Betroffene habe fahrlässig gehandelt, hält dagegen einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Amtsgericht hat insoweit ausgeführt:
"Der Betroffene hat auch fahrlässig gehandelt. Fahrlässiges Handeln im Sinne des 10 OWiG liegt vor, wenn der Betroffene die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen und seinen persönlichen Fähigkeiten verpflichtet und im Stande ist. außer Acht lässt und deshalb entweder die Tatbestandsverwirklichung nicht erkennt bzw. nicht voraussieht - unbewusste Fahrlässigkeit- oder die Möglichkeit einer Tatbestandsverwirklichung zwar erkennt, aber mit ihr nicht einverstanden ist und ernsthaft darauf vertraut. diese werde nicht eintreten - bewusste Fahrlässigkeit (vgl. Göhler, 15. Auflage, 10, Rn. 6; Bohnert, OWiG, 3.Aufl., 2010, 10, Rn.17). Bezogen auf den Tatbestand des 24a Abs. 2 StVG bedeutet dies, dass dem Betroffenen nachzuweisen ist, dass er die Möglichkeit fortdauernder Wirkung seines Cannabiskonsums entweder erkannt hat oder zumindest hätte erkennen können und müssen (OLG Hamm, NJW 2005, 3298, OLG Brandenburg BA 45, 135-138; OLG Saarbrücken. NJW 2007. 309). Der Vorwurf schuldhafter Tatbegehung sei es vorsätzlich oder fahrlässig, bezieht sich zwar nicht allein auf den Konsumvorgang, sondern auch auf die Wirkungen des Rauschmittels zum Tatzeitpunkt (vergleiche OLG Hamm, a.a.O.). Soweit allerdings vertreten wird, dass es an dieser Erkennbarkeit im Tatzeitpunkt ausnahmsweise fehlen könne, wenn zwischen Einnahme des Rauschmittels und Begehung der Tat längere Zeit vergangen sei (OLG Hamm, a.a.O.; OLG Bremen. NZV 2006, 276), kann dieser pauschalierten Sichtweise nicht gefolgt werden (so ausdrücklich nunmehr auch das OLG Hamm, Beschluss vom 05.11.2011, Ill-3 RVs 19/11, iuris). Die Anforderungen an den subjektiven Tatbestand sind in dieser allgemeinen Form zu hoch und führen im Ergebnis zu einem Leerlaufen der Regelung des 24 a StVG bei einem bestreitenden oder schweigenden Betroffenen.
Der Vorwurf fahrlässigen Handelns im Sinne des 10 OWiG setzt weder voraus, dass der Betroffene tatsächlich bemerkt hat, dass er das Fahrzeug unter dem Einfluss von Drogen fuhr - wobei beim Bemerken vorsätzliches Handeln gegeben wäre-, noch dass er die Wirkung des Rauschmittels zur Tatzeit hätte spüren können. die THC-Konzentration für ihn also subjektiv wahrnehmbar war (OLG Brandenburg, a.a.O.). Es genügt, wenn der Betroffene die Möglichkeit der fortdauernden, wenn auch womöglich subjektiv nicht spürbare Rauschwirkung hätte erkennen können und müssen (OLG Hamm, Beschluss vom n5.11.9011, II1-3 RVs 19/11, juris, OLG Brandenburg, a.a.O., OLG Frankfurt, Beschluss vom 20. August.2010, - 2 Ss OWi 166/10).
Eine Kraftfahrzeugfahrt darf nur angetreten werden, wenn gewährleistet ist, dass sich Fahrzeugführer und Fahrzeug in einem ordnungsgemäßen Zustand befinden. Gemäß 1 Abs.1 StVO erfordert die Teilnahme am Straßenverkehr ständige Vorsicht. Dieses Gebot der Vorsicht begründet eine Rechtspflicht und entfaltet auch mittelbare Rechtswirkungen (Hentschel/König a.a.O., 1 StVO, Rn.6). Insoweit ist seit Jahrzehnten an-erkannt, dass ein Kraftfahrer, der (legale) Medikamente zu sich nimmt, verpflichtet ist, die Gebrauchsanleitung des Medikamentes zu beachten (OLG Braunschweig, DAR 64, 170; OLG Köln VRS 32, 349; OLG Hamm VM 69, 18; LG Freiburg, Blutalkohol 2007, 183-186, juris). Hat er keine, muss er sich erkundigen (OLG Frankfurt, VM 1976, 162).
Jeder Kraftfahrer, der sein Fahrzeug nach einem illegalen Drogenkonsum fährt, weiß, dass er vorsichtig sein muss. Diese Kenntnisvermittlung ist seit Jahrzehnten Bestandteil jeder Führerscheinausbildung. Gemäß 11 Abs.2 OWiG setzt daher für ihn eine Prüfungs- und Erkundigungspflicht ein (Göhler, OW1G, 15. Aufl., 11, Rn.24). Demzufolge kann und muss sich ein Kraftfahrzeugführer Kenntnis darüber verschaffen, wie lange die Wirkungsdauer der von ihm eingenommen Droge andauert. Dabei muss er alles in seiner Macht stehende tun, damit er nicht, da objektiv unter Drogenwirkung stehend, eine für andere potenziell gefährliche Fahrt antritt (OLG Hamm, Beschluss vom 05.11.2011,111-3 RVs 19/11, juris, König, NStZ 2009, 425, 427). Diese Prüfungs- und Erkundigungspflicht ist ihm auch ohne weiteres zumutbar. Neben kostengünstigen seriösen Informationsquellen im Internet kann und muss er zur Not einen Apotheker oder Mediziner befragen. Nur der Konsument weiß, welches Mittel er in welcher Menge genommen hat.
Nur sofern er sich der Gefahrlosigkeit der Fahrt gewiss sein kann, darf er sich in den Straßenverkehr begeben. Vertraut er hingegen auf ungewisser Grundlage auf den Abbau der Droge und verwirklicht sich sein Einschätzungsrisiko, handelt er objektiv und subjektiv fahrlässig (OLG Hamm a.a.O., König, a.a.O.).
Auf den vorliegenden Fall übertragen bedeutet dies, dass der. Betroffene unabhängig davon, wann er die Drogen zu sich genommen hatte, verpflichtet war, sich hinreichend über die mögliche Wirkungsdauer zu er-kundigen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 05.11.2011, III-3 RVs 19/11, juris). Da er dieses offensichtlich unterlassen hat, handelte er im Hinblick auf 24 a Abs. 2 StVO fahrlässig. Der Betroffene hätte sich, selbst wenn sein Drogenkonsum bereits drei Tage vor der Tat stattgefunden hat, er-kundigen müssen, ab welchem Zeitpunkt eine Beeinflussung seiner Fahr-tüchtigkeit durch seinen Drogenkonsum ausgeschlossen war. Dies v.a., weil nach seiner eigen Einlassung bei ihm Risikofaktoren vorlagen, die einen
langsamen Abbau von THC begünstigten. Zudem ist es allgemein bekannt, dass ein vollständiger Abbau von THC mehrere Tage andauert."
Diese Erwägungen lassen jedoch eine hinreichende Auseinandersetzung mit der Einlassung des Betroffenen, er habe drei Tage vor dem hier in Rede stehenden Vorfall "gekifft," wobei es sich bei ihm nicht um einen gewohnheitsmäßigen Konsumenten handele, vermissen. Nach dem Ergebnis von Recherchen und Untersuchungen der Grenzwertkommission, die dem derzeitigen Stand der Wissenschaft entsprechen dürften, können THC-Konzentrationen oberhalb von 1 ng,iml auch nach einem Zeitintervall oberhalb von einem Tag zwischen letzter Drogenaufnahme und Fahrtantritt beobachtet werden, und zwar dann, wenn der Betroffene vorher durch regelmäßigen/täglichen Konsum THC-Speicher im Blut aufgebaut hat. Bei einer solchen Fallgestaltung kann hinsichtlich des Führens eines Kraftfahrzeugs eine Abstinenzphase bis zu einer Woche notwendig sein, um Wirkstoffe soweit zu eliminieren, dass keine Wirkung im Sinne des 24a StVG mehr gegeben ist (vgl. Daldrup, Drogendelikte im Verkehr, Naturwissenschaftliche Grundlagen der Fahrlässigkeit - Zeitspanne der Nachweisbarkeit - Zuverlässigkeit von Drogenvortests - Vortrag im Rahmen des Arbeitskreises ! des Deutschen Verkehrsgerichtstages 2011, Blutalkohol (48) 2011, S. 72 ff). Dagegen ist bei einem einmaligen oder gelegentiichen Konsum immer von einem nur wenige Stunden zurückliegenden Konsum auszugehen, wenn die THC-Konzentration im Blutserum bei mindestens 1 ng/ml liegt, da bei solchen Konsumenten das THC bereits 6 bis 8 Stunden später fast vollständig abgebaut war. Nur bei einem chronisch/regelmäßigen Cannabiskonsum muss auf der Grundlage der herangezogenen Untersuchungen über 20 Stunden hinaus mit einem Nachweis von THC und gegebenenfalls 11-0H-THC (sowie THC-000H) gerechnet werden (vgl. Daldrup. a.a.O., S. 76). Bei einem einmaligen/gelegentlichen Konsum ist jedenfalls beim Führen eines Kraftfahrzeuges nach Ablauf einer empfohlenen Wartezeit von 24 Stunden nach dem letzten Konsum nicht mehr mit einem Verstoß gegen 24 a Abs. 2 StVO rechnen (vgl. Daldrup a.a.O., S. 77). Auch nach den Ausführungen von Eisenmenger (Drogen im Straßenverkehr - Neue Entwicklungen, NZV 2006. 24) kommen nur bei chronischen Konsumenten Nachweiszeiten von mehr als 24 Stunden, teilweise sogar 48 Stunden in Betracht (vgl. insoweit auch Berr/Krause/Sachs, Drogen im Straßenverkehr, Rdnr. 481 ff). Nach einmaligem bzw. gelegentlichen Konsum auch hoher Dosen Cannabis ist davon auszugehen, dass die THC-Konzentration im Serum binnen eines Zeitraumes von 6 Stunden auf eine Konzentration von 1 ng/ml absinkt (Eisenmenger. a.a.O., S. 25; ebenso Möller/Kauert/Tönnes/Schneider/Theunissen/Ramaekers, Leistungsverhalten und Toxikokinetik der Cannabinoide nach inhalativer Marihuanaaufnahme, Blutalkohol (43) 2006, 361, 365; vgl. auch Haase/Sachs, Strafrechtliche und ordnungswidrigkeitsrechtliche Einordnung von Drogenfahrten nach Konsum von Haschisch. Amphetaminen, Kokain und Heroin [= Drogen nach der Anlage zu 24a StVG] - Tabellarische Übersicht im Anschluss an die Ausführungen in der NZV 2008, 221 ff. Haase -Sachs , NZV 2011, 584, die von einem Zeitraum von 6-10 Stunden ausgehen). Der Betroffene hätte daher, selbst wenn er sich über die Wirkungsdauer des von ihm behaupteten Cannabiskonsums erkundigt hätte und man von einer Auskunftserteilung entsprechend dem oben dargelegten derzeitigen Stand der Wissenschaft ausginge, bei Zugrundelegung seines Vorbringens, er sei kein gewohnheitsmäßiger Konsument, nach Ablauf von drei Tagen nach der von ihm eingeräumten Drogeneinnahme, nicht mehr damit rechnen müssen, dass sein Drogenkonsum seine Fahrsicherheit noch beeinträchtigen könnte, so dass sich ein fahrlässiges Handeln des Betroffenen nicht feststellen ließe. In Bezug auf eine etwaige Verzögerung des Drogenabbaus aufgrund einer möglichen Wechselwirkung mit dem Insulin, das sich der Betroffene spritzt, wäre dem Betroffenen fahrlässiges Handeln nur vorzuwerfen, wenn solche Folgen dieses Medikaments positiv feststünden. Entsprechende Feststellungen sind durch das Amtsgericht aber nicht getroffen worden.
Die nicht weiter begründete Annahme des Amtsgerichts, es sei allgemein bekannt, dass ein vollständiger Abbau von THC mehrere Tage andauere, ist angesichts der oben wiedergegebenen Ergebnisse der Untersuchungen und Recherchen der Grenzwertkommission sowie der Zitate aus der Fachliteratur nicht nachvollziehbar. Unter Berücksichtigung dieser Ergebnisse würde allerdings, falls es sich bei dem Betroffenen um einen Gelegenheitskonsumenten handeln sollte - nach den Ausführungen in der Rechtsbeschwerdebegründung soll sich dieser Umstand, mit dem sich das Amtsgericht nicht näher befasst hat, aus dem forensisch-toxikologischen Gutachten des Universitätsklinikums Essen, dessen weiterer Inhalt in den Urteilsgründen nicht mitgeteilt wird - ergeben - die festgestellte Blutkonzentration von 1,7 ng/ml zu der weiteren Einlassung des Betroffenen, er habe bereits drei Tage vor dem hier in Rede stehenden Vorfall bzw. der Blutentnahme Cannabis konsumiert. im Widerspruch stehen (vgl. insoweit auch AG Nördlingen, Blutalkohol (43) 2006.). Es müsste daher mit sachverständiger Hilfe geklärt werden, ob angesichts der bei dem Betroffenen festgestellten, noch über dem Grenzwert von 1 ng/ml liegende THC-Konzentration von 1,7 ng/ml dessen letzter Cannabiskonsum bereits drei Tage vor dem hier in Rede stehenden Vorfall erfolgt sein kann, sowie gegebenenfalls, ob es bei ihm aufgrund regelmäßiger Verabreichung von Insulin zu einem verzögerten Abbau des von ihm konsumierten Cannabis gekommen sein kann.
Fahrverbot nach Fahrt unter Drogeneinfluss
OLG Bamberg
Az: 2 Ss OWi 1623/05
Beschluss vom 01.12.2006
Der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Bamberg erlässt in dem Bußgeldverfahren wegen Verkehrsordnungswidrigkeit am 1. Dezember 2006 folgenden B e s c h l u s s :
I. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Fürth vom 25. Juli 2005 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
II. Die Sache wird zu neuer Entscheidung an das Amtsgericht Fürth zurückverwiesen.
G r ü n d e :
I.
Das Amtsgericht verurteilte den Betroffenen am 25.07.2005 wegen fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeugs unter Wirkung des berauschenden Mittels Kokain ( 24 a Abs. 2, 3 StVG) zu einer Geldbuße von 250 € und einem Fahrverbot für die Dauer von einem Monat. Hiergegen wendet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.
II.
Die gemäß 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG zulässige Rechtsbeschwerde hat bereits auf die Sachrüge vorläufigen Erfolg, da die Urteilsgründe lückenhaft und unvollständig sind ( 267 Abs. 1 Satz 1, 337 StPO i.V.m. 71 Abs. 1, 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG).
1. Das Amtsgericht hat festgestellt:
"Am 01.04.2005 um 0.55 Uhr führte der Betroffene den PKW BMW, amtliches Kennzeichen 000, in Ü. auf der Straße im öffentlichen Straßenverkehr unter Wirkung des berauschenden Mittels Kokain. ..."
Zur Beweiswürdigung stellt das Amtsgericht weiter fest und führt aus:
"Der Betroffene selbst äußerte sich zur Tat nicht. Der Polizeimeister R. berichtete glaubwürdig, dass er auf den Betroffenen anlässlich einer Verkehrskontrolle aufmerksam wurde. Es sei ihm die große Nervosität aufgefallenen und der ständige Redefluss. Aufgrund gewisser Vorschulungen habe er den Verdacht gehegt, dass Drogen im Spiel seien. Dem Betroffenen wurde sofort ein Urintest vor Ort angeboten, den dieser auch wahrnahm. Dabei wären entsprechende Spuren zu Tage getreten, die den Zeugen veranlasst hätten, den Betroffenen mit auf die Polizeiwache zur Blutentnahme zu nehmen. Auf der Polizeiwache sei der Betroffene weiterhin überdurchschnittlich nervös gewesen, hätte innerhalb von 21 Minuten 4 Zigaretten geraucht und ständig nachgefragt, was nun geschehen würde. Trotz wiederholter ausführlicher Beantwortung dieser Fragen hätte der Betroffene nicht abgelassen, erneut die gleichen Fragen zu stellen. Insgesamt sei er auffällig gewesen, wenn auch festzustellen war, dass der mit der Taschenlampe durchgeführte Test bezüglich der Pupillenveränderung keinerlei Anhaltspunkte für eine Intoxierung gab.
Der gemäß 256 StPO verlesene ärztliche Untersuchungsbericht ergab, dass beim Betroffenen um 02.16 Uhr eine Blutprobe genommen wurde. Auch die im Beiblatt von Dr. med. R. getätigten Feststellungen bezüglich des Schwankens und der Balancierung wurden insoweit in die Hauptverhandlung eingeführt.
Der Sachverständige Dr. E. erteilte insoweit Auskunft über den im Blut des Betroffenen gegebenen Stoff Benzoylecgonin und führte glaubwürdig und nachvollziehbar aus, dass es sich bei diesem Stoff um ein Abbauprodukt von Kokain handeln würde. Kokain würde im menschlichen Körper so schnell abgebaut, dass teilweise noch unter Einwirkung von Kokain entsprechender Abbaustoff feststellbar sei. Weitere Belege für eine andere Intoxikation hätten sich aufgrund der Blutanalyse nicht ergeben. Der Sachverständige führte auch glaubwürdig aus, dass die in der Hauptverhandlung zu Tage getretene und vom Zeugen R. beschriebene Verhaltensweise sich lückenlos in den Befund einfügt, dass der Betroffene unter Einfluss von Kokain zum Tatzeitpunkt gestanden hat. Der Sachverständige wies auch deutlich darauf hin, dass die Untersuchungen in Bezug auf das Steh- und Balanciervermögen beim Betroffenen keinen nachweisbaren Wert hätten, da der Betroffene sich unwiderlegbar ca. 2 Jahre zuvor einer Achillessehnenoperation unterzogen hatte und sich somit unter anderen Voraussetzungen fortbewegt.
Deutlich wies der Sachverständige darauf hin, dass die Einwirkzeit von Benzoylecgonin ca. 1 Stunde beträgt, mit der Folge, dass der Abbau dieses Stoffes im Körper sehr schnell von statten geht. Unter dem Hinweis, dass die Blutentnahme ca. 1 Stunde und 20 Minuten nach der eigentlichen Tat stattgefunden hätte, kam der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass sich beim Betroffenen zum Tatzeitpunkt unter Voraussetzungen normaler Umstände eigentlich mindestens 96 ng/l befunden hätten, so dass die derzeit geführte Diskussion bezüglich der Grenzwerte in diesem Fall dahinstehen könne.
Aufgrund dieser glaubwürdigen Ausführungen des Sachverständigen ist das Gericht davon überzeugt, dass der Betroffene unter der einschränkenden und die aktive Teilnahme am Straßenverkehr unmöglich machenden Auswirkungen von Kokain stand." [orthografisch berichtigt; kursive Hervorhebung durch den Senat]
2. Diese Feststellungen tragen den Schuldspruch nicht. Gemäß 24 a Abs. 2 Satz 1 StVG begeht eine Ordnungswidrigkeit, wer im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug unter der Wirkung eines in der Anlage zu dieser Vorschrift genannten berauschenden Mittels führt. Eine solche Wirkung liegt gemäß 24 a Abs. 2 Satz 2 StVG vor, wenn eine dieser in der Anlage angeführte Substanz im Blut nachgewiesen wird. Dies ist für das berauschende Mittel Kokain die Substanz Benzoylecgonin (BZE) als dessen Abbauprodukt.
a) Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21.12.2004 (NJW 2005, 349 ff), die die Aufnahme von Cannabis und die nachzuweisende Substanz Tetrahydrocannabinol (THC) betroffen hat, ist 24 a Abs. 2 Satz 2 StVG dahingehend verfassungsgemäß auszulegen, dass eine Konzentration festgestellt sein muss, die es entsprechend dem Charakter der Vorschrift als eines abstrakten Gefährdungsdelikts als möglich erscheinen lässt, dass der untersuchte Kraftfahrzeugführer am Straßenverkehr teilgenommen hat, obwohl seine Fahrtüchtigkeit eingeschränkt war (BVerfG NJW 2005, 349/351). Da sich aufgrund der fortgeschrittenen Untersuchungsmethoden die Nachweisdauer erhöht hat, können Nachweisdauer und Wirkungsdauer nicht mehr wie bei Einführung dieses Tatbestandes im Jahre 1998 vom Gesetzgeber zugrunde gelegt gleichgesetzt werden. Gleiches gilt auch für die anderen Rauschmittel, so dass 24a Abs. 2 Satz 2 StVG auch in Bezug auf Kokain/Benzoylecgonin entsprechend verfassungskonform auszulegen ist (für eine entsprechende Anwendung: Bönke NZV 2005, 272/273; Wehowsky BA 2006, 125/129; Eisenmenger NZV 2006, 2427).
b) Für einen sicheren Nachweis der Substanz Benzoylecgonin (BZE) hat die seit 1993 am Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen angesiedelte Grenzwertkommission dem aktuellen Stand der Wissenschaft entsprechend eine Konzentration von 75 ng/ml BZE im Blutserum als analytischen Grenzwert in ihrem Beschluss vom 20.11.2002 festgelegt (Blutalkohol 2005, 160). Dieser analytische Wert besagt zunächst nicht mehr, als dass ab diesem Wert BZE sicher nachweisbar ist, ohne dass weitere Sicherheitszuschläge erforderlich wären. Er belegt darüber hinaus, dass innerhalb der letzten 24 Stunden Kokain konsumiert wurde (Eisenmenger aaO, S. 26). Ab diesem Wert besteht zugleich die überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung der Fahrtauglichkeit, die die Sanktionierung durch das abstrakte Gefährdungsdelikt legitimiert. Bei tieferliegenden Messwerten ist die Annahme eines zeitnahen Konsums zunehmend weniger gerechtfertigt (Grenzwertkommission BA 2005, 160). Unterhalb dieses Grenzwertes nimmt die Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung ab (Wehowsky, BA 2006, 125/129).
c) Das Amtsgericht hat vorliegend das Ergebnis der Blutuntersuchung überhaupt nicht festgestellt. Soweit es mitteilt, dass sich "bei Betroffenen zum Tatzeitpunkt unter normalen Umständen eigentlich mindestens 96 ng/l befunden hätten", gibt es offensichtlich das Ergebnis einer Rückrechnung des Sachverständigen wieder. Abgesehen davon, dass 96ng/l einem Wert von 0,096 ng/ml entspricht, damit bezogen auf BZE weit unterhalb dem oben angegebenen analytischen Grenzwert liegt und deshalb wohl eher eine Konzentration von 96 ng/ml gemeint war, ist es unzureichend, nur das Ergebnis eines Gutachtens zu übernehmen, ohne die wesentlichen tatsächlichen Grundlagen (Anknüpfungstatsachen) und die daraus vom Sachverständigen gezogenen Schlussfolgerungen, d.h. die wesentlichen Befundtatsachen und die das Gutachten tragende fachliche Begründung anzuführen (BGHSt 39, 291/296; OLG Köln DAR 2005, 699; Göhler OWiG 14. Aufl. 71 Rn. 43d m.w.N.).
3. Auf diesem Darstellungsmangel beruht auch das Urteil ( 337 StPO i.V.m. 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG), da wie ausgeführt nicht jede festgestellte Menge der Substanz Benzoylecgonin für den sicheren Nachweis gemäß 24 a Ab. 2 Satz 2 StVG ausreicht. Aufgrund des aufgezeigten Darstellungsmangels ist das angefochtene Urteil fehlerhaft. Die angefochtene Entscheidung war daher mit den dazugehörigen Feststellungen und in der Kostenentscheidung aufzuheben. Eine abschließende Entscheidung gemäß 79 Abs. 6 OWiG ist dem Senat auf der Grundlage der vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen nicht möglich. Die Sache wird daher im Umfang der Aufhebung zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Fürth zurückverwiesen ( 353 StPO i.V.m. 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG).
4. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
Bei einem BZE-Wert unter 75 ng/ml kommt eine Verurteilung nach 24 a Abs. 2 StVG nur in Betracht, wenn durch ein ergänzendes rechtsmedizinisches Gutachten festgestellt ist, dass auch in diesem Fall typischerweise rauschmittelbedingte Leistungseinschränkungen der Verkehrstauglichkeit zu erwarten sind. Vorliegend wurden weder Anhaltspunkte einer Pupillenveränderungen festgestellt, noch wurde das "Steh- und Balancierungsvermögen" des Betroffenen (ohne dass es im Einzelnen beschrieben war) im Hinblick auf seine Achillessehnenoperation zum Nachweis einer Leistungseinschränkung als geeignet angesehen. Ob die weiteren Auffälligkeiten wie ständiger Redefluss, Nervosität und übermäßiges Zigarettenrauchen ein Anzeichen für eine eingeschränkte Verkehrstüchtigkeit sind, ist zu bezweifeln.
Fahrlässigkeit bei längerem Zeitraum zwischen Fahr
OLG Zweibrücken
Az.: 1 Ss 178/08
Beschluss vom 06.01.2009
1. Dem Betroffenen, der die Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 21. August 2008 versäumt hat, wird auf seinen Antrag und auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Damit ist der Beschluss vom 30. Oktober 2008, durch den das Amtsgericht die Rechtsbeschwerde als unzulässig verworfen hat, gegenstandslos.
2. Auf die Rechtsbeschwerde wird das angefochtene Urteil mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die weiteren Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Neustadt an der Weinstraße zurückverwiesen.
Gründe
Das nach Gewährung der Wiedereinsetzung ( 46 Abs. 1 OWiG; 44, 473 Abs. 7 StPO) zulässige Rechtsmittel des Betroffenen, das als Rechtsbeschwerde auszulegen ist ( 46 Abs. 1 OWiG; 300 StPO) führt in der Sache zu einem vorläufigen Erfolg.
Nicht zu beanstanden ist es allerdings, dass der Erstrichter den objektiven Tatbestand des 24a Abs. 2 StVG angesichts des bei der dem Betroffenen entnommenen Blutprobe festgestellten THC-Gehalts von 1,4 ng/mL bejaht hat. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde steht dies im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG NJW 2005, 349) und mehrerer Obergerichte (OLG Saarbrücken NJW 2007, 309, 311; OLG Karlsruhe NStZ 2007, 488; OLG Frankfurt NStZ-RR 2007, 249; OLG Bamberg DAR 2006, 286; OLG Bremen NZV 2006, 276; OLG Köln NStZ-RR 2005, 385, 386; s.a. Jagow u.a., Straßenverkehrsrecht 20. Aufl. 24a StVG Rn. 5a; Hentschel, Straßenverkehrsrecht 39. Aufl. 24a StVG Rn. 21), wie sie auch vom Senat vertreten wird (OLG Zweibrücken NJW 2005, 2168).
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts kann aber hier aus der Feststellung eines THC-Wertes in der hier gegebenen Größenordnung nicht ohne weiteres geschlossen werden, dass die Ordnungswidrigkeit wenigstens fahrlässig begangen sei. Nach der auch vom Erstgericht genannten Entscheidung des OLG Frankfurt (veröffentlicht in NStZ-RR 2007, 249) ist nicht nur eine vorsätzliche, sondern auch eine fahrlässige Begehungsweise in Frage gestellt, wenn zwischen der Fahrt und dem Genuss der Droge ein längerer Zwischenraum liegt. Fahrlässig in diesem Sinne handelt nämlich, wer in zeitlicher Nähe zum Fahrtantritt Cannabis konsumiert und sich dennoch ans Steuer setzt, ohne sich bewusst zu machen, dass der Abbau noch nicht vollständig erfolgt ist, obwohl ihm dies erkennbar ist. Bereits an der Erkennbarkeit der Wirkung des Rauschmittels zum Tatzeitpunkt kann es bei längeren Zwischenräumen aber ausnahmsweise fehlen. Aus diesen Erwägungen heraus könne nicht ohne weiteres von einer Vorhersehbarkeit der Tatbestandsverwirklichung ausgegangen werden, wenn der Zwischenraum knapp einen Tag und die festgestellte THC-Konzentration nur etwas mehr als das zweifache des o.a. Grenzwertes von 1,0 ng/mL beträgt (OLG Frankfurt a.a.O.; s.a. OLG Saarbrücken NJW 2007, 309, 311; OLG Bremen NZV 2006, 276; OLG Hamm NStZ 2005, 709 f.; Jagow a.a.O., 24a StVG Rn. 7a).
So liegt der Fall aber auch hier. Die THC-Konzentration im Blut lag mit 1,4 ng/mL nicht weit über dem Grenzwert. Die Einlassung des Betroffenen, wonach zum Zeitpunkt der Fahrt der letzte Cannabis-Konsum mindestens zwei Tage zurückgelegen hat, hat der Erstrichter offenbar als nicht widerlegt angesehen. Auf nähere Feststellungen zu den beim Betroffenen aufgetretenen Ausfallerscheinungen und ihrer Bewertung wurde ebenso verzichtet wie hinsichtlich der begleitenden Blutalkoholkonzentration von 0,27 %o (Urteil S. 6, Bl. 62 d.A.).
Das Urteil ist daher mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen unter Zurückverweisung der Sache aufzuheben ( 46 Abs. 1, 79 Abs. 6 OWiG; 353 f. StPO). Das Amtsgericht wird in einer neuen Hauptverhandlung, wohl mit Hilfe eines Sachverständigen, zu klären haben, ob sich hinreichende Indizien für die Erkennbarkeit der fortdauernden Wirkung des Rauschmittels zum Tatzeitpunkt feststellen lassen, oder ob eine zeitnähere als die sich bisher nach dem Zweifelssatz ergebende Rauschmitteleinnahme in Betracht kommt (vgl. auch insoweit OLG Frankfurt NStZ-RR 2007, 250; OLG Saarbrücken NJW 2007, 309, 311; OLG Hamm NStZ 2005, 709, 710). Das Amtsgericht wird auch, soweit noch nicht geschehen, über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu befinden haben.
Notwendige Feststellungen für relative Verkehrsunt
Oberlandesgericht Hamm
Az: 4 Ss 159/07
Beschluss vom 08.05.2007
Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der Strafrichterin des Amtsgerichts Münster vom 24. Januar 2007 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 08. 05. 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Amtsgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Angeklagten bzw. seines Verteidigers beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Münster zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht - Strafrichterin - Münster hat den Angeklagten am 24.01.2007 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 30 EUR verurteilt, die Fahrerlaubnis für die Bundesrepublik Deutschland entzogen und eine Sperre für die Wiedererteilung von 6 Monaten verhängt. Die Verurteilung stützt sich auf folgende Feststellungen zur Tat:
"Am 20.10.2006 befuhr der Angeklagte gegen 14.50 Uhr in fahruntüchtigem Zustand mit einem Personenkraftwagen der Marke Mercedes (Kennzeichen XXXXX) unter anderem die B 51 in Fahrtrichtung BAB A 43 mit überhöhter Geschwindigkeit auf dem linken Fahrstreifen. Dabei missachtete er die durch Schraffierung kenntlich gemachte Sperrung des linken Fahrstreifens infolge der einspurigen Auffahrt zur BAB 219 Anm. des Senats: wohl B 219 . Am Autobahnkreuz Münster-Süd wurde er von dem Zeugen M.- und A. angehalten. Dabei wurde von dem Beamten eine verwaschene Sprache des Angeklagten, deutlich verengte Pupillen, die nicht auf Lichteinfall reagierten, sowie ein provokatives und aggressives Verhalten festgestellt. Die ihm um 16.10 Uhr entnommene Blutprobe hat ergeben, dass der Angeklagte zum Zeitpunkt der Blutentnahme unter akuter Morphinwirkung infolge Heroinkonsums stand. Die Fahruntüchtigkeit hätte er erkennen können und müssen. Aus dieser Tat ergibt sich die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen."
In der rechtlichen Würdigung dieses Sachverhalts heißt es dann:
"Hier wurden neben der Geschwindigkeitsüberschreitung, die auch bei nüchternen Fahrern eine übliche Erscheinung ist und daher für sich allein einen Rückschluss auf Drogenkonsum und eine dadurch bedingte Fahruntüchtigkeit nicht zulässt, weitere erhebliche Fahrfehler festgestellt worden. So hat der Angeklagte, ohne verkehrsbedingt dadurch gezwungen zu sein, die schraffierte Sperrfläche beim Auffahren auf die BAB A 43 überfahren und ist zudem in einem Zuge auf die linke Spur der Autobahn aufgefahren. Dies stellt eine besonders auffällige und regelwidrige sowie sorglose und leichtsinnige Fahrweise dar, die rauschbedingte Enthemmung und Kritiklosigkeit zweifelsohne erkennen lässt. Zudem hat der vernommene Polizeibeamte ausgeführt, dass der Angeklagte neben der verwaschenen Sprache auch dem Ansprechen der Polizeibeamten nicht zu folgen vermochte."
Gegen das in seiner Anwesenheit verkündete Urteil wendet sich der Angeklagte mit dem noch unbestimmten Rechtsmittel vom 31.01.2007, das am selben Tag beim Amtsgericht eingegangen ist. Nach Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe am 15.02.2007 hat der Verteidiger mit dem dem Gericht am selben Tage zugegangenen Schriftsatz vom 13.03.2007 das Rechtsmittel der Revision gewählt und beantragt, das Urteil aufzuheben. Gerügt wird der Verletzung materiellen Rechts.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, das Rechtsmittel des Angeklagten als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
II.
Der gemäß den 333, 335 StPO statthaften sowie form- und fristgerecht erhobenen (Sprung-) Revision ist ein - zumindest vorläufiger - Erfolg nicht zu versagen.
1. Das Urteil des Amtsgerichts Münster vom 24.01.2007 ist aufzuheben, weil die getroffenen Feststellungen den Schuldspruch der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr nicht tragen.
Eine Verurteilung des Angeklagten setzt nach 316 StGB hier voraus, dass er drogenbedingt "nicht in der Lage (war), das Fahrzeug sicher zu führen" (sog. Fahruntüchtigkeit; vgl. dazu BGHSt 13, 83, 90; 21, 157, 160; 37, 89, 92). Die Annahme der drogenbedingten Fahruntüchtigkeit muss an dieselben Voraussetzungen anknüpfen, die die Rechtsprechung für die Anwendung des 316 StGB auf das Führen von Fahrzeugen unter Alkoholeinfluss entwickelt hat (BGH MDR 1999, 91).
a) Da es bislang an Erfahrungswissen, um die Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit nach Konsum anderer Rauschmittel im Sinne einer Festlegung "absoluter" Wirkstoffgrenzen festzustellen, fehlt (BGHSt 44, 219; NStZ-RR 2001, 173; OLG Düsseldorf NZV 99, 174; OLG Frankfurt NStZ-RR 02, 18, OLG Saarbrücken VRS 102 121, OLG Zweibrücken StV 2003, 624; 2004, 322), kommt daher hier eine strafrechtliche Ahndung des Fahrens unter Drogeneinfluss nur unter den Voraussetzungen der relativen Fahruntüchtigkeit in Betracht, bei der im Einzelfall der Nachweis erbracht werden muss (BGH a.a.O.), dass der Angeklagte im konkreten Fall aufgrund der Wirkung berauschender Mittel zur sicheren Verkehrsteilnahme nicht in der Lage war (Sternberg-Lieben in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl., 316 Rdnr. 6 m.w.N.). Dazu müssen spezifische Anknüpfungstatsachen - Ausfallerscheinungen oder Fehlleistungen (OLG Köln NJW 1990, 2945) - festgestellt werden, die unter Berücksichtigung der Drogenbelastung nach Überzeugung des Gerichts auf Fahruntüchtigkeit schließen lassen. Anhaltspunkte dafür liefert zunächst das Verkehrsverhalten, etwa ein Fahrfehler, der in symptomatischer Weise auf die nach einem Drogenmissbrauch typischerweise auftretenden physiologischen oder psychischen Folgen (z.B. Kritiklosigkeit, erhöhte Risikobereitschaft und Selbstüberschätzung) hinweist, oder z.B. eine anders als durch kurz zuvor erfolgte Drogeneinnahme nicht erklärbare verspätete Reaktion auf ein polizeiliches Anhaltegebot (OLG Düsseldorf NJW 1994, 2390; OLG Frankfurt NZV 1995, 116). Dagegen reichen allgemeine Merkmale des Drogenkonsums nicht aus (BGHSt 44, 219; OLG Zweibrücken a.a.O.), wie: gerötete Augen, erweiterte Pupillen, "verwaschene" Sprache u.ä. (hierzu: Mettke, NZV 2000, 199, 201 m.w.N.). Hierbei handelt es sich nur um die typischen Anzeichen des Drogenkonsums, aus denen eine Beeinträchtigung der Fahrsicherheit nicht zwingend gefolgert werden kann.
b) Zwar lassen die Urteilsgründe erkennen, dass sich das Amtsgericht der obergerichtlichen Rechtsprechung bewusst war und sich hieran orientieren wollte. Denn es zieht in seiner Begründung neben der akuten Rauschmittelintoxikation - an anderer Stelle des Urteils wird die Konzentration mit 91 mg/g Morphin im Blut des Angeklagten (nach dem in der Akte befindlichen schriftlichen Gutachten wohl 91 ng/g) mitgeteilt - zwei Fahrfehler heran, die der Angeklagte begangen haben soll. So wirft es ihm vor, zum einen über eine schraffierte Straßenfläche als auch zum anderen mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren zu sein. Ein solches Fahrverhalten, das durch erhöhte Risikobereitschaft geprägt ist, kann geeignet sein, die drogenbedingte Fahruntüchtigkeit anzunehmen. Es bedarf aber genauerer Feststellung zu der Art und Weise der Verkehrsverstöße, die das Amtsgericht unterlassen hat festzustellen. Denn es muss feststehen, dass dem Angeklagten, wäre er drogenfrei gewesen, diese Fehler nicht unterlaufen wären. Allgemeine, nicht durch Tatsachen belegte Redewendungen, wie vom Amtsgericht verwendet, reichen insoweit nicht aus. Hier hätte es aufzeigen müssen, wie die Verkehrslage- bzw. dichte zur Tatzeit war, mit welcher Geschwindigkeit der Angeklagte annähernd fuhr, ob die einschreitenden Polizeibeamten einen Funkstreifenwagen führten oder nur in einem Zivilfahrzeug unterwegs waren und wie der Angeklagte auf die Anhalteaufforderung reagierte. Hinzu kommt, dass das Amtsgericht allgemeine Merkmale des Drogenkonsum unzulässigerweise zur Bejahung der Fahruntüchtigkeit herangezogen hat.
c) Das vorliegende Verfahren nimmt der Senat zudem zum Anlass, um erneut darauf hinzuweisen, dass die zunehmende Praxis, Ausdrucke aus dem Bundeszentralregister in die Urteilsgründe einzukopieren, den Begründungsanforderungen nicht genügt (BGHR StPO 267 Darstellung 1). Sie ist abzulehnen und "belastet die Justiz in nicht zumutbarer Weise" (BGHR StPO 267 Abs. 3 S. 1 Strafzumessung 13), da die bloße Aufzählung der Vorverurteilungen in der Regel wenig sagt und der Eindruck entstehen kann, das Gericht habe sich mit der Eigenart der Vorverurteilungen nicht genügend wertend auseinandergesetzt (BGH a.a.O.; Schäfer, Praxis der Strafzumessung, 3. Auflage 2001, Rdnr. 782).
d) Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin. Sollte das Amtsgericht nach der erneut durchzuführenden Beweisaufnahme zu dem gleichen Schuldspruch kommen, so dürfte es wegen der beim Angeklagten festgestellten Rauschmittelintoxikation unumgänglich sein, sich mit der Frage einer erheblichen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit auseinanderzusetzen.
2.
Das Amtsgericht wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben. Eine eigene Kostenentscheidung ist dem Senat verwehrt, weil eine verfahrensabschließende Entscheidung noch nicht getroffenen worden ist.
Entzug der Fahrerlaubnis und EU-Führerschein
Oberverwaltungsgericht NRW
Az.: 16 B 1610/08
Beschluss vom 12.01.2009
Vorinstanz: Verwaltungsgericht Düsseldorf, Az.: 14 L 1387/08
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 23. September 2008 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Der 1975 in E. geborene Antragsteller gab im Jahr 2001 im Rahmen eines gegen ihn geführten Strafverfahrens wegen des unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln an, er habe seit 1994 an Wochenenden Cannabis, Ecstacy und Amphetamin konsumiert. Nachdem er Ende 1995 am Herzen erkrankt sei, habe er nachfolgend den Konsum von Ecstacy und Amphetamin eingestellt, aber weiterhin, bis zum Jahreswechsel 2000/2001, Haschisch und Marihuana geraucht. Eine daraufhin von der seinerzeit zuständigen Fahrerlaubnisbehörde in E. angeordnete medizinisch-psychologische Begutachtung kam zu dem Ergebnis, dass bei dem Antragsteller eine allgemeine Suchtmittelabhängigkeit vorliege. Den vom Antragsteller abgegebenen Erklärungen über eine schrittweise Aufgabe des Rauschmittelkonsums könne nicht gefolgt werden, nachdem eine Anfang 2002 erstellte Haarprobenanalyse positiv für Cannabis, Amphetamin und Kokain gewesen sei. Mit Ordnungsverfügung vom 5. September 2002 entzog die Fahrerlaubnisbehörde der Stadt E. dem Antragsteller die Fahrerlaubnis der Klassen A1, B, BE, C1, C1E, C, CE, L, M und T. Im November 2003 beantragte der Antragsteller die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis, nahm diesen Antrag aber zurück, nachdem die Fahrerlaubnisbehörde eine erneute medizinischpsychologische Untersuchung verlangt hatte. Im August 2005 zwischenzeitlich war der Antragsteller von E. nach Haan gezogen - erfuhr der nunmehr zuständige Antragsgegner, dass der Antragsteller bei einer Polizeikontrolle eine am 3. Januar 2005 ausgestellte polnische Fahrerlaubnis der Fahrerlaubnisklasse B vorgezeigt hatte, in der als Aufenthaltsort des Antragstellers eine Anschrift in T. genannt war.
Der Antragsgegner wandte sich daraufhin - auch vor dem Hintergrund eines aktuellen Ermittlungsverfahrens wegen BTM-Erwerbs gegen den Antragsteller - an das Kraftfahrt-Bundesamt mit der Bitte, bei der polnischen Fahrerlaubnisbehörde zu erfragen, ob bei der Führerscheinausstellung die vormalige Fahrerlaubnisentziehung und die seinerzeit festgestellte Betäubungsmittelabhängigkeit des Antragstellers bekannt gewesen und ob das Wohnortprinzip sowie ein eventueller Drogenkonsum geprüft worden seien. Aus den vorgelegten Verwaltungsakten geht nicht hervor, dass die Fragen beantwortet worden wären.
Am 19. Dezember 2005 beantragte der Antragsteller wiederum die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis der Klassen CE und C1E. Eine vom Antragsgegner geforderte medizinisch- psychologische Untersuchung am 24. Mai 2006 (Gutachten vom 13. Juni 2006) kam zu dem Ergebnis, dass beim Antragsteller keine Betäubungsmittelabhängigkeit mehr vorliege und auch keine auf den früheren Konsum zurückgehenden Leistungsbeeinträchtigungen erkennbar geworden seien, dass aber auch zukünftig mit einer Kraftfahrzeugbenutzung durch den Antragsteller unter dem Einfluss von Betäubungs- oder Arzneimitteln oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen gerechnet werden müsse. Dem Antragsteller wurden in dem Gutachten Abstinenz von allen Rauschmitteln einschließlich Alkohol sowie regelmäßige Urinuntersuchungen und Leberwertanalysen in den kommenden zwölf Monaten empfohlen. Eine Haarprobenanalyse konnte im Rahmen dieser Untersuchung nicht vorgenommen werden, weil der Antragsteller mit gebleichten Haaren erschienen war. Der Antragsteller nahm daraufhin seinen Antrag auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis zurück.
Im Oktober 2007 beantragte der Antragsteller beim Antragsgegner, seinen polnischen Führerschein umzuschreiben. Daraufhin setzte der Antragsgegner den Antragsteller mit Schreiben vom 5. Dezember 2007 davon in Kenntnis, dass bei der Erteilung der polnischen Fahrerlaubnis gegen das Wohnsitzprinzip der 2. Führerscheinrichtlinie (im Folgenden: Richtlinie 91/439/EWG) verstoßen worden sein könnte, weil er seinerzeit seinen Wohnsitz in E. gehabt habe. Ihm wurde Gelegenheit gegeben, einen ordentlichen Wohnsitz in Polen zur Zeit des Führerscheinerwerbs nachzuweisen. Ansonsten müsse ihm das Recht aberkannt werden, von seiner polnischen Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch zu machen. Im Übrigen bestehe auch die Möglichkeit, die fortbestehenden Eignungsbedenken durch ein neuerliches medizinisch-psychologisches Gutachten zu zerstreuen. Ein ähnlichlautendes Schreiben des Antragsgegners an den Antragsteller datiert vom 24. Januar 2008. Mit Schreiben vom 19. Juni bzw. 1. Juli 2008 forderte der Antragsgegner den Antragsteller zur medizinischpsychologischen Begutachtung über eine Abhängigkeit bzw. einen Missbrauch von Betäubungs- oder Arzneimitteln auf. Nachdem der Antragsteller hatte mitteilen lassen, dass er sich nicht begutachten lassen wolle, erkannte ihm der Antragsgegner mit Ordnungsverfügung vom 13. August 2008 das Recht ab, von seiner ausländischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, ordnete den Sofortvollzug an und drohte dem Antragsteller für den Fall der nicht fristgerechten Vorlage des polnischen Führerscheins zur Eintragung eines Sperrvermerks ein Zwangsgeld von 500 Euro an.
Am 25. August 2008 hat der Antragsteller gegen die Ordnungsverfügung Klage erhoben und zugleich vorläufigen Rechtsschutz beantragt. Er hat vorgetragen, zur Rechtfertigung der Anordnung der medizinisch-psychologischen Untersuchung und schließlich auch für den Erlass der angefochtenen Ordnungsverfügung greife der Antragsgegner ausschließlich auf Vorgänge zurück, die sich vor der Erteilung der polnischen Fahrerlaubnis Anfang 2005 ereignet hätten. Dies verstoße gegen den europarechtlichen Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung von Fahrerlaubnissen. Soweit sich der Antragsgegner darauf berufe, er, der Antragsteller, habe die polnische Fahrerlaubnis unter Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis erlangt, sei es allein Sache des Ausstellerstaates, geeignete Maßnahmen zu treffen. Dass die zuständige polnische Behörde auf eine Anfrage des Antragsgegners offensichtlich nicht reagiert habe, berechtige den Antragsgegner nicht zu eigenen Maßnahmen. Auch die jüngsten Entscheidungen des EuGH zum sog. Führerscheintourismus änderten daran nichts. Der EuGH betone darin zwar die Bedeutung des Wohnsitzerfordernisses, unterscheide aber danach, woher die Informationen stammten, aus denen sich der Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis ergebe. Voraussetzung für die Befugnis des Aufnahmestaates, einem EU-ausländischen Führerschein die Anerkennung zu versagen, sei es, dass sich der Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis aus dem Führerschein selbst oder anderen vom Ausstellermitgliedstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen ergebe. Vorliegend stütze sich der Antragsgegner demgegenüber ausschließlich auf Erkenntnisse aus deutschen Melderegistern.
Dem Antragsgegner sei es auch verwehrt, auf das Ergebnis der medizinischpsychologischen Untersuchung vom Mai 2006 zurückzugreifen. Es handele sich dabei nicht um berücksichtigungsfähige neue Tatsachen, sondern um eine Wertung, die wesentlich an ein weiter zurückliegendes - vor der Erlangung der polnischen Fahrerlaubnis stattgefundenes - Verhalten anknüpfe. Er, der Antragsteller, sei auch dringend auf die Fahrerlaubnis angewiesen. Er arbeite im landwirtschaftlichen Betrieb seiner Eltern in E. -I. , den er mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht pünktlich erreichen könne. Die Arbeit selbst bestehe darin, Obst und Gemüse aus eigenem Anbau und vom Großmarkt zu auswärtigen Märkten zu bringen. Verschärft habe sich das Problem dadurch, dass sein Vater nach einem Unfall auf unabsehbare Zeit im familiären Betrieb ausfalle. Er, der Antragsteller, nehme im großen und ganzen unauffällig am Straßenverkehr teil. Im Zusammenhang mit Drogen oder Alkohol sei er noch nie im Straßenverkehr in Erscheinung getreten.
Der Antragsteller hat sinngemäß beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen bzw. - hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung - anzuordnen.
Der Antragsgegner hat beantragt,
den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abzulehnen.
Er hat vorgetragen, er sei befugt gewesen, dem Antragsteller vor der Umschreibung seiner polnischen Fahrerlaubnis eine erneute Begutachtung aufzugeben, nachdem das Vorgutachten im Jahr 2006 eine fortgeschrittene Drogenproblematik festgestellt hatte. Europarecht habe dem nicht entgegengestanden, weil Umstände nach dem Erwerb der ausländischen Fahrerlaubnis, also auch das Gutachten aus dem Jahr 2006, berücksichtigt werden dürften. Nach der Verweigerung eines erneuten Gutachtens habe er, der Antragsgegner, auf die fortbestehende Fahrungeeignetheit des Antragstellers schließen dürfen. Angesichts der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Ordnungsverfügung und der erheblichen Gefährdungen des Straßenverkehrs, die aus den Fahreignungsmängeln des Antragstellers resultierten, überwiege auch das öffentliche Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Antragstellers.
Das Verwaltungsgericht hat die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt.
Die angegriffene Ordnungsverfügung des Antragsgegners sei nicht offensichtlich rechtswidrig, und im Übrigen überwiege das öffentliche Interesse an der Vollziehung der Ordnungsverfügung das Aufschubinteresse des Antragstellers.
Der Antragsgegner gehe zu Recht davon aus, dass der Antragsteller zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet sei. Der Antragsgegner dürfe insoweit auch weiterhin Umstände vor der Erteilung der polnischen Fahrerlaubnis berücksichtigen, weil der Antragsteller diese Fahrerlaubnis unter missbräuchlicher Inanspruchnahme europarechtlicher Freizügigkeitsverbürgungen erworben habe.
Die neuere Rechtsprechung des EuGH verdeutliche, dass dem Wohnsitzerfordernis für die Gewährleistung der Sicherheit des Straßenverkehrs besondere Bedeutung zukomme. Nach dieser Rechtsprechung trete der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung von Fahrerlaubnissen zurück, wenn ein Verstoß gegen die Wohnsitzvoraussetzung offensichtlich sei. Eine solche Offensichtlichkeit liege außer in dem Fall unzweifelhafter Verlautbarungen des Ausstellerstaates auch dann vor, wenn wie vorliegend nicht einmal der Fahrerlaubnisinhaber selbst einen ordentlichen Wohnsitz im Ausstellerstaat behaupte bzw. konkrete Angaben dazu machen könne. Außerdem beinhalte das medizinisch-psychologische Gutachten vom Mai 2006 neue, der Erteilung des ausländischen Führerscheins zeitlich nachgelagerte Erkenntnisse über die Fahreignung des Antragstellers, die nach der Rechtsprechung des EuGH zur Nichtanerkennung der ausländischen Fahrerlaubnis berechtigten. Mit der Beschwerde vertritt der Antragsteller im wesentlichen die Auffassung, nach dem europäischen Führerscheinrecht, wie es der EuGH deute, dürfe von einem Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis nur ausgegangen werden, wenn dieser Verstoß aus dem Führerscheindokument selbst oder aus einer anderen vom Ausstellerstaat herrührenden Information zweifelsfrei hervorgehe. Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Ausweitung der Nachweistatsachen lasse sich mit der EuGH-Rechtsprechung nicht vereinbaren. Außerdem dürfe eine von den Feststellungen des Ausstellerstaates abweichende Einschätzung der Fahreignung nur auf ein Verhalten des Fahrerlaubnisinhabers nach der Ausstellung des ausländischen Führerscheins gestützt werden, nicht aber wie vorliegend auf eine bloße gutachterliche Neubewertung alter Tatsachen.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 23. September 2008 zu ändern und die aufschiebende Wirkung seiner Klage 14 K 5968/08 gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 13. August 2008 wiederherzustellen bzw. im Hinblick auf die Zwangsgeldandrohung anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt sinngemäß,
die Beschwerde zurückzuweisen.
II.
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die nach 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die dargelegten Gründe beschränkte Überprüfung durch den Senat führt zu keinem für den Antragsteller günstigeren Ergebnis. Die auf 80 Abs. 5 VwGO gestützte Abwägung zwischen den beteiligten persönlichen und öffentlichen Interessen fällt zulasten des Antragstellers aus.
Die Klage des Antragstellers wird aller Voraussicht nach ohne Erfolg bleiben. Die angefochtene Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 13. August 2008 ist offensichtlich rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten.
Der Senat ist in vergleichbaren Fällen des sog. Führerscheintourismus bislang in ständiger Rechtsprechung von offenen Erfolgsaussichten in der Hauptsache ausgegangen und hat eine sog. reine Interessenabwägung vorgenommen, die in der Regel zum Nachteil des jeweiligen Antragstellers ausfiel, wenn nichts Überzeugendes für die Wiedererlangung der vormals entfallenen Fahreignung durch den Inhaber der ausländischen Fahrerlaubnis sprach.
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 4. November 2005 - 16 B 736/05 -, DAR 2006, 43 = NWVBl. 2006, 103 = BA 2006, 333, vom 13. September 2006 - 16 B 989/06 -, Blutalkohol 43 (2006), 507 = VRS 111 (2006), 466, und vom 23. Februar 2007 16 B 178/07 -, NZV 2007, 266 = Blutalkohol 44 (2007), 265 = NWVBl. 2007, 346.
Aus den jüngsten Entscheidungen des EuGH zur wechselseitigen Anerkennung von Fahrerlaubnissen in der Europäischen Gemeinschaft EuGH, Urteile vom 26. Juni 2008 - C 329/06 und C-343/06 (Wiedemann u.a.) -, NJW 2008, 2403 = Blutalkohol 45 (2008), 225 = DÖV 2008, 723, und C-334/06 bis C-336/06 (Zerche u.a.), DAR 2008, 459 folgert der Senat nunmehr, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis in derartigen Fällen und so auch im Fall des Antragstellers sogar offensichtlich rechtmäßig ist.
Die Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung des Antragsgegners ist zunächst nicht deshalb in Frage gestellt, weil es ihr gleichsam an einem Bezugsobjekt, das heißt einer im Inland gültigen ausländischen Fahrerlaubnis, mangelte.
So ausweislich der Pressemitteilung Nr. 83/2008 zumindest im Ergebnis auch BVerwG, Urteile vom 11. Dezember 2008 - 3 C 26.07 und 3 C 38.07 -, veröffentlicht unter www.bundesverwaltungsgericht.de.
Die Bestimmung des 28 Abs. 4 FeV, nach der die Berechtigung für Inhaber einer gültigen EU- oder EWR-Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen in der Bundesrepublik Deutschland unter anderem dann nicht gilt, wenn der Inhaber zum Zeitpunkt der Erteilung der ausländischen Fahrerlaubnis seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hatte (Nr. 2) oder wenn ihm zuvor im Inland eine Fahrerlaubnis von einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde entzogen worden ist (Nr. 3), ist nicht anwendbar.
Anderer Ansicht aber Bayerischer VGH, Beschluss vom 7. August 2008 - 11 ZB 07.1259 -, Juris, sowie VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 17. Juli 2008 - 10 S 1688/08 -, DAR 2008, 599 = Blutalkohol 45 (2008), 328, und Urteil vom 9. September 2008 - 10 S 994/07 -, DAR 2008, 660.
Die genannte Vorschrift ist nicht mit der vorliegend noch anzuwendenden Richtlinie 91/439/EWG vereinbar. Nach der für die Auslegung der Richtlinie maßgebenden Rechtsprechung des EuGH folgt aus dem Anerkennungsgrundsatz in Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG eine klare und unbedingte Verpflichtung zur Anerkennung (EU- bzw. EWR-)ausländischer Fahrerlaubnisse ohne jede Formalität.
Vgl. etwa EuGH, Urteile vom 29. April 2004 - C-476/01 (Kapper) -, NJW 2004, 1725 = DAR 2004, 333 = NZV 2004, 373, und vom 26. Juni 2008 - C 329/06 und C-343/06 (Wiedemann u.a.) sowie C-334/06 bis C-336/06 (Zerche u.a.) -, jeweils aaO.
Diesem Geltungsanspruch wird nicht schon dadurch genügt, dass 28 Abs. 5 FeV ein Antragsverfahren vorsieht und damit nach der Beseitigung der Gründe für die vormalige Fahrerlaubnisentziehung die Wiedererlangung des Rechts ermöglicht, von der ausländischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen. Denn dieses Antragsverfahren beruht gerade darauf, dass ausländischen Fahrerlaubnissen zunächst die Geltung abgesprochen wird, und stellt sich mithin als die Art von "Formalität" dar, die dem vom EuGH geforderten Anerkennungsautomatismus zuwiderläuft.
Vgl. EuGH, Urteile vom 26. Juni 2008 - C 329/06 und C-343/06 (Wiedemann u.a.) - , Rn. 61 f., sowie C-334/06 bis C-336/06 (Zerche u.a.), Rn. 58 f., jeweils aaO.; ähnlich auch schon Otte/Kühner, NZV 2004, 321 (328).
Nichts anderes folgt daraus, dass der Anerkennungsgrundsatz auch nach der Rechtsprechung des EuGH nicht unumschränkt gilt, sondern Ausnahmen für die Fälle des Missachtens einer inländischen Sperrfrist für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis
vgl. EuGH, Urteile vom 29. April 2004 - C-476/01 (Kapper) -, aaO., und vom 26. Juni 2008 - C 329/06 und C-343/06 (Wiedemann u.a.) -, Rn. 65, sowie C-334/06 bis C-336/06 (Zerche u.a.), Rn. 62, jeweils aaO.; Beschluss vom 3. Juli 2008 - C- 225/07 (Möginger) -, DAR 2008, 582 = Blutalkohol 45 (2008), 383
sowie für das Vorhandensein zweifelsfreier Hinweise auf einen Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis
vgl. EuGH, Urteile vom 26. Juni 2008 - C 329/06 und C-343/06 (Wiedemann u.a.) -, Rn. 64 ff., sowie C-334/06 bis C-336/06 (Zerche u.a.), Rn. 67 ff., jeweils aaO.
bestehen. Die angeführten Ausnahmen lassen sich nur durch eine Prüfung im Einzelfall feststellen. In deren Rahmen muss auch ermittelt werden, ob der Inhaber der ausländischen Fahrerlaubnis zwischenzeitlich seine Fahreignung wiedererlangt hat. Eine fortdauernde Versagung der Anerkennung der ausländischen Fahrerlaubnis stößt im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auf Bedenken, wenn - etwa durch die in solchen Fällen regelmäßig veranlasste aktuelle medizinisch-psychologische Untersuchung - zutage tritt, dass die vormaligen Fahreignungszweifel gegen den Inhaber der ausländischen Fahrerlaubnis nicht mehr begründet sind. Das Erfordernis einer solchen einzelfallbezogenen Prüfung, deren Ergebnis nicht stets von vornherein abschätzbar ist, schließt es aus, die Ablehnung der Anerkennung eines von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft ausgestellten Führerscheins - und damit auch die Erfüllung jedenfalls des objektiven Straftatbestandes des Fahrens ohne Fahrerlaubnis ( 21a StVG) - allein auf eine abstrakt- generelle Rechtsnorm wie 28 Abs. 4 FeV zu gründen. Anderenfalls bliebe die Geltung der ausländischen Fahrerlaubnis in der Schwebe, bis eine ihre Gültigkeit auch im Inland bestätigende oder versagende Einzelfallentscheidung getroffen worden ist. Für den Betroffenen würde sich gegebenenfalls erst geraume Zeit nach dem Erwerb der ausländischen Fahrerlaubnis herausstellen, dass dieser von Anfang an keine Wirkung für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zukam. Eine derartige Rechtsunsicherheit wäre weder mit rechtsstaatlichen Erwägungen noch mit den Intentionen bei der Schaffung europaweit geltender Fahrerlaubnisse zu vereinbaren, zumal einem solchen Rechtsverständnis kein Zuwachs an Verkehrssicherheit gegenüberstünde.
Ermächtigungsgrundlage für die Entziehung der polnischen Fahrerlaubnis des Antragstellers sind die 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und 46 Abs. 1 Satz 1 FeV. Nach diesen Vorschriften hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt nach 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere, wenn bei dem Betreffenden Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zu den 11, 13 und 14 FeV vorliegen. Eine solche Entziehung hat nach den 3 Abs. 1 Satz 2 StVG, 46 Abs. 5 Satz 2 FeV bei ausländischen Fahrerlaubnissen zur Folge, dass das Recht erlischt, von diesen im Inland Gebrauch zu machen. Dass die Voraussetzungen des nationalen Rechts für eine Entziehung der Fahrerlaubnis im Fall des Antragstellers vorliegen, unterliegt keinen Zweifeln und wird auch mit der Beschwerde nicht in Abrede gestellt.
Der Anwendung dieser nationalen Vorschriften auf den Fall des Antragstellers steht Europäisches Gemeinschaftsrecht, namentlich die Richtlinie 91/439/EWG, nicht entgegen. Dabei lässt der Senat dahinstehen, ob ein Fall vorliegt, in dem auch nach der Rechtsprechung des EuGH vom so bezeichneten Aufnahmestaat eine Maßnahme nach Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG ("Einschränkung, Aussetzung, Entzug oder Aufhebung") im Hinblick auf eine in einem anderen Mitgliedstaat erteilte Fahrerlaubnis getroffen werden darf. Diese Befugnis setzt ein Verhalten des Fahrerlaubnisinhabers nach der Ausstellung des ausländischen Führerscheins voraus.
Vgl. zuletzt EuGH, Urteile vom 26. Juni 2008 - C 329/06 und C-343/06 (Wiedemann u.a.) -, Rn. 59 und 66, sowie C-334/06 bis C-336/06 (Zerche u.a.), Rn. 56 und 63, jeweils aaO.
Anknüpfungspunkt für ein solches Verhalten des Antragstellers könnten hier das negative Ergebnis seiner nach der Erteilung der ausländischen Fahrerlaubnis vorgenommenen medizinisch-psychologischen Begutachtung vom Mai 2006 sowie einzelne darin enthaltene Zustandsbeschreibungen sein. Zweifel, ob dies Maßnahmen des Abs. 2 des Art. 8 der Richtlinie 91/439/EWG des "Aufnahmestaates" rechtfertigt, sind mit Blick auf die Wortwahl des EuGH angezeigt. Die Wörter "Verhalten" bzw. englisch "conduct" und französisch "comportement" deuten eher auf ein aktuelles Tun denn auf einen fortbestehenden Zustand hin. Gegen ein solches enges Begriffsverständnis spricht aber, dass viele Eignungsmängel - insbesondere gesundheitlich bedingte Minderungen der Fahrtauglichkeit - typischerweise nicht verhaltensbezogen sind und dass zuweilen auch Eignungsmängel wie etwa eine Alkoholproblematik sowohl Verhaltenselemente (häufiger übermäßiger Konsum, mangelnde Trennung vom Führen von Kraftfahrzeugen) als auch Zustandselemente (Abhängigkeit, dauerhafte alkoholtoxische Leistungseinbußen) aufweisen, die nicht isoliert betrachtet werden können.
Unabhängig davon war der Antragsgegner jedenfalls nicht gehindert, auf der europarechtlichen Grundlage des Abs. 4 des Art. 8 Richtlinie 91/439/EWG dem Antragsteller die Befugnis abzuerkennen, von seiner polnischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen. Nach der genannten Bestimmung kann es die Bundesrepublik Deutschland als Mitgliedstaat, in dem der Antragsteller seinen ständigen Wohnsitz hat, ablehnen, die Gültigkeit eines Führerscheins anzuerkennen, der von einem anderen Mitgliedstaat einer Person ausgestellt wurde, gegen die zuvor in Deutschland eine Maßnahme nach Art. 8 Abs. 2 Richtlinie 91/439/EWG ("Einschränkung, Aussetzung, Entzug oder Aufhebung der Fahrerlaubnis") angewandt wurde.
Die Voraussetzungen des Art. 8 Abs. 4 Richtlinie 91/439/EWG für eine solche Ablehnung liegen vor, da dem Antragsteller durch Ordnungsverfügung des Oberbürgermeisters der Stadt E. vom 5. September 2002 die Fahrerlaubnis entzogen worden war und nachfolgende Bemühungen des Antragstellers um eine Neuerteilung in Deutschland zu Recht ohne Erfolg geblieben sind.
Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist nicht aufgrund der vom EuGH in ständiger Rechtsprechung vorgegebenen engen Auslegung von Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 91/439/EWG unzulässig. Der EuGH hat insoweit nach Jahren der Rechtsunsicherheit und unter teilweiser Abkehr von seiner vormaligen Rechtsprechung klargestellt, dass das Wohnsitzerfordernis nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 91/439/EWG (auch) die Funktion hat, den verbreiteten sog. Führerscheintourismus zu bekämpfen, und dass die Sicherheit des Straßenverkehrs gefährdet werden könnte, wenn die Wohnsitzvoraussetzung in Bezug auf eine Person, auf die vormals eine Maßnahme nach Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG angewandt worden ist, nicht beachtet würde.
Vgl. EuGH, Urteile vom 26. Juni 2008 - C 329/06 und C-343/06 (Wiedemann u.a.) -, Rn. 69 und 71, sowie C-334/06 bis C-336/06 (Zerche u.a.), Rn. 66 und 68, jeweils aaO.; enger noch Urteil vom 29. April 2004 - C-476/01 (Kapper) -, aaO.
Die oben genannten Vorabentscheidungsverfahren betrafen jeweils tschechische Fahrerlaubnisse und waren jedenfalls in der Mehrzahl dadurch geprägt, dass dieser Ausstellerstaat zumindest bis zum Sommer 2006 das Wohnsitzerfordernis nicht geprüft und in die Kartenführerscheine den deutschen Wohnsitz der Führerscheinerwerber eingetragen hat. Der EuGH hat - unter nochmaliger Betonung der grundsätzlichen Anerkennungspflicht - entschieden, dass die Bestimmungen der Richtlinie 91/439/EWG einen Mitgliedstaat nicht zur
Anerkennung einer ausländischen Fahrerlaubnis verpflichten, wenn auf der Grundlage von Angaben im Führerschein oder anderen vom Ausstellermitgliedstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen feststeht, dass zum Zeitpunkt der Ausstellung dieses Führerscheins dessen Inhaber, auf den im Hoheitsgebiet des ersten Mitgliedstaates eine Maßnahme des Entzugs einer früheren Fahrerlaubnis angewendet worden ist, seinen ordentlichen Wohnsitz nicht im Hoheitsgebiet des Ausstellermitgliedstaates hatte.
Das gleiche gilt zur Überzeugung des Senats jedenfalls auch dann, wenn aufgrund eines Eingeständnisses des Fahrerlaubnisinhabers oder aufgrund von ihm als eigene Verlautbarung zurechenbarer und trotz Kenntnis der Problemlage nicht substanziiert bestrittener Angaben mit derselben Sicherheit wie in den vom EuGH jüngst entschiedenen Fällen auf einen Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 91/439/EWG geschlossen werden kann.
Diese Überzeugung wird durch die jüngsten Entscheidungen des EuGH getragen. Wenn überhaupt, können Zweifel nur wegen einer - allerdings nicht in den abschließenden Tenor übernommenen - Formulierung in den Gründen der Urteile vom 26. Juni 2008 (Rn. 72 der Rechtssache X. u.a., bzw. Rn. 69 der Rechtssache A. u.a.) aufkommen. So hat der EuGH ausgeführt, der sog. Aufnahmemitgliedstaat sei zu fahrerlaubnisrechtlichen Maßnahmen berechtigt, wenn ein Verstoß gegen die Wohnsitzvoraussetzung "zwar nicht anhand von vom Aufnahmemitgliedstaat stammenden Informationen, aber auf der Grundlage von Angaben im Führerschein selbst oder anderen vom Ausstellerstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen" festzustellen sei. Dies kann so verstanden werden, dass Grundlage einer die Geltung der Fahrerlaubnis verneinenden Entscheidung des sog. Aufnahmemitgliedstaates nur vom Ausstellerstaat herrührende Informationen sein dürfen, nicht aber sonstige Informationen, auch wenn sie zu demselben klaren Schluss auf einen Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis führen. Ein derart enges Verständnis der Entscheidungsgründe würde aber nur dem Umstand Rechnung tragen, dass der EuGH die von ihm entschiedenen Verfahren als Ausschnitt einer Gruppe von Verfahren ansieht, in denen sich die Verletzung des Wohnsitzprinzips auf der Grundlage von vom Ausstellerstaat herrührenden Informationen ergibt. Als weiteres Kriterium hat der EuGH jedoch die "Unbestreitbarkeit" der Informationen
als maßgeblich erachtet. Er hat dieses Kriterium nicht etwa als nachrangig im Verhältnis zur Herkunft der Informationen aus dem Ausstellerstaat angesehen. In Konsequenz daraus müssen aber auch bzw. erst Recht bestimmte "unbestrittene" Informationen verwertet werden dürfen, um einen Wohnsitzverstoß festzustellen.
Das sind jedenfalls vom Inhaber der ausländischen Fahrerlaubnis zugestandene oder ihm als eigene Verlautbarung zurechenbare und trotz Kenntnis der Problemlage von ihm nicht substanziiert bestrittene Angaben.
Ähnlich VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 16. September 2008 - 10 S 2925/06 -, Juris, für den Fall, dass auch dem Ausstellerstaat die vom Betroffenen angegebenen, gegen die Einhaltung des Wohnsitzerfordernisses sprechenden Erkenntnisse vorgelegen haben bzw. ihm bekannt waren oder bei ordnungsgemäßer Prüfung hätten bekannt sein müssen; vgl. auch den Vorlagebeschluss des VGH Baden-Württemberg vom 23. September 2008 - 10 S 1037/08 -, Juris; VG Kassel, Urteil vom 3. November 2008 - 2 K 991/08.KS -, veröffentlicht unter www.fahrerlaubnisrecht.de; in erster Linie auf die Einlassungen des Fahrerlaubnisinhabers stellt auch der BGH im Urteil vom 11. September 2008 - III ZR 212/07 -, NJW 2008, 3558 = Blutalkohol 45 (2008), 395, ab; anderer Ansicht OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 31. Oktober 2008 - 10 A 10851/08 -, Juris.
Es gibt keinen Grund, in Fällen offenkundiger Verstöße gegen die Wohnsitzvoraussetzung danach zu differenzieren, ob sich die Offenkundigkeit aus einem Dokument des Ausstellerstaates oder aus Verlautbarungen oder Verhaltensweisen des Fahrerlaubnisinhabers ergibt. Das Wohnsitzerfordernis und seine strikte Beachtung tragen mangels einer vollständigen Harmonisierung der materiellen Bestimmungen über die Fahrerlaubniserteilung zur Bekämpfung des auch vom EuGH als Missstand wahrgenommenen Führerscheintourismus bei. Der EuGH weist in diesem Zusammenhang unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Generalanwalts in dessen Schlussanträgen ausdrücklich auf die Bedeutung des Wohnsitzerfordernisses für die Einhaltung der materiellen Standards bei der Führerscheinausstellung und damit für die Sicherheit des Straßenverkehrs hin.
Dem ist einschränkungslos beizupflichten. Die in Rede stehenden Rechtsgüter - nicht nur das Abstraktum "Sicherheit des Straßenverkehrs", sondern Leib, Leben und Gesundheit einer nicht eingrenzbaren Vielzahl anderer Verkehrsteilnehmer - sind so gewichtig, dass in derartigen Fällen der Anerkennungsgrundsatz nach Art. 1 Abs. 2 Richtlinie 91/439/EWG dahinter zurücktritt. Der unabdingbare Schutz dieser Rechtsgüter schließt es aber auch aus, bei jeweils übereinstimmendem Gefährdungspotenzial Zufälligkeiten wie der Herkunft der Informationen, aus denen zweifelsfrei die Europarechtswidrigkeit der ausländischen Fahrerlaubnis folgt, entscheidenden Raum zu geben. Die individuelle Schutzwürdigkeit von "Führerscheintouristen", die einen Scheinwohnsitz angeben und insoweit die ausländischen Fahrerlaubnisbehörden täuschen, ist nicht höher, sondern im Gegenteil geringer als die derjenigen Fahrerlaubnisbewerber, die wie die Kläger der Ausgangsverfahren zu den EuGH-Urteilen vom 26. Juni 2008 im Hinblick auf den Wohnsitz ehrlich gegenüber den ausländischen Behörden waren und deshalb (nur) einen Führerschein mit deutscher Wohnsitzangabe erhalten haben. Belange des Schutzes der Freizügigkeit von Unionsbürgern stehen ohnehin nicht zur Diskussion, wenn sich die Beziehungen des Betroffenen zum Ausstellerstaat auf die Schaffung eines Scheinwohnsitzes und die Erlangung einer europarechtswidrigen Fahrerlaubnis beschränkt haben. Schließlich vermag auch der dem Anerkennungsgrundsatz des Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG innewohnende Aspekt der gegenseitigen Respektierung von Rechtsakten anderer Mitgliedstaaten keine Differenzierung nach den für den unbestreitbaren Nachweis des Verstoßes gegen das Wohnsitzerfordernis heranzuziehenden Beweistatsachen oder Beweismitteln zu rechtfertigen. Denn der EuGH hat in den Urteilen vom 26. Juni 2008 zugelassen, dass die jeweiligen Fahrerlaubnisse wegen ihres rechtsfehlerhaften Zustandekommens aberkannt werden können; mit anderen Worten durfte die räumliche Geltung ausländischer Fahrerlaubnisse beschränkt werden, weil die betreffenden ausländischen Behörden das europäische Führerscheinrecht unrichtig angewandt hatten. Im Vergleich zu einem solchen Verdikt der flagranten Missachtung des Europarechts greift eine nachträgliche Geltungsbeschränkung von Fahrerlaubnissen weniger empfindlich in die Befugnisse und Verantwortlichkeiten des Ausstellerstaates ein, wenn dessen Fahrerlaubnisbehörde vom betreffenden Fahrerlaubnisbewerber über dessen Aufenthaltsverhältnisse getäuscht worden ist und davon ausgegangen werden kann, dass die Behörde ohne diese Täuschung selbst von der Fahrerlaubniserteilung Abstand genommen hätte.
Im Falle des Antragstellers liegt der Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis aufgrund eigener Einlassungen bzw. eigenen Verhaltens deutlich zutage. Der Antragsgegner hat den Antragsteller im Verwaltungsverfahren mit Schreiben vom 5. Dezember 2007 zunächst mit dem Verdacht eines solchen Verstoßes konfrontiert und um nähere Darlegungen gebeten. Darauf ließ der Antragsteller durch seinen Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 10. Januar 2008 antworten, er "stelle anheim, über das KBA eine entsprechende Mitteilung an den Ausstellerstaat zu machen". Damit hat er zugestanden, dass ein polnischer Wohnsitz nie bestanden hat. Überdies hat der Antragsteller weder auf die genannte Anfrage vom 5. Dezember 2007 noch auf ein weiteres Schreiben des Antragsgegners vom 24. Januar 2008 hin auch nur ansatzweise substanziiert, dass er sich über einen längeren Zeitraum als für den Erwerb der Fahrerlaubnis erforderlich in Polen aufgehalten hätte. Auch im gerichtlichen Verfahren hat der Antragsteller zu keinem Zeitpunkt einen solchen Aufenthalt behauptet, geschweige denn nähere Angaben hierzu gemacht. Schließlich sind dem Antragsteller auch die melderechtlichen Erkenntnisse, die ganz wesentlich auf seinen eigenen Angaben gegenüber den Meldebehörden beruhen und ihm daher zuzurechnen sind, entgegenzuhalten. Sie schließen einen anderen Wohnsitz des Antragstellers als den in E. und später in H. aus. Der lediglich kurze Polenaufenthalt des Antragstellers beim Erwerb des Führerscheins kann - neben dem fortwährenden Wohnsitz in Deutschland - keinen weiteren den Anforderungen der Richtlinie 91/439/EWG genügenden Wohnsitz in Polen begründen. Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 91/439/EWG präzisiert den Begriff des ordentlichen Wohnsitzes dahingehend, dass er während mindestens 185 Tagen im Jahr - also mehr als der Hälfte des Jahres - bestehen muss. Daraus folgt, dass die innereuropäische Zuständigkeit für die Erteilung von Fahrerlaubnissen jeweils nur einem Staat zukommen kann und keine konkurrierenden Zuständigkeiten anerkannt werden.
Dem entspricht, dass nach Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 91/439/EWG jede Person nur Inhaber eines einzigen von einem Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins sein kann.
Es ist schließlich nichts dafür ersichtlich, dass der Antragsteller inzwischen seine Fahreignung wiedererlangt hat. Dagegen spricht bereits die für den Antragsteller negative Begutachtung vom Mai 2006. Neuere Nachweise, die eine stabile und von einer entsprechenden dauerhaften Motivation getragene Drogenabstinenz belegen, sind nicht ersichtlich. Zu zusätzlichen Zweifeln trägt bei, dass der Antragsteller zu der medizinisch- psychologischen Begutachtung im Mai 2006 mit gebleichten Haaren erschienen ist und deshalb keine Haaranalyse durchgeführt werden konnte. Dieser Umstand hat vor dem Hintergrund besonderes Gewicht, dass dem Antragsteller bei einer früheren medizinisch- psychologischen Untersuchung im Dezember 2001 (Gutachten vom 7. Februar 2002) der fortgesetzte Konsum verschiedenster Drogen nur durch eine Haaranalyse hatte nachgewiesen werden können, nachdem er bei der Befragung mit einiger Überzeugungskraft vorgegeben hatte, seinen Drogenkonsum schrittweise eingestellt zu haben.
Erweist sich mithin die angefochtene Ordnungsverfügung als offensichtlich rechtmäßig, führt die vom Senat vorzunehmende Interessenabwägung zu einem eindeutigen Überwiegen der öffentlichen Belange. Die sofortige Vollziehung des angefochtenen Bescheids dient, wie ausgeführt, dem überragenden Interesse der Allgemeinheit an der Sicherheit des Straßenverkehrs und dem Schutz höchstrangiger Rechtsgüter anderer Verkehrsteilnehmer. Demgegenüber muss das private Interesse des Antragstellers, vorläufig am motorisierten Straßenverkehr teilnehmen zu können, zurückstehen, zumal er den ihm im medizinischpsychologischen Gutachten vom 13. Juni 2006 gegebenen Empfehlungen zum Nachweis einer (weiteren) Abstinenz nicht Folge geleistet hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf den 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 2 sowie 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist gemäß 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
Keine vorläufige Fahrerlaubnisentziehung trotz Kon
Amtsgericht Bielefeld
Beschluss vom 24.05.2008
Az: 9 Gs-23 Js 721/08-1849/08
In dem Ermittlungsverfahren gegen pp. wegen Trunkenheit im Verkehr wird der Antrag der Staatsanwaltschaft Bielefeld auf vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis zurückgewiesen.
Gründe:
Gemäß 111 a StPO kann einem Verkehrsteilnehmer vorläufig die Fahrerlaubnis entzogen werden, wenn dringender Grund zu der Annahme besteht, dass sie ihm in einer künftigen Hauptverhandlung endgültig entzogen werden wird.
Eine derartige Prognose lässt sich vorliegend derzeit nicht stellen. Zwar steht aufgrund des Ergebnisses der Blutalkoholuntersuchung und der geständigen Angaben des Beschuldigten fest, dass er Amphetamine zu sich genommen hat. Nicht festgestellt werde kann aber, dass diese Einnahme zur Fahruntüchtigkeit geführt hat.
Derartige Annahmen ergeben sich zunächst nicht aus der vom dem Polizeibeamten Sa. und Sch. festgestellten Fahrweise. Zunächst ist festzuhalten, dass der von diesen Beamten festgehaltene Abbiegevorgang ohne Betätigung der Fahrtrichtungsanzeigers insbesondere in den verkehrsarmen Nachtstunden ein vielfach zu beobachtende Nachlässigkeit ist, die keinen Rückschluss auf die Fahrtüchtigkeit zulässt.
Im übrigen schildern die Beamten in ihrer Sachverhaltsdarstellung zwar ungewöhnliche Fahrweisen (langsam fahren/beschleunigen/wenden auf offener Straße). Es lässt sich dieser Sachverhaltsdarstellung aber nicht entnehmen, dass die Fahrweise des Beschuldigten unsicher oder von Ausfallerscheinungen, wie beispielsweise fahren in Schlangenlinien oder dem Nichtbeachten von Verkehrsgeboten begleitet war. Die Art und Weise der Führung des Kraftfahrzeuges durch den Beschuldigten mag demgemäß ungewöhnlich gewesen sein, fehlerhaft oder verkehrswidrig stellte sich nicht da.
Die Annahme der Fahruntüchtigkeit rechtfertigt sich schließlich auch nicht aus den persönlichen Eindruck den der Beschuldigte gegenüber den Polizeibeamten bzw. im Rahmen der Blutentnahme machte. Schweißperlen auf der Stirn können auch durch die für den Beschuldigten zweifelsfrei unangenehme Situation hervorgerufen worden sein. Die geröteten Bindehäute und der insgesamt müde Eindruck des Beschuldigten deuten daraufhin, dass er übermüdet gewesen sein mag. Übermüdung ist aber lediglich im Rahmen einer damit einhergehenden Gefährdung des Straßenverkehrs nach 315 c StGB strafbar. Zu einer derartigen Gefährdung ist es hier nicht gekommen. Für die einzig in Betracht kommende Vorschrift des 316 StGB ist Übermüdung hingegen ohne Belang. An dieser Beurteilung ändert auch die vorangegangene Amphetamineinnahme nichts. Es kann nicht festgestellt werden, ob dar Übermüdungszustand auf diesen Drogenkonsum zurück zu führen ist. Insbesondere unter Berücksichtigung der Uhrzeit von 5 Uhr morgens kann die Übermüdung schließlich auch andere Ursachen haben.
Dem gemäß besieht derzeit zumindest kein dringender Grund für die Annahme, dass der Beschuldigte nach 316 StGB zu bestrafen sein wird. Daher ist derzeit auch nicht von einer Entziehung der Fahrerlaubnis auszugehen, sodass der Antrag auf vorläufige Entziehung zurück zu weisen war.
Zulässige Anordnung eines Drogenscreenings
BVerfG
Az.: 1 BvR 2062/96
Beschluss vom 20.06.2002
In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde gegen
a) den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. August 1996 - BVerwG 11 B 48.96 -,
b) das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 2. April 1996 - 10 S 2683/95 -,
c) den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 21. August 1995 - 4 K 724/95 -,
d) den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 8. März 1995 - 14/50/1181/22/95 -,
e) den Bescheid der Stadt Freiburg im Breisgau vom 19. Juli 1994 - 32.27.10 -
hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts am 20. Juni 2002 einstimmig beschlossen:
Der Bescheid der Stadt Freiburg im Breisgau vom 19. Juli 1994 - 32.27.10 -, der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 8. März 1995 - 14/50/1181/22/95 -, der Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 21. August 1995 - 4 K 724/95 -, das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 2. April 1996 - 10 S 2683/95 - und der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. August 1996 - BVerwG 11 B 48.96 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG. Die Entscheidungen werden aufgehoben. Das Verfahren wird an das Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung über die Kosten zurückverwiesen.
Das Land Baden-Württemberg und die Bundesrepublik Deutschland haben dem Beschwerdeführer jeweils die Hälfte der notwendigen Auslagen zu erstatten.
Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 10.000 € (in Worten: zehntausend Euro) festgesetzt.
Gründe:
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Verfassungsmäßigkeit der Entziehung einer Fahrerlaubnis wegen verweigerter Beibringung eines behördlich angeforderten Drogenscreenings nach festgestelltem Besitz einer geringen Menge Haschisch.
A.
I.
Die Entziehung einer Fahrerlaubnis wegen fehlender Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs bestimmt sich gegenwärtig nach 3 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) und nach den Vorschriften der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV). Vor Einführung dieser Bestimmungen im Jahre 1998 waren die einschlägigen Ermächtigungsgrundlagen in den zwischenzeitlich geänderten beziehungsweise aufgehobenen Vorschriften des 4 StVG und 15 b der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) enthalten. Heute wie früher ist eine Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich der Erlaubnisinhaber zum Führen von Kraftfahrzeugen als ungeeignet erweist. Bei hinreichendem Verdacht des Vorliegens erheblicher Eignungsmängel ist die zuständige Behörde ermächtigt, dem Erlaubnisinhaber aufzugeben, bestimmte Gutachten über seine Kraftfahreignung beizubringen. Die Missachtung einer solchen Anordnung hat regelmäßig die Entziehung der Fahrerlaubnis zur Folge.
Die vorliegende Verfassungsbeschwerde betrifft einen Fall, in dem dem Beschwerdeführer in Anwendung von 4 StVG und 15 b StVZO in den vor 1998 geltenden Fassungen die Fahrerlaubnis entzogen worden ist, nachdem er einer verkehrsbehördlichen Anordnung nicht nachgekommen war, ein Drogenscreening vorzunehmen. Nach 4 Abs. 1 StVG in dieser hier maßgeblichen Fassung musste die Fahrerlaubnis entzogen werden, wenn sich der Erlaubnisinhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hatte. Hierzu wurde in 15 b Abs. 2 StVZO bestimmt:
Besteht Anlass zur Annahme, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder nur bedingt geeignet ist, so kann die Verwaltungsbehörde zur Vorbereitung der Entscheidung über die Entziehung oder die Einschränkung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Auflagen je nach den Umständen die Beibringung
1. eines amts- oder fachärztlichen Gutachtens oder
2. eines Gutachtens einer amtlich anerkannten medizinisch-psychologischen Untersuchungsstelle oder
3. eines Gutachtens eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr anordnen. Die Verwaltungsbehörde kann mehrere dieser Anordnungen treffen; sie kann die Begutachtung auch auf einen Teilbereich der Eignung beschränken, insbesondere darauf, ob der Inhaber der Fahrerlaubnis die nach 11 Abs. 3 erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten noch besitzt.
II.
1. Dem Beschwerdeführer ist im Jahre 1975 eine Fahrerlaubnis der (nach damaligem Recht) Klasse 3 erteilt worden.
Im März 1994 wurde der Beschwerdeführer anlässlich einer Einreise aus den Niederlanden nach Deutschland einer polizeilichen Personenkontrolle unterzogen. Hierbei wurden bei ihm insgesamt fünf Gramm Haschisch aufgefunden. Das gegen den Beschwerdeführer eingeleitete strafrechtliche Ermittlungsverfahren ist Ende März 1994 durch die Staatsanwaltschaft eingestellt worden.
2. Mit Schreiben vom 29. April 1994 teilte die Stadt Freiburg i.Br. als zuständige Verkehrsbehörde dem Beschwerdeführer unter Hinweis auf die ihr übermittelten Daten mit, dass erhebliche Bedenken hinsichtlich seiner Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bestünden. Es bestehe der Verdacht, dass seine körperlich-geistige Leistungsfähigkeit drogenkonsumbedingt ständig unter das erforderliche Maß herabgesetzt sei. Die Stadt forderte den Beschwerdeführer in Anwendung von 15 b Abs. 2 StVZO auf, der Behörde ein so genanntes Drogenscreening vorzulegen. Hierzu habe der Beschwerdeführer innerhalb von drei Tagen ab Zugang des Schreibens eine Urinprobe beim Rechtsmedizinischen Institut der Universität Freiburg abzugeben und diese auf seine Kosten umfassend auf Drogenrückstände untersuchen zu lassen. Für den Fall der Weigerung oder nicht fristgerechten Abgabe der Urinprobe wurde dem Beschwerdeführer die Entziehung seiner Fahrerlaubnis angedroht.
Der Beschwerdeführer legte hiergegen Widerspruch ein. Die angeordnete Untersuchung ließ er nicht vornehmen.
3. Über den Widerspruch ist - soweit ersichtlich - bislang nicht entschieden worden. Stattdessen entzog die Stadt Freiburg i.Br. dem Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf die Weigerung mit für sofort vollziehbar erklärtem Bescheid vom 19. Juli 1994 die Fahrerlaubnis ( 4 Abs. 1 StVG in Verbindung mit 15 b Abs. 1 StVZO). Der Vorfall im März 1994 gebe Anlass zu erheblichen Bedenken gegen die Eignung des Beschwerdeführers zum Führen von Kraftfahrzeugen. Seine Weigerung, das von ihm geforderte fachärztliche Gutachten beizubringen, lasse darauf schließen, dass er Drogenkonsum verbergen wolle. Außerdem rechtfertige sie bereits für sich allein den Schluss auf die mangelnde Kraftfahreignung des Betroffenen.
4. Der Beschwerdeführer legte auch gegen diesen Bescheid Widerspruch ein und beantragte beim Verwaltungsgericht die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung dieses Rechtsbehelfs. Die Behörde habe ihrer Entscheidung eine Art "Alltagswissen" über den Konsum von Cannabisprodukten zu Grunde gelegt, das nach dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Diskussion als überholt angesehen werden müsse. Es sei zwar nicht zu bestreiten, dass ein akuter Cannabisrausch die Fahrtüchtigkeit beeinträchtige. Cannabiskonsumenten seien aber in der Lage, ihren Drogenkonsum nach Intensität und Häufigkeit frei und selbstbestimmt zu regulieren. Der Beschwerdeführer sei trotz insgesamt 19-jähriger Fahrpraxis noch kein einziges Mal verkehrsrechtlich in Erscheinung getreten. Insbesondere sei noch nie festgestellt worden, dass er unter dem Einfluss von Cannabiskonsum am Straßenverkehr teilgenommen habe. Solches habe er nie getan und beabsichtige auch nicht, es zu tun.
Das Verwaltungsgericht wies den Antrag des Beschwerdeführers auf vorläufigen Rechtsschutz zurück. Die Verkehrsbehörde habe den Beschwerdeführer zu Recht aufgefordert, ein Drogenscreening vorzulegen. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer mit einer kleinen Menge Haschisch ins Bundesgebiet eingereist sei, begründe die Vermutung, dass er selbst Haschisch konsumiere. Die Anordnung der Vorlage eines Drogenscreenings sei ein zulässiges Mittel, um festzustellen, ob er im Rauschzustand ein Kraftfahrzeug führen würde. Die Feststellung, ob lediglich ein einmaliger oder ein gewohnheitsmäßiger Cannabiskonsum vorliege, sei notwendig, damit beurteilt werden könne, ob weiterer Handlungsbedarf bestehe. Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen diesen Beschluss wurde vom Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen.
Das Regierungspräsidium Freiburg wies daraufhin durch Bescheid vom 8. März 1995 auch den Widerspruch des Beschwerdeführers gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis zurück.
5. Die vom Beschwerdeführer beim Verwaltungsgericht gegen die Bescheide der Stadt Freiburg i. Br. und des Regierungspräsidiums Freiburg erhobene Klage wurde mit Gerichtsbescheid vom 21. August 1995 abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung nahm das Verwaltungsgericht im Wesentlichen auf die im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangenen Entscheidungen Bezug.
6. Auf Berufung des Beschwerdeführers hielt der Verwaltungsgerichtshof in seinem - die Revision nicht zulassenden - Urteil vom 2. April 1996 an den im Eilrechtsschutzverfahren getroffenen Feststellungen zur Rechtmäßigkeit der behördlichen Anforderung des Drogenscreenings fest.
7. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision gegen das Berufungsurteil des Verwaltungsgerichtshofs wies das Bundesverwaltungsgericht durch Beschluss vom 23. August 1996 zurück (vgl. BVerwG, NJW 1997, S. 269). Anordnungen nach 15 b Abs. 2 StVZO seien entscheidungsvorbereitende Maßnahmen der Aufklärung des maßgeblichen Sachverhalts im Interesse eines möglichst gefahrlosen Straßenverkehrs. Dass der Cannabisrausch die Fahrtüchtigkeit beeinträchtige, entspreche gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis. Deshalb könne jedenfalls regel- oder gar gewohnheitsmäßiger Cannabiskonsum zumindest berechtigte Zweifel an der Kraftfahreignung begründen, die weitere Aufklärung rechtfertigten. Allerdings sei der gelegentliche Konsument von Cannabisprodukten nicht ohne weiteres von einem regel- oder gewohnheitsmäßigen Konsumenten zu unterscheiden, zumal entsprechende Erklärungen des Betroffenen nicht stets als wahr unterstellt werden könnten. Bestünden deshalb nach den Umständen des konkreten Falles hinreichend aussagekräftige Anzeichen für den Verdacht, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis regelmäßig Haschisch konsumiere, so sei die Behörde berechtigt, dies durch Maßnahmen nach 15 b Abs. 2 StVZO zu klären, um anschließend erforderlichenfalls weitere Aufklärungsmaßnahmen zu ergreifen. Durch diese abgestufte Vorgehensweise werde dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dem im Zusammenhang mit dem Schutz des Persönlichkeitsrechts besondere Bedeutung zukomme, entsprochen. Da 15 b StVZO eine Maßnahme der Gefahrenabwehr im Interesse der Allgemeinheit und des Einzelnen darstelle, sei die Rechtmäßigkeit der Anforderung eines bestimmten Gutachtens nicht davon abhängig, dass die zuständigen Behörden bereits in diesem Zeitpunkt gewohnheitsmäßigen Drogenkonsum oder gar Drogenabhängigkeit nachweisen könnten. Deshalb könne aus einer bisherigen unauffälligen Teilnahme am Straßenverkehr als Kraftfahrer nicht auf die Unzulässigkeit einer der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dienenden Aufklärungsmaßnahme geschlossen werden.
8. In einem späteren, nicht die Person des Beschwerdeführers betreffenden Verfahren entwickelte das Bundesverwaltungsgericht seine Rechtsprechung zur Anwendung von 15 b StVZO bei festgestelltem Cannabiskontakt mit Urteil vom 5. Juli 2001 fort (BVerwG, NJW 2002, S. 78 ff.). Es entschied, dass ein einmaliger oder gelegentlicher Cannabiskonsum ohne konkrete Verknüpfung mit der Teilnahme am Straßenverkehr für sich allein keinen nach 15 b Abs. 2 StVZO ausreichenden Anlass zur Anforderung eines Drogenscreenings gebe.
B.
Der Beschwerdeführer hat Verfassungsbeschwerde gegen die Fahrerlaubnisentziehungsverfügung der Stadt Freiburg i.Br., den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums, den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts, das Berufungsurteil des Verwaltungsgerichtshofs sowie den Beschwerdebeschluss des Bundesverwaltungsgerichts erhoben. Er rügt, durch die angegriffenen Entscheidungen in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verletzt worden zu sein. Mit der Anforderung des Drogenscreenings sei in unverhältnismäßiger Weise in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht eingegriffen worden. Es lägen keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte für einen Eignungsmangel in seiner Person vor. Darüber hinaus verstoße die Anforderung des Drogenscreenings auch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), da Drogenkonsumenten einer im Vergleich zu Alkoholkonsumenten deutlich strengeren verkehrsbehördlichen Überwachung unterlägen und hinreichende sachliche Gründe für diese Ungleichbehandlung nicht bestünden.
C.
I.
Zu der Verfassungsbeschwerde beziehungsweise zu den durch sie aufgeworfenen Fragen der Wirkungen des Konsums von Cannabis, Alkohol und anderen bewusstseinsverändernden Mitteln haben im Jahre 2001 der Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen namens der Bundesregierung, die Mehrzahl der Landesregierungen, die Stadt Freiburg i.Br. sowie das Bundesverwaltungsgericht und der Bundesgerichtshof Stellung genommen. Ebenfalls im Jahre 2001 sind ferner Stellungnahmen der Bundesanstalt für Straßenwesen, der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, des Deutschen Verkehrssicherheitsrats, der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin, der Deutschen Hauptstelle gegen die Suchtgefahren, der Gesellschaft gegen Alkohol- und Drogengefahren und des Fachverbandes Drogen und Rauschmittel als sachkundigen Dritten eingeholt worden.
1. In den Stellungnahmen wird darauf hingewiesen, dass nach den auf Bundes- und Landesebene geführten Statistiken über den Konsum berauschender Mittel als festgestellte Ursache von Verkehrsunfällen und Verkehrsgefährdungen dem Konsum von Alkohol die bei Weitem größte Bedeutung zukomme. Der Konsum von Cannabis spiele im Vergleich dazu eine wesentlich geringere Rolle. Allerdings sei in den letzten Jahren ein deutlicher Anstieg der Zahl der Fälle zu verzeichnen, in denen der Konsum von Cannabis als Ursache eines Verkehrsunfalls oder einer Verkehrsgefährdung festzustellen war.
2. Die Frage, ob Fälle bekannt seien, in denen ein Unfall oder eine Verkehrsgefährdung auf den Eintritt eines so genannten Echorausches in Folge früheren Konsums von Cannabis zurückgeführt werden konnte, wurde in der Mehrzahl der abgegebenen Stellungnahmen verneint. In Bayern und Sachsen-Anhalt ist jeweils ein Fall verzeichnet, indem es sich bei der Unfallursache möglicherweise um einen Echorausch gehandelt haben könnte. In Bremen sind zwei Fälle registriert, in denen ein Unfall oder eine Verkehrsgefährdung auf den Eintritt eines Echorausches in Folge früheren Cannabiskonsums zurückgeführt worden ist.
3. Gesicherte aktuelle Erkenntnisse über den Anteil der Cannabiskonsumenten in Deutschland, die sich auf einen nur gelegentlichen Konsum beschränken, sowie über den Anteil derjenigen Konsumenten, die regelmäßig Cannabinoide aufnehmen, bestehen ausweislich der eingegangenen Stellungnahmen nicht. Soweit zu diesen Fragen Erhebungen durchgeführt worden sind, liegen diesen zum Teil erheblich voneinander abweichende Annahmen zu den Kennzeichen gelegentlichen beziehungsweise regelmäßigen Cannabiskonsums zu Grunde. Ungeachtet dieser Unterschiede wird durchgängig davon ausgegangen, dass die Mehrzahl der Cannabiskonsumenten den Konsum nach Durchlaufen einer Probierphase wieder einstellt. Mehrere Stellungnahmen berichten über Studien, in denen die Gruppe der aktuellen Cannabiskonsumenten (30-Tage-Prävalenz) mit der Gruppe derjenigen Personen verglichen wird, die Cannabis aktuell konsumieren oder früher konsumiert haben (Lebenszeit-Prävalenz). In der erstgenannten Gruppe sei die Zahl der starken Konsumenten wesentlich höher als in der zweitgenannten. In anderen Stellungnahmen wird über Studien berichtet, die bei Zugrundelegung einer Ein-Jahres-Prävalenz zu dem Ergebnis geführt haben, dass nur ein vergleichsweise kleiner Teil der Konsumenten Cannabis regelmäßig konsumiere.
4. Die fahrerlaubnisrelevanten Auswirkungen des Cannabiskonsums auf die Leistungsfähigkeit des Konsumenten wurden in den Stellungnahmen wie folgt beschrieben:
a) Während des Rausches seien Einschränkungen der Leistungsfähigkeit durch Euphorie, Antriebsminderung, Konzentrationsschwäche, Wahrnehmungsstörungen, Denkstörungen, Änderung des Zeiterlebens, Verminderung des Farbunterscheidungsvermögens und leichte Ablenkbarkeit möglich. Beeinträchtigungen der Fahrtüchtigkeit träten in erster Linie in Gestalt gestörter Aufmerksamkeit sowie verzögerter und unangemessener Reaktionen auf unvorhergesehene Ereignisse auf. Außerdem bestünde die Gefahr atypischer Rauschverläufe. Der Betroffene könne dann in Angst, Panik oder innere Unruhe verfallen, in Verwirrung geraten, Halluzinationen ausgesetzt sein oder seine Umgebung in verzerrten Größen wahrnehmen; außerdem könnten Kreislaufstörungen bis hin zum Kreislaufkollaps auftreten. Die Wahrscheinlichkeit des Eintritts und die Intensität der Beeinträchtigungen seien von zahlreichen Faktoren abhängig, insbesondere von der Menge des aufgenommenen Rauschmittels, von der körperlichen und geistigen Situation des Konsumenten, von seinem jeweiligen Umfeld sowie davon, ob der Drogenkonsum mit dem Konsum von Alkohol kombiniert werde.
b) In einzelnen Stellungnahmen wird davon ausgegangen, dass andauernder beziehungsweise gewohnheitsmäßiger Konsum von Cannabis zu dauerhaften nachteiligen Veränderungen des Leistungsvermögens führen könne. Möglich seien hier so genannte Hangover- beziehungsweise Residualeffekte, der Eintritt atypischer Rauschverläufe bei erneutem Cannabiskonsum, die Auslösung von Psychosen sowie Entzugserscheinungen. Hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit des Auftretens dieser Beeinträchtigungen, ihrer Intensität und ihres Einflusses auf die Fahrtüchtigkeit gehen die in Stellungnahmen abgegebenen Einschätzungen zum Teil deutlich auseinander.
c) Auch in Bezug auf die Frage, ob Cannabiskonsumenten in der Lage sind, drogenkonsumbedingte Einschränkungen ihrer Fahrtüchtigkeit zu erkennen und gegebenenfalls nach dieser Erkenntnis zu handeln, werden in den Stellungnahmen unterschiedliche Einschätzungen abgegeben. In mehreren Stellungnahmen wird unter Hinweis auf wissenschaftliche Studien ausgeführt, dass jedenfalls stärkere Konsumenten von Cannabis mitunter nicht in der Lage seien, drogenkonsumbedingte Beeinträchtigungen ihrer Leistungsfähigkeit zu erkennen. Darüber hinaus führe der Drogenkonsum zu einer Herabsetzung der Kritikfähigkeit und damit auch der Fähigkeit zur kritischen Auseinandersetzung mit dem eigenen Leistungsvermögen. Die Bereitschaft von Cannabiskonsumenten, zuverlässig zwischen dem Drogenkonsum und der Teilnahme am Straßenverkehr zu trennen, wird in den Stellungnahmen überwiegend als zumeist nur gering ausgebildet eingeschätzt.
5. Auf die Frage, ob der Konsum von Cannabis-Produkten beim Konsumenten zu typischen Veränderungen der äußeren Erscheinung oder des Verhaltens führt, die im Rahmen polizeilicher Verkehrskontrollen oder bei der polizeilichen Aufnahme von Unfällen und Verkehrsgefährdungen ohne größeren Aufwand festgestellt werden können, wurde in den Stellungnahmen insbesondere auf das Drogenerkennungsprogramm hingewiesen, das von der Bundesanstalt für Straßenwesen und dem Institut für Rechtsmedizin der Universität des Saarlandes gemeinsam entwickelt worden ist und seit 1998 eine Grundlage für die Schulung von Polizeibeamten bildet (vgl. Drogenerkennung im Straßenverkehr, Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Heft M 96, 1998; Möller/Bregel, in: Krüger, Drogen im Straßenverkehr, 2000, S. 208 ff.). Bei der verkehrspolizeilichen Drogenerkennung könne von geschulten Polizeikräften an so genannte Ausfall- und Auffallerscheinungen angeknüpft werden, die typischerweise auf den Konsum von Drogen hindeuteten. Bei unter Cannabiseinfluss stehenden Kraftfahrern seien häufig die oben (vgl. 4.a) beschriebenen Ausfallerscheinungen festzustellen. Typische Auffallerscheinungen seien gerötete, glasig wirkende Augen des Kraftfahrers, Weitstellung seiner Pupillen trotz Lichteinfalls, Gangunsicherheiten, motivlose Heiterkeit, Müdigkeit, Apathie sowie Denk-, Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen. Die verkehrspolizeilichen Ermittlungen zielten zudem auf das Auffinden typischer Konsumrückstände im Fahrzeug ab (etwa Zigarettenpapier in Übergröße, Reste von "Joints" im Aschenbecher, süßlicher Duft im Fahrzeuginnern).
Die Feststellung typischer Ausfall- und Auffallerscheinungen werde regelmäßig zum Anlass für weitere Ermittlungen genommen. In der polizeilichen Praxis finden hierbei zunehmend Drogenvortests Anwendung, mit denen orts- und zeitnah Urin-, Speichel- oder Schweißproben der betroffenen Kraftfahrer untersucht werden können.
II.
Das Gericht hat zudem bei Prof. Dr. Günter Berghaus (Institut für Rechtsmedizin der Universität Köln) und Prof. Dr. Hans-Peter Krüger (Interdisziplinäres Zentrum für Verkehrswissenschaften an der Universität Würzburg) gutachterliche Äußerungen zu Fragen im Zusammenhang mit dem Konsum von Cannabis eingeholt.
1. Prof. Dr. Berghaus weist in seinem Gutachten (abrufbar unter: www.medizin.uni-koeln.de/institute/rechtsmedizin/verk_1.html, "Gutachtliche Äußerung...") unter anderem darauf hin, dass sehr unterschiedliche Vorstellungen über den Inhalt der Begriffe "gelegentlicher" und "regelmäßiger Cannabiskonsum" bestünden; dies könne für die Praxis der Fahreignungsüberprüfung erhebliche Bedeutung haben. Die verbreitete Annahme, der Konsum von Cannabis diene regelmäßig dem Zweck, sich in einen Rauschzustand zu versetzen, sei durch neuere Untersuchungen relativiert. Es bestehe Anlass zu der Annahme, dass die Gründe für den Konsum von Cannabis denen des Konsums von Alkohol (etwa Entspannung, Abschalten) sehr ähnelten. Außer Frage stehe heute, dass nach dem Konsum von Cannabis neben physiologischen Veränderungen auch fahrrelevante Leistungen und fahrrelevantes Verhalten beeinträchtigt sein könnten. Die Leistungs- und Verhaltenseinschränkungen könnten alle Aspekte der Informationsaufnahme und -verarbeitung, der Entscheidungsfindung und der Umsetzung der Entscheidung in der Reaktion umfassen. Der Eintritt dieser Wirkungen sei aber keineswegs zwangsläufig. Ob und in welchem Ausmaß sich die möglichen Einschränkungen im individuellen Falle realisierten, hänge wesentlich von der Erfahrung des Konsumenten, von der Art des Konsums, von der Dosis der aufgenommenen Wirkstoffe und der Zeitdauer seit Konsumende ab. Eine Metaanalyse von 66 experimentellen Studien zu den Wirkungen des gelegentlichen Konsums von Cannabis habe zu folgenden Ergebnissen geführt: Bei inhalativer Aufnahme von Cannabinoiden (vor allem Tetrahydrocannabinol - THC -) seien die deutlichsten Leistungseinbußen in der ersten Stunde nach Rauchbeginn festzustellen. In der zweiten und dritten Stunde gingen die Leistungsdefizite wieder zurück. Sie reduzierten sich auf nur noch wenige Leistungseinbußen. Lediglich bei höheren aufgenommenen Dosen seien auch noch nach Ablauf von drei Stunden relevante Leistungseinbußen festzustellen. Bei oraler Aufnahme, die jedoch selten praktiziert werde, steige das Leistungsdefizit nach der Aufnahme langsam an und erreiche in der dritten Stunde das Maximum. Deutliche Leistungseinbußen seien nur bei aufgenommenen Dosen von mehr als 20 mg THC festzustellen. Hangover- beziehungsweise Residual-Effekte seien weder bei inhalativer noch bei oraler Aufnahme von Cannabinoiden zu erwarten; ältere Studien, in denen der Eintritt solche Effekte als möglich angesehen werde, seien durch neuere Untersuchungen relativiert. Einer bekannten experimentellen Studie aus dem Jahre 1994 sei zu entnehmen, dass gelegentliche Cannabiskonsumenten in der Regel in der Lage seien, konsumbedingte Leistungseinbußen als solche zu erkennen und nach dieser Erkenntnis zu handeln. Eine Schwächung der Trennungsbereitschaft werde durch den Konsum von Cannabis im Allgemeinen nicht herbeigeführt. Mit zunehmender Konsumhäufigkeit - gegebenenfalls gepaart mit steigenden Dosen - sei eine kontinuierlich negative Entwicklung zu verzeichnen. Die rekreativen Phasen zwischen den einzelnen Konsumeinheiten würden kürzer, die Zeiten, in denen der Konsument unter der akuten Wirkung der Droge stehe, hingegen länger. Psychosomatische Folgen würden mit steigender Intensität des Konsums immer wahrscheinlicher. Der "stark gewohnheitsmäßige" Konsument sei nicht mehr in der Lage, seine konsumbedingten Einschränkungen sicher zu beurteilen. Sein Trennungsvermögen sei deutlich vermindert. Im Vergleich der Gefährlichkeit des Konsums von Alkohol, Drogen und Medikamenten für die Sicherheit des Straßenverkehrs lasse sich auf Grund experimenteller und epidemiologischer Studien feststellen, dass es sich beim Alkohol um die weitaus gefährlichste Substanz handele. Benzodiazepine und Cannabis stellten demgegenüber eine deutlich geringere Gefahr dar.
2. Prof. Dr. Krüger legt in seinem Gutachten (abrufbar unter: www.psychologie.uni-wuerzburg.de/methoden/methff.html, "Gutachten Fahreignung") unter anderem dar, dass aus der Zahl und dem Anteil der festgestellten Unfälle und Verkehrsgefährdungen unter Beteiligung drogenbeeinflusster Fahrer keine aussagekräftigen Schlüsse auf die Gefährlichkeit des Drogenkonsums für die Sicherheit des Straßenverkehrs gezogen werden könnten. Über die tatsächliche Auftretensrate von Drogen im Straßenverkehr sei kaum etwas bekannt. Die vorliegenden Angaben seien wenig zuverlässig und könnten nur als sehr grobe Abschätzungen begriffen werden. Über klassische Risikoansätze, wie sie der Gesetzgebung und Rechtsprechung zur Problematik des Alkoholkonsums im Straßenverkehr zu Grunde lägen, sei die Gefährlichkeit (das Unfallrisiko) des Fahrens unter Drogen nicht zu bestimmen. Zu zuverlässigeren Ergebnissen führten hier Verursacheranalysen und die Übertragung von Laborbefunden auf das Fahren. Die Auswertung der hierzu bislang durchgeführten Studien ergebe hinsichtlich des Gefährdungspotenzials verschiedener bewusstseinsverändernder Substanzen folgende Rangordnung: Das dominante Problem im Straßenverkehr sei sowohl nach der Auftretensrate als auch nach der Gefährlichkeit der Alkohol. An zweiter Stelle folgten Medikamente, insbesondere die Benzodiazepine. Erst an dritter Stelle rangierten die Drogen, die aber hinsichtlich der Drogenarten jeweils unterschiedlich zu beurteilen seien. Der alleinige Konsum von Cannabis führe jedenfalls dann zu keiner Risikoerhöhung für den Verkehr, wenn die aufgenommene Menge THC eine Konzentration von 2 ng/ml im Blut nicht übersteige. Im Übrigen gelte auch für den Konsum von Cannabis, dass mit zunehmender Konzentration die konsumbedingten Beeinträchtigungen steil anwüchsen. Lege man einen "normalen" Cannabiskonsum zu Grunde (ein bis zwei "Joints", Wartezeit von etwa zwei Stunden bis zum Fahrtantritt), liege das drogenkonsumbedingte Unfallrisiko höchstens im Bereich des Risikos von Alkoholisierungen zwischen 0,5 und 0,8 Promille Blutalkoholkonzentration. Die Kombination von Alkohol und Drogen oder Medikamenten lasse das Unfallrisiko dramatisch ansteigen.
Einer aktuellen Studie sei zu entnehmen, dass in den Fällen der Teilnahme am Verkehr unter Einfluss der Wirkungen des Cannabiskonsums moderate Beeinträchtigungen den Regelfall in der Verkehrswirklichkeit darstellten; dies entspreche den Erkenntnissen, die für die Teilnahme am Verkehr unter Alkoholeinfluss gewonnen worden seien. Ein abgesichertes Wissen über die Bereitschaft von Drogenkonsumenten, den Drogenkonsum und die Teilnahme am Straßenverkehr zu trennen, liege nicht vor. Die Ergebnisse aus Konsumstudien seien nur sehr bedingt auf den Straßenverkehr zu übertragen. Jüngeren Studien lasse sich entnehmen, dass Drogenkonsumenten wesentlich weniger als Alkoholkonsumenten bereit seien, Konsum und Fahren zu trennen. Die generelle Unterstellung, dass Drogeneinnahme und Fahren nicht getrennt würden, könnte aber nicht aufrecht erhalten werden. Die Bereitschaft, unter Substanzeinfluss zu fahren, stehe in direktem Zusammenhang mit der eingenommenen Menge. Dies gelte gleichermaßen für den Drogen- wie auch für den Alkoholkonsum. Die hohe Bereitschaft, unter Drogeneinfluss zu fahren, erklärt der Gutachter unter Anwendung von Befragungsergebnissen als ein Produkt aus der subjektiv als gering empfundenen Gefährlichkeit des Drogenkonsums, aus dessen subjektiv nur als mäßig angesehenen Verwerflichkeit sowie einer von den Konsumenten extrem niedrig eingeschätzten Kontrolleffizienz der Polizei. Nach der gegebenen Datenlage lasse sich folgender Zusammenhang zwischen dem Besitz von Cannabis und der Möglichkeit einer Teilnahme am Verkehr unter Drogeneinfluss herstellen: Wer Cannabis besitze, zähle in der Regel auch zum Kreis der Cannabiskonsumenten. Lasse sich nachweisen, dass im Urin oder in den Haaren höhere Substanzkonzentrationen vorlägen, müsse ein erheblicher Konsum erfolgt sein. Je höher die festgestellten Werte seien, umso stärker müsse auch der Konsum sein. Mit zunehmendem Konsum wachse auch die Wahrscheinlichkeit einer Fahrt unter Drogeneinfluss.
D.
Die Voraussetzungen einer stattgebenden Kammerentscheidung sind gegeben ( 93 c Abs. 1 BVerfGG). Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat in seinem Beschluss vom 24. Juni 1993 (BVerfGE 89, 69) die für den vorliegenden Fall maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen geklärt. Nach den in dieser Entscheidung niedergelegten Grundsätzen sowie der Senatsrechtsprechung zum grundrechtlichen Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 80, 137 <152 ff.>) ist die Verfassungsbeschwerde begründet.
I.
Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG. Ob darüber hinaus auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) verletzt worden ist, bedarf keiner Entscheidung.
Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet die allgemeine Handlungsfreiheit im umfassenden Sinne (vgl. BVerfGE 6, 32, <36>; 97, 332 <340>; stRspr). Von dieser Handlungsfreiheit ist auch das Führen von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr erfasst. Die Handlungsfreiheit ist allerdings nicht unbegrenzt gewährleistet. Zum Schutz eines kollidierenden Rechtsguts dürfen unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Beschränkungen vorgenommen werden. Sie sind verfassungsmäßig, wenn sie zum Schutz des Rechtsguts nicht nur geeignet und erforderlich sind, sondern auch zur Art und Intensität der Rechtsgütergefährdung in einem angemessenen Verhältnis stehen (vgl. BVerfGE 16, 194 <201 f.>; 92, 277 <327 f.>; stRspr). Dies setzt eine Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe voraus (vgl. BVerfGE 94, 372 <390>; stRspr).
Die angegriffene Verfügung der Fahrerlaubnisentziehung und die darauf bezogenen Behörden- und Gerichtsentscheidungen enthalten einen Eingriff in den Schutzbereich des Grundrechts. Dieser Eingriff war verfassungswidrig, weil er in keinem angemessenen Verhältnis zu der Intensität der Rechtsgutgefährdung stand. Denn es fehlte als Grundlage der Überprüfung der Fahreignung des Beschwerdeführers nach 15 b Abs. 2 StVZO ein hinreichender Gefahrenverdacht, der einen Eignungsmangel als nahe liegend erscheinen lässt (vgl. BVerfGE 89, 69 <85 f.>). Die Weigerung des Beschwerdeführers, sich der Begutachtung zu stellen, durfte im Fahrerlaubnisentziehungsverfahren daher nicht zu seinen Lasten gewürdigt werden.
1. Die Auslegung des einfachen Rechts, die Beweiswürdigung und die Subsumtion des Sachverhalts im einzelnen Fall sind Sache der dafür zuständigen Fachgerichte. Haben sie ihre Rechtsprechung im Verlauf des Verfahrens fortentwickelt, ist der grundgesetzlichen Zuständigkeitsverteilung zwischen fachgerichtlicher und verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung dadurch Rechnung zu tragen, dass im Verfassungsbeschwerde-Verfahren auf die aktuelle fachgerichtliche Rechtsprechung abgestellt wird (vgl. auch BVerfG, Urteil vom 15. Januar 2002 - 1 BvR 1783/99 -, S. 25 ff. - BVerfGE 104, 337 ff.). Eine solche Fortentwicklung der Rechtsprechung ist vorliegend im Hinblick auf die Voraussetzungen von Gefahrerforschungseingriffen bei Cannabiskonsum erfolgt (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Juli 2001, NJW 2002, S. 78 ff.).
a) Die fachrichterliche Rechtsprechung ist der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich entzogen (vgl. BVerfGE 18, 85 <92>; 89, 1 <10>; stRspr). Je nachhaltiger ein Akt hoheitlicher Gewalt in die Grundrechtssphäre des Bürgers eingreift, desto weiter reichen jedoch die Überprüfungsbefugnisse des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 42, 143 <148 f.>; 83, 130 <145>; stRspr). Die einem belastenden Hoheitsakt zu Grunde gelegten Sachverhaltswürdigungen und darauf aufbauenden Abwägungen sind insbesondere eingehender verfassungsgerichtlicher Prüfung zugänglich, wenn der Hoheitsakt den betroffenen Bürger dauerhaft an der Ausübung von Grundrechten hindert, denen für seine persönliche Lebensgestaltung Bedeutung zukommt. So liegt es bei der Entziehung einer Fahrerlaubnis.
b) Bei der Überprüfung der Tragfähigkeit der im Ausgangsverfahren angestellten Einschätzungen über die fehlende Fahreignung des Beschwerdeführers wird der aktuelle Stand des Wissens über die Wirkungen des Konsums bestimmter Drogen sowie über die in Deutschland vorwiegend festzustellenden Drogenkonsummuster bedeutsam. Beide Themenbereiche bildeten in den vergangenen Jahren den Gegenstand eingehender wissenschaftlicher Forschung unter Verarbeitung praktischer Erfahrungen und darauf aufbauender Erörterung (vgl. aus jüngerer Zeit etwa Grotenhermen, Cannabis und Cannabinoide, 2001; Pompidou Group/Council of Europe Publishing, Road traffic and drugs, 2000; Krüger, Drogen im Straßenverkehr, 2000; Brandt, Explorative Auswertung von Drogenbefunden auf spezifische Wirkungen von Cannabis, Ecstasy und Cocain bei Verkehrs- und Kriminaldelikten, 2000; Kannheiser, Mögliche verkehrsrelevante Auswirkungen von gewohnheitsmäßigem Cannabiskonsum, NZV 2000, S. 57 ff.; Freitag/Hurrelmann, Illegale Alltagsdrogen, 1999; Kleiber/Soellner, Cannabiskonsum, 1998; Berghaus/Krüger, Cannabis im Straßenverkehr, 1998; Kleiber/Kovar, Auswirkungen des Cannabiskonsums, 1997). Dadurch ist in Deutschland das Wissen über die Gefahren des Cannabiskonsums deutlich vergrößert worden. Das bestätigen auch die vom Bundesverfassungsgericht im Jahre 2001 eingeholten Gutachten und fachlichen Stellungnahmen. Danach ist davon auszugehen, dass aus dem Konsum von Cannabis zwar erhebliche Gefahren für die Sicherheit des Straßenverkehrs hervorgehen können, dass aber je nach der Art und Intensität des Konsums zu unterscheiden ist, so dass weder ein pauschaler Gefährdungsausschluss noch eine pauschale Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Die Gefahren sind in früheren Jahren zum Teil überschätzt worden. Auf einer solchen Gefahrenüberschätzung beruhen die angegriffenen Entscheidungen.
aa) Unstreitig kann Cannabiskonsum die Fahreignung im Sinne von 15 b StVZO ausschließen. Hierbei spielt es keine Rolle, in welcher Verkehrsform (Haschisch, Marihuana, Haschisch-Öl) die in der Cannabispflanze enthaltenen Cannabinoide aufgenommen werden. Von unzureichender Kraftfahreignung in Folge drogenkonsumbedingter körperlich-geistiger Leistungsdefizite ist insbesondere auszugehen, wenn der Konsum von Drogen beim Betroffenen dazu geführt hat, dass seine Auffassungsgabe, seine Konzentrationsfähigkeit, sein Reaktionsvermögen oder seine Selbstkontrolle ständig unter dem für ein sicheres und verkehrsgerechtes Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr erforderlichen Maß liegen. Fahruntauglichkeit ist ferner anzunehmen, wenn der Betroffene grundsätzlich außer Stande ist, eine drogenkonsumbedingte zeitweilige Fahruntüchtigkeit rechtzeitig als solche zu erkennen oder trotz einer solchen Erkenntnis von der aktiven Teilnahme am Straßenverkehr abzusehen.
bb) Die vorliegenden Erkenntnisse ergeben, dass die Fahrtüchtigkeit einer Person im akuten Haschischrausch und während der Dauer einer mehrstündigen Abklingphase aufgehoben ist (vgl. etwa Kannheiser, NZV 2000, S. 57 <59>; Brandt, a.a.O., S. 121 ff.; Geschwinde, Rauschdrogen, 4. Aufl., 1998, Rn. 101; World Health Organization, Cannabis: a health perspective and research agenda, 1997, S. 15 f.; vgl. hierzu ferner BVerfGE 89, 69 <77 ff.>; 90, 145 <181>). Dies gilt jedenfalls dann, wenn relevante Mengen THC in den Körper des Konsumenten gelangen oder wenn der Konsum von Haschisch mit demjenigen anderer berauschender oder betäubender Mittel (insbesondere Alkohol und Medikamente) kombiniert wird (vgl. Krüger, Gutachten, a.a.O.). In Ausnahmefällen kann der Konsum von Cannabis auch eine dauerhafte fahreignungsrelevante Absenkung der körperlich-geistigen Leistungsfähigkeit des Konsumenten nach sich ziehen. Diese Fälle sind in der Regel dadurch gekennzeichnet, dass über einen längeren Zeitraum erheblicher Drogenmissbrauch geübt worden ist (vgl. etwa Grotenhermen, a.a.O., S. 259 <262 ff.>; Kleiber/Kovar, a.a.O., S. 241 ff.; Kleiber/Soellner, in: Berghaus/Krüger, a.a.O., S. 25 <33 ff.>; World Health Organization, a.a.O., S. 16 ff.; strenger im Hinblick auf gewohnheitsmäßigen Konsum, Kannheiser, NZV 2000, S. 57 <58 ff.>). Darüber hinaus wird der Eintritt chronischer Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit bei besonders gefährdeten Personengruppen - etwa bei Jugendlichen in der Entwicklungsphase oder bei Personen, die mit latent vorhandenen Psychosen belastet sind - als möglich angesehen (vgl. Geschwinde, a.a.O., Rd. 199 ff.; World Health Organization, a.a.O.). In den - zahlenmäßig überwiegenden - übrigen Fällen besteht nach heutiger Erkenntnis in aller Regel kein Anlass zu der Befürchtung, dass der Konsum von Haschisch bei den Betroffenen zu einer permanenten fahreignungsrelevanten Absenkung ihrer körperlich-geistigen Leistungsfähigkeit führt (vgl. etwa Berghaus, Gutachten, a.a.O.; Kleiber, in: Schneider/Buschkamp/Follmann, Cannabis - eine Pflanze mit vielen Facetten -, 2000, S. 11 <17>).
Nach aktuellem Erkenntnisstand ist es bei einmaligem oder gelegentlichem Haschischkonsum auch nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Betroffene außer Stande ist, eine drogenkonsumbedingte zeitweilige Fahruntüchtigkeit rechtzeitig als solche zu erkennen oder trotz einer solchen Erkenntnis von der aktiven Teilnahme am Straßenverkehr abzusehen. In der einschlägigen Fachliteratur wird zwar darauf hingewiesen, dass der Verlauf eines Haschischrauschs und die Dauer seines Abklingens von zahlreichen Faktoren bestimmt werden, weshalb sie vom Konsumenten im Vorhinein kaum zuverlässig abgeschätzt werden können. Es gibt allerdings keine hinreichend verlässlichen Anhaltspunkte dafür, dass der einmalige oder gelegentliche Cannabiskonsument im Regelfall drogenkonsumbedingt außerstande ist, die seine Fahrtüchtigkeit ausschließenden Wirkungen des Haschischkonsums als solche zu erkennen oder besserer Erkenntnis zuwider eine Teilnahme am Straßenverkehr zu unterlassen (vgl. Berghaus, Gutachten, a.a.O.).
Ein bei jedem, auch dem einmaligen oder gelegentlichen Haschischkonsumenten bestehender Eignungsmangel lässt sich auch nicht mit einem relevanten Risiko des späteren Eintritts unvorhersehbarer Echoräusche (Flashbacks) begründen, wie sie bei Konsumenten mancher "harter" Drogen verzeichnet werden können. Insofern bedarf die in der Literatur umstrittene Frage keiner Klärung, ob der Konsum von Haschisch überhaupt mit einem Flashbackrisiko verbunden ist. Denn selbst wenn dies der Fall sein sollte, so wäre das Risiko eines nicht vorhersehbaren plötzlichen Verlustes der Fahrtüchtigkeit als sehr gering einzuschätzen (vgl. etwa Krüger, Gutachten, a.a.O.; Geschwinde, a.a.O., Rd. 136; Kleiber/Kovar, a.a.O., S. 73 f. m.w.N.). Nach Mitteilung der hierzu um Stellungnahme gebetenen Bundesregierung und der Landesregierungen sowie sachkundiger Dritter sind bislang nur sehr wenige Fälle bekannt geworden, in denen Anlass zu der Annahme bestand, ein Unfall im Straßenverkehr oder eine Verkehrsgefährdung könnte möglicherweise auf den haschischkonsumbedingten Echorausch eines Verkehrsteilnehmers zurückgeführt werden; lediglich in einzelnen Fällen konnte die Möglichkeit eines Echorauschs nicht vollständig ausgeschlossen werden, der aber in keinem Fall nachweisbar war.
2. Die Abwägung der Schwere des durch die Fahrerlaubnisentziehung bewirkten Grundrechtseingriffs und des Gewichts sowie der Dringlichkeit der zu seiner Rechtfertigung benannten Gründe ergibt unter Berücksichtigung dieses allgemeinen Kenntnisstandes, dass der Beschwerdeführer in unverhältnismäßiger Weise in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit beschränkt worden ist.
a) Die Entziehung einer Fahrerlaubnis nach 4 StVG und 15 b Abs. 1 StVZO dient dem legitimen Zweck, den fahrungeeigneten Erlaubnisinhaber davon abzuhalten, aktiv mit einem Kraftfahrzeug am öffentlichen Straßenverkehr teilzunehmen. Dadurch sollen von ihm ausgehende Gefahren für die Sicherheit des Straßenverkehrs und damit verbundene Gefahren für Leben, Gesundheit und Eigentum anderer Bürger abgewendet werden.
Ein auch verfassungsrechtlich tragfähiger Anlass zur Entziehung einer Fahrerlaubnis besteht zum einen bei einem dauerhaften, generell die Fahreignung (und nicht lediglich situationsbedingt die Fahrtüchtigkeit) ausschließenden Eignungsmangel; der Gesetzgeber hat dem durch 4 StVG und 15 b Abs. 1 StVZO Rechnung getragen. In Betracht kommen hier die schon erwähnten körperlich-geistigen Mängel, also Defizite der körperlich-geistigen Leistungsfähigkeit oder Fehlfunktionen, die das Unvermögen des Betroffenen zur Folge haben, ein Kraftfahrzeug sicher und verkehrsgerecht im Straßenverkehr zu führen. Zum anderen können charakterlich-sittliche Mängel die Fahreignung ausschließen. Solche Mängel liegen vor, wenn der Betroffene bereit ist, das Interesse der Allgemeinheit an sicherer und verkehrsgerechter Fahrweise den jeweiligen eigenen Interessen unterzuordnen und hieraus resultierende Gefährdungen oder Beeinträchtigungen des Verkehrs in Kauf zu nehmen. Ausdruck eines Mangels dieser Art ist es, wenn ein Fahrerlaubnisinhaber ungeachtet einer im Einzelfall anzunehmenden oder jedenfalls nicht auszuschließenden drogenkonsumbedingten Fahruntüchtigkeit nicht bereit ist, vom Führen eines Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr abzusehen (unzureichende Trennungsbereitschaft).
b) Dem öffentlichen Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs steht das private Interesse eines Bürgers am Erwerb und Bestand einer Fahrerlaubnis gegenüber. Ihr Wegfall kann die persönliche Lebensführung und damit die Wahrnehmung grundrechtlicher Freiheiten des Erlaubnisinhabers und seiner Familie nachhaltig beeinflussen. Die Fahrerlaubnis hat für den Bürger nicht selten existenzsichernde Bedeutung (vgl. BVerwG, NJW 2002, S. 78 <79>). Ihre Entziehung kann insbesondere dazu führen, dass die Ausübung des Berufs eingeschränkt oder ganz aufgegeben werden muss.
c) Diese absehbaren Folgen einer Fahrerlaubnisentziehung muss der Betroffene hinnehmen, wenn hinreichender Anlass zu der Annahme besteht, dass aus seiner aktiven Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr eine Gefahr für dessen Sicherheit resultiert. Das Sicherheitsrisiko muss deutlich über demjenigen liegen, das allgemein mit der Zulassung von Personen zum Führen von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr verbunden ist.
Das Interesse der Allgemeinheit an der Sicherheit des Straßenverkehrs und der aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ableitbare Auftrag zum Schutz vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben (vgl. BVerfGE 46, 160 <164>) gebieten es, hohe Anforderungen an die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu stellen. Eine darauf bezogene präventive Kontrolle von Kraftfahrern, wie sie in 4 Abs. 1 StVG, 15 b Abs. 2 StVZO vorgesehen war, ist verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfGE 89, 69 <85>). Auch darf der Fortbestand der Voraussetzungen einer einmal erteilten Erlaubnis überprüft werden. Setzt die Überprüfung belastende, in Grundrechte eingreifende Maßnahmen voraus, ist bei der Prüfung ihrer Rechtmäßigkeit das Spannungsverhältnis zu berücksichtigen, das zwischen dem Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs einerseits und dem Interesse des Fahrerlaubnisinhabers andererseits besteht, von Gefahrerforschungseingriffen verschont zu bleiben, die mit erheblichen Belastungen für ihn verbunden sind (zu den Belastungen vgl. BVerwG, NJW 2002, S. 78 <79>).
Mit Blick auf dieses Spannungsverhältnis kann auf das Erfordernis eines hinreichenden Verdachts fehlender Fahreignung nicht schon allein deshalb verzichtet werden, weil es für die zuständigen Behörden schwer ist, verdachtsauslösende Momente zu entdecken, noch bevor es zu einem drogenkonsumbedingten Verkehrsunfall oder einer Verkehrsgefährdung gekommen ist. Vorangegangener Cannabiskonsum lässt sich am Verhalten des Konsumenten zwar regelhaft schwerer erkennen als Alkoholkonsum. Polizeibeamten ist es jedoch bei entsprechender Schulung in der Regel möglich, Anzeichen des Cannabiskonsums - etwa bei einer Fahrzeugkontrolle - anhand des Aussehens und Verhaltens des Konsumenten festzustellen und dies dann zum Anlass weiterer Aufklärungsmaßnahmen zu nehmen. Die entsprechenden Verdachtsmomente sind zwar andere als beim Alkoholkonsum und die Anforderungen an deren Feststellung dürfen auch unter Berücksichtigung der Schwierigkeit der Erkennbarkeit von Mängeln der Fahrtüchtigkeit und -eignung festgelegt werden. Ein gänzlicher Verzicht auf hinreichende Verdachtsindikatoren ist in einem Rechtsstaat jedenfalls bei einem für die persönliche Lebensführung gewichtigen Eingriff ausgeschlossen. Besteht ein hinreichender Verdacht und können mögliche Eignungsmängel nur unter aktiver Mitwirkung des Fahrerlaubnisinhabers aufgeklärt werden, ist es unbedenklich, diese Mitwirkung einzufordern und bei ihrer Verweigerung die dadurch bewirkte Vereitelung der abschließenden Aufklärung zum Nachteil des Betroffenen zu würdigen.
Die gesetzlichen Anforderungen an die Art und Intensität des Verdachts, der solche Folgen auslösen kann, müssen allgemein und ihre Rechtsanwendung muss im Einzelfall dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerecht werden. Die Beschränkungen sind nur angemessen, wenn die Behörde im Zuge der Ausübung der gesetzlichen Ermächtigung zur Fahreignungsüberprüfung hinreichend konkrete Verdachtsmomente feststellt, die einen Eignungsmangel als nahe liegend erscheinen lassen (vgl. BVerfGE 89, 69 <85 f.>). Es trägt dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Angemessenheit der eingreifenden Maßnahme im Verhältnis zum Anlass des Einschreitens Rechnung, wenn das Bundesverwaltungsgericht in seiner neueren Rechtsprechung davon ausgeht, dass der einmalige oder nur gelegentliche Cannabiskonsum ohne Bezug zum Straßenverkehr nicht als hinreichendes Verdachtselement zu bewerten ist (vgl. BVerwG, NJW 2002, S. 78 <80>).
d) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze durften der beim Beschwerdeführer einmalig festgestellte Haschischbesitz und die Weigerung der Teilnahme am Drogenscreening nicht als alleinige Grundlage der Entziehung der Fahrerlaubnis genommen werden.
Die Annahme der Verkehrsbehörde, dass die Feststellung des unerlaubten Besitzes einer kleinen Menge Haschisch als deutliches Indiz für beabsichtigten Eigenkonsum gewertet werden kann, stößt zwar auf keine Bedenken (vgl. Krüger, Gutachten, S. 23). Es fehlen jedoch Anhaltspunkte dafür, beim Beschwerdeführer aus der einmaligen Feststellung beabsichtigten Eigenkonsums einer kleinen Menge Haschisch auf das ständige Vorhandensein fahreignungsrelevanter körperlich-geistiger Leistungsdefizite zu schließen. Ebenso wenig wäre es tragfähig, aus dieser Feststellung den Schluss zu ziehen, dass der Beschwerdeführer entweder nicht in der Lage oder aber nicht Willens ist, zuverlässig zwischen dem Drogenkonsum und der aktiven Teilnahme am Straßenverkehr zu trennen. Ergänzende Anhaltspunkte etwa derart, dass der Beschwerdeführer unter Drogeneinfluss ein Kraftfahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr geführt oder über einen längeren Zeitraum erheblichen Haschischmissbrauch geübt hat oder einer der besonders gefährdeten Personengruppen angehört, sind von der Verkehrsbehörde nicht ermittelt worden.
Es gibt auch keine Anzeichen für den Konsum "harter" Drogen durch den Beschwerdeführer und darauf aufbauende Zweifel an der Fahreignung. Denn Feststellungen zum Umgang des Beschwerdeführers mit "harten" Drogen sind im Ausgangsverfahren nicht getroffen worden. Der bloße Verdacht auf Haschischkonsum rechtfertigt für sich allein aber nicht den Schluss auf bereits erfolgten oder absehbaren Konsum "harter Drogen" (vgl. hierzu bereits BVerfGE 90, 145 <180 f.>).
II.
Die angegriffene Fahrerlaubnisentziehungsverfügung der Stadt Freiburg i.Br., wie auch die diesen Bescheid im Widerspruchs- und nachfolgenden Verwaltungsstreitverfahren bestätigenden Behörden- und Gerichtsentscheidungen beruhen auf der festgestellten Grundrechtsverletzung. Die Entscheidungen sind daher aufzuheben ( 95 Abs. 2 BVerfGG). Da die angegriffenen Entscheidungen keinen Bestand haben, braucht der Frage nicht nachgegangen zu werden, ob mit ihnen auch gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verstoßen wurde, indem die behördliche Praxis beim bloßen Verdacht auf Haschischkonsum Ermittlungsmaßnahmen nach 15 b Abs. 2 StVZO ergreift, bei Verdacht auf Alkoholkonsum hingegen von solchen Maßnahmen regelmäßig absieht.
Mit Blick auf die noch zu treffende Kostenentscheidung ist das Verfahren an das Bundesverwaltungsgericht zurück zu verweisen ( 95 Abs. 2 BVerfGG).
Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf 34 a Abs. 2 BVerfGG, die Festsetzung des Werts des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf 113 Abs. 2 Satz 3 BRAGO in Verbindung mit den durch das Bundesverfassungsgericht hierzu entwickelten Grundsätzen (vgl. BVerfGE 79, 357 <361 ff.>; 79, 365 <366 ff.>).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unrechtmäßiger Entzug der Fahrerlaubnis nach verwe
THÜRINGER OBERVERWALTUNGSGERICHT
Az.: 2 EO 421/02
Beschluss vom 28.08.2002
Vorinstanz: VG Weimar - 2. Kammer - 2 E 701/02.We
In dem Verwaltungsstreitverfahren wegen Recht der Fahrerlaubnisse einschließlich Fahrerlaubnisprüfungen, hier: Beschwerde nach 80, 80a VwGO hat der 2. Senat des Thüringer Oberverwaltungsgerichts am 28. August 2002 b e s c h l o s s e n :
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Weimar vom 6. Juni 2002 - 2 E 701/02.We - abgeändert.
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 14. Mai 2002 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 6. Mai 2002 (Az. 32-04-4401 E 41/02) wird wieder hergestellt.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.000,00 EURO festgesetzt.
G r ü n d e
Der Antragsteller wendet sich gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts, mit dem sein Begehren abgelehnt wurde, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die mit der Anordnung des Sofortvollzugs versehene Entziehung seiner Fahrerlaubnis wieder herzustellen.
Der Antragsteller wurde am 23. Juni 2001 bei einem Musikfest in Würzburg von Polizeibeamten beobachtet, wie er zusammen mit anderen Personen eine Marihuana-Zigarette rauchte. Das daraufhin gegen ihn eingeleitete Strafverfahren wurde eingestellt.
Mit Schreiben vom 18. Juli 2001 forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller auf, ein amtsärztliches Gutachten in Form eines Drogenscreenings mit Haaranalyse über die Eignung zur Führung von Kraftfahrzeugen der Klasse A und C 1E bis zum 20. September 2001 vorzulegen. Das Gesundheitsamt der Antragsgegnerin konnte die Haaranalyse nicht durchführen, da die Haarlänge des Antragstellers hierfür nicht ausreichte. Die durchgeführte Kontrolle einer Urinprobe ergab ein negatives Ergebnis.
Mit Schreiben vom 26. Oktober 2001 forderte die Antragsgegnerin daraufhin den Antragsteller auf, eine Haaranalyse bis zum 28. März 2002 vorzulegen; bis dahin sei der Antragsteller im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht verpflichtet, sicherzustellen, dass eine Haarlänge von mindestens 4 bis 6 Zentimeter vorhanden sei. Der Antragsteller verwahrte sich hiergegen. Dies sei ein unangemessener Eingriff in seine Persönlichkeitsrechte. Darüber hinaus stehe einem längeren Haarwuchs entgegen, dass er wegen eines Kopfhautekzems behandelt würde. Er sei jedoch zu anderen Untersuchungen im Rahmen eines Drogenscreenings bereit.
Mit Bescheid vom 6. Mai 2002 entzog die Antragsgegnerin dem Antragsteller die Fahrerlaubnis aller in seinem Besitz befindlichen Klassen und ordnete den Sofortvollzug an. Die Ungeeignetheit des Antragstellers zur Führung von Kraftfahrzeugen sei anzunehmen, da er seiner Verpflichtung zur Klärung von Eignungsbedenken nicht nachgekommen sei.
Gegen diesen ihm am 10. Mai 2002 zugestellten Bescheid legte der Antragsteller am 17. Mai 2002 Widerspruch ein.
Gleichzeitig hat er bei dem Verwaltungsgericht Weimar das vorliegende vorläufige Rechtsschutzverfahren eingeleitet. Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen, dass der Entzug der Fahrerlaubnis rechtswidrig sei. Eine Verletzung von Mitwirkungspflichten und einer darauf gestützten Annahme der Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen könne nicht festgestellt werden. Bei dem Vorfall in Würzburg habe es sich um einen einmaligen Vorfall des bloßen Mitrauchens ohne jeden konkreten Bezug zum Straßenverkehr gehandelt. Die Anordnung der Vorlage des Gutachtens als einschneidende und belastende Maßnahme in seine Rechte sei vor diesem Hintergrund nicht gerechtfertigt gewesen. Weiterhin sei die Anordnung, sich die Haare auf eine Länge von 4 bis 6 Zentimetern wachsen zu lassen, grundrechtswidrig und unverhältnismäßig. Dem geforderten Haarwachstum stehe im Übrigen die Behandlung seiner Kopfhauterkrankung entgegen.
Der Antragsteller hat sinngemäß beantragt, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 6. Mai 2002 wieder herzustellen.
Die Antragsgegnerin hat beantragt, den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung hat sie im Wesentlichen die Gründe des angefochtenen Bescheides wiederholt.
Mit Beschluss vom 6. Juni 2002 - 2 E 701/02.We - hat das Verwaltungsgericht Weimar den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Die Fahruntauglichkeit habe festgestellt werden können, da der Antragsteller seiner Mitwirkungspflicht, nämlich der Vorlage eines Drogenscreenings, nicht nachgekommen sei. Eine solche Anordnung sei bei Konsum von Betäubungsmitteln, hierzu gehöre auch Cannabis, gerechtfertigt. Der Anordnung stehe nicht das allgemeine Persönlichkeitsrecht entgegen. Die Angaben des Antragstellers seien im Übrigen nicht glaubhaft. Ausweislich des Lichtbildes in seinem 1994 ausgestellten Führerschein habe er schulterlanges Haar getragen. Des Weiteren sei es ihm unbenommen, eine Schamhaaranalyse vornehmen zu lassen.
Am 26. Juni 2002 hat der Antragsteller gegen diesen ihm am 13. Juni 2002 zugestellten Beschluss beim Verwaltungsgericht Weimar Beschwerde erhoben und am 12. Juli 2002 gegenüber dem Oberverwaltungsgericht begründet. Er trägt vor, das Verwaltungsgericht habe die verfassungsrechtlichen Bedenken, die gegen die Anordnung eines ärztlichen Gutachtens in Fällen der vorliegenden Art bestehen, nicht genügend gewürdigt. Die Anordnung eines Drogenscreenings bei nur einmaligem Gebrauch von Cannabis sei unverhältnismäßig, wie dies auch die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts deutlich mache. Unverhältnismäßig sei insbesondere die Forderung, das Haar auf eine bestimmte Länge wachsen zu lassen. Das Bild im Führerschein datiere aus den Jahren vor 1994. Die Durchführung einer Schamhaaranalyse scheitere bereits daran, dass die Antragsgegnerin kein geeignetes Institut hierfür benennen könne.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß, den Beschluss des Verwaltungsgerichts Weimar vom 6. Juni 2002 - 2 E 701/02.We - abzuändern und die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 6. Mai 2002 wieder herzustellen.
Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie verteidigt im Wesentlichen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Die neue Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei zur alten Rechtslage ergangen und nicht ohne Weiteres übertragbar.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Beteiligten zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze Bezug genommen. Die Akte des Verwaltungsgerichts Weimar und ein Hefter Behördenakte liegen dem Gericht vor. Sie waren Gegenstand der Beratung.
Die Beschwerde ist zulässig (vgl. 147, 146 Abs. 4 VwGO).
Sie ist auch begründet. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts ist abzuändern und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid vom 6. Mai 2002 wiederherzustellen. Die Voraussetzungen für den Entzug der Fahrerlaubnis des Antragstellers liegen nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage nicht vor.
Gegenstand der Prüfung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts durch den Senat sind nach neuem Recht nur die vom Beschwerdeführer dargelegten Gründe (vgl. 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO n. F.). Der Antragsteller hat in Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts dargelegt, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis nicht mit seiner Weigerung, sich einer Haaranalyse zu unterziehen, begründet werden könne. Damit hat er nicht nur die tragenden Gründe des erstinstanzlichen Beschlusses, sondern auch des angefochtenen Verwaltungsaktes substantiiert angegriffen.
Sowohl Widerspruch als auch Anfechtungsklage haben regelmäßig aufschiebende Wirkung ( 80 Abs. 1 VwGO). Die Behörde kann jedoch ausnahmsweise die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs dadurch beseitigen, dass sie die sofortige Vollziehung einer Verfügung anordnet. Sie ist zu einer solchen Anordnung nur berechtigt, wenn die sofortige Vollziehung der Verfügung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten geboten erscheint ( 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO). Dies bedeutet, dass die Behörde vor Erlass der jeweiligen Anordnung die Interessen der Öffentlichkeit gegen die entgegenstehenden Interessen des Betroffenen abwägt und nicht nur formelhaft, sondern auf den konkreten Fall bezogen begründet ( 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO). Dies hat die Antragsgegnerin vorliegend im Schreiben vom 6. Mai 2002 getan. Sie hat nicht nur ein besonderes Vollzugsinteresse dargetan, sondern die öffentlichen Interessen auch mit dem privaten Interesse des Antragstellers, weiterhin von der Fahrerlaubnis Gebrauch machen zu können, abgewogen.
Eine ähnliche Interessenabwägung wie die Verwaltungsbehörde hat das Gericht anzustellen, wenn es im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung angerufen wird ( 80 Abs. 5 VwGO). Einem solchen (vorläufigen) Rechtsschutzantrag ist stattzugeben, wenn der Verwaltungsakt gegen den Widerspruch erhoben wurde, offensichtlich rechtswidrig ist. In einem solchen Fall kann regelmäßig kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung bestehen. Dagegen ist der Rechtsschutzantrag grundsätzlich abzulehnen, wenn der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig ist. Sind die Erfolgsaussichten dagegen offen, hat das Gericht eine eigenständige, sorgsame Abwägung aller in Streit stehender Interessen vorzunehmen und zu prüfen, welchem Interesse für die Dauer der Hauptsacheverfahren der Vorrang gebührt.
Die im Rahmen einer Entscheidung nach 80 Abs. 5 VwGO gebotene summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage führt hier zunächst - anders als das Verwaltungsgericht meint - zu der Feststellung, dass die angefochtene Entziehung der Fahrerlaubnis nicht offensichtlich rechtmäßig ist.
Die Antragsgegnerin wie auch das Verwaltungsgericht sind generell zu Recht davon ausgegangen, dass die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen, die die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtfertigt, dann angenommen werden kann, wenn sich der Betroffene weigert, sich untersuchen zu lassen oder er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt ( 3 Abs. 1 StVG, 46 Abs. 1; 11 Abs. 2 und 8; 14 Fahrerlaubnisverordnung - FeV -).
Dies setzt aber voraus, dass die Behörde eine entsprechende Anordnung zu Recht erlassen konnte. Die Voraussetzungen zur Einholung eines Gutachtens sind im vorliegenden Fall aber wohl nicht erfüllt. Grundsätzlich gilt, dass die Behörde die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens anordnen kann, wenn Tatsachen die Annahme begründen, dass die Einnahme von Betäubungsmitteln i. S. d. Betäubungsmittelgesetzes vorliegt ( 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV). Dazu gehört auch ein sog. Drogenscreening. Zwar hat der Antragsteller Marihuana - ein Cannabis-Produkt, das zu den Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes gehört - in Form des Rauchens einer Zigarette konsumiert. Es spricht aber viel dafür, dass die Anordnung eines ärztlichen Gutachtens mit den damit verbundenen grundrechtlichen Eingriffen in Fällen eines nur einmalig nachgewiesenen Konsums von Cannabis ohne Bezug zum Straßenverkehr den verfassungsrechtlichen Anforderungen wegen des Eingriffs in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht gerecht wird.
Hierzu hat das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 20. Juni 2002 - 1 BvR 2062/96 -, NJW 2002, 2378) unter umfassender Auswertung und Würdigung von aktuellen Stellungnahmen (Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen namens der Bundesregierung, mehrere Landesregierungen, Stadt Freiburg i.Br. sowie Bundesverwaltungsgericht und Bundesgerichtshof, ferner die Bundesanstalt für Straßenwesen, die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, der Deutsche Verkehrssicherheitsrat, die Deutsche Gesellschaft für Rechtsmedizin, die Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren, die Gesellschaft gegen Alkoholund Drogengefahren und der Fachverband Drogen und Rauschmittel als sachkundige Dritte) und Gutachten (Prof. Dr. B Institut für Rechtsmedizin der Universität Köln und Prof. Dr. K- Interdisziplinäres Zentrum für Verkehrswissenschaften an der Universität Würzburg -) zu den fahrerlaubnisrelevanten Auswirkungen des Cannabis-Konsums auf die Leistungsfähigkeit des Konsumenten im Ergebnis festgestellt:
" ... dass aus dem Konsum von Cannabis zwar erhebliche Gefahren für die Sicherheit des Straßenverkehrs hervorgehen können, dass aber je nach der Art und Intensität des Konsums zu unterscheiden ist, so dass weder ein pauschaler Gefährdungsausschluss noch eine pauschale Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Die Gefahren sind in früheren Jahren zum Teil überschätzt worden.
Nach aktuellem Erkenntnisstand ist es bei einmaligem oder gelegentlichem Haschischkonsum auch nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Betroffene außer Stande ist, eine drogenkonsumbedingte zeitweilige Fahruntüchtigkeit rechtzeitig als solche zu erkennen oder trotz einer solchen Erkenntnis von der aktiven Teilnahme am Straßenverkehr abzusehen. In der einschlägigen Fachliteratur wird zwar darauf hingewiesen, dass der Verlauf eines Haschischrauschs und die Dauer seines Abklingens von zahlreichen Faktoren bestimmt werden, weshalb sie vom Konsumenten im Vorhinein kaum zuverlässig abgeschätzt werden können. Es gibt allerdings keine hinreichend verlässlichen Anhaltspunkte dafür, dass der einmalige oder gelegentliche Cannabiskonsument im Regelfall drogenkonsumbedingt außerstande ist, die seine Fahrtüchtigkeit ausschließenden Wirkungen des Haschischkonsums als solche zu erkennen oder besserer Erkenntnis zuwider eine Teilnahme am Straßenverkehr zu unterlassen."
Aus diesen Erkenntnissen hat das Bundesverfassungsgericht für die Verhältnismäßigkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis und der dieser vorgelagerten Anordnung eines ärztlichen Gutachtens im Falle des einmaligen Konsums von Cannabis ohne Bezug zum Straßenverkehr gefolgert:
"b) Dem öffentlichen Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs steht das private Interesse eines Bürgers am Erwerb und Bestand einer Fahrerlaubnis gegenüber. Ihr Wegfall kann die persönliche Lebensführung und damit die Wahrnehmung grundrechtlicher Freiheiten des Erlaubnisinhabers und seiner Familie nachhaltig beeinflussen. Die Fahrerlaubnis hat für den Bürger nicht selten existenzsichernde Bedeutung (vgl. BVerwG, NJW 2002, S. 78 <79>). Ihre Entziehung kann insbesondere dazu führen, dass die Ausübung des Berufs eingeschränkt oder ganz aufgegeben werden muss.
c) Diese absehbaren Folgen einer Fahrerlaubnisentziehung muss der Betroffene hinnehmen, wenn hinreichender Anlass zu der Annahme besteht, dass aus seiner aktiven Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr eine Gefahr für dessen Sicherheit resultiert. Das Sicherheitsrisiko muss deutlich über demjenigen liegen, das allgemein mit der Zulassung von Personen zum Führen von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr verbunden ist.
Das Interesse der Allgemeinheit an der Sicherheit des Straßenverkehrs und der aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ableitbare Auftrag zum Schutz vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben (vgl. BVerfGE 46, 160 <164>) gebieten es, hohe Anforderungen an die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu stellen. Eine darauf bezogene präventive Kontrolle von Kraftfahrern, wie sie in 4 Abs. 1 StVG, 15b Abs. 2 StVZO vorgesehen war, ist verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfGE 89, 69 <85>). Auch darf der Fortbestand der Voraussetzungen einer einmal erteilten Erlaubnis überprüft werden. Setzt die Überprüfung belastende, in Grundrechte eingreifende Maßnahmen voraus, ist bei der Prüfung ihrer Rechtmäßigkeit das Spannungsverhältnis zu berücksichtigen, das zwischen dem Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs einerseits und dem Interesse des Fahrerlaubnisinhabers andererseits besteht, von Gefahrerforschungseingriffen verschont zu bleiben, die mit erheblichen Belastungen für ihn verbunden sind (zu den Belastungen vgl. BVerwG, NJW 2002, S. 78 <79>).
Mit Blick auf dieses Spannungsverhältnis kann auf das Erfordernis eines hinreichenden Verdachts fehlender Fahreignung nicht schon allein deshalb verzichtet werden, weil es für die zuständigen Behörden schwer ist, verdachtsauslösende Momente zu entdecken, noch bevor es zu einem drogenkonsumbedingten Verkehrsunfall oder einer Verkehrsgefährdung gekommen ist. Vorangegangener Cannabiskonsum lässt sich am Verhalten des Konsumenten zwar regelhaft schwerer erkennen als Alkoholkonsum. Polizeibeamten ist es jedoch bei entsprechender Schulung in der Regel möglich, Anzeichen des Cannabiskonsums - etwa bei einer Fahrzeugkontrolle - anhand des Aussehens und Verhaltens des Konsumenten festzustellen und dies dann zum Anlass weiterer Aufklärungsmaßnahmen zu nehmen. Die entsprechenden Verdachtsmomente sind zwar andere als beim Alkoholkonsum und die Anforderungen an deren Feststellung dürfen auch unter Berücksichtigung der Schwierigkeit der Erkennbarkeit von Mängeln der Fahrtüchtigkeit und -eignung festgelegt werden. Ein gänzlicher Verzicht auf hinreichende Verdachtsindikatoren ist in einem Rechtsstaat jedenfalls bei einem für die persönliche Lebensführung gewichtigen Eingriff ausgeschlossen. Besteht ein hinreichender Verdacht und können mögliche Eignungsmängel nur unter aktiver Mitwirkung des Fahrerlaubnisinhabers aufgeklärt werden, ist es unbedenklich, diese Mitwirkung einzufordern und bei ihrer Verweigerung die dadurch bewirkte Vereitelung der abschließenden Aufklärung zum Nachteil des Betroffenen zu würdigen.
Die gesetzlichen Anforderungen an die Art und Intensität des Verdachts, der solche Folgen auslösen kann, müssen allgemein und ihre Rechtsanwendung muss im Einzelfall dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerecht werden. Die Beschränkungen sind nur angemessen, wenn die Behörde im Zuge der Ausübung der gesetzlichen Ermächtigung zur Fahreignungsüberprüfung hinreichend konkrete Verdachtsmomente feststellt, die einen Eignungsmangel als nahe liegend erscheinen lassen (vgl. BVerfGE 89, 69 <85 f.>). Es trägt dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Angemessenheit der eingreifenden Maßnahme im Verhältnis zum Anlass des Einschreitens Rechnung, wenn das Bundesverwaltungsgericht in seiner neueren Rechtsprechung davon ausgeht, dass der einmalige oder nur gelegentliche Cannabiskonsum ohne Bezug zum Straßenverkehr nicht als hinreichendes Verdachtselement zu bewerten ist (vgl. BVerwG, NJW 2002, S. 78 <80>)."
Diese Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist zwar zu der vor dem Inkrafttreten der Fahrerlaubnisverordnung ergangenen Rechtslage ergangen ( 4 Abs. 1 StVG a. F., 15b Abs. 2 StVZO a. F.). Sie ist jedoch auch auf die hier dem Streit zugrunde liegende neue Rechtslage zu übertragen. Das Verfassungsgericht hat mit seinen Erwägungen gerade nicht an das nach der alten Rechtslage den Behörden eingeräumte Ermessen angeknüpft, sondern allgemeine verfassungsrechtliche Anforderungen aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit an Anordnungen der vorliegenden Art gestellt. Die Entziehung der Fahrerlaubnis und der dieser vorgelagerten Maßnahmen, wie die Anordnung eines medizinischen Gutachtens, muss verhältnismäßig zu dem Eingriff in die Grundrechtspositionen des Betroffenen, also dessen Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) und möglicherweise des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) sein. Diese Anforderung ist unabhängig davon zu stellen, ob der Eingriff auf einer Ermessensentscheidung der Behörde oder auf einer vom Verordnungsgeber getroffenen Entscheidung beruht.
Es bedarf im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens keiner abschließenden Klärung, ob diese verfassungsrechtlichen Bedenken, die gegen die Rechtmäßigkeit einer Anordnung des Drogenscreenings in den Fällen, in denen nur ein einmaliger oder nur gelegentlicher Cannabis-Konsum ohne Bezug zum Straßenverkehr vorliegt, sprechen, zu einer teilweisen Verfassungswidrigkeit des 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 FeV führen, oder ob diese Norm verfassungskonform ausgelegt werden kann.
Die verfassungsrechtlichen Bedenken greifen auch im vorliegenden Fall. Bei dem Antragsteller wurde nur ein einmaliger Cannabis-Konsum festgestellt; Anhaltspunkte für einen weitergehenden Cannabis-Konsum bestehen nicht, insbesondere fehlen einschlägige Ermittlungen. Ein Bezug zwischen dem Cannabis-Konsum und dem Straßenverkehr ist ebenfalls nicht festzustellen. Der Antragsteller hat Marihuana in keinem nachgewiesenen Zusammenhang mit dem Straßenverkehr konsumiert. Nach seinen unwiderlegten Angaben ist er zu dem Musikfestival, in dessen Zusammenhang der Cannabis-Konsum festgestellt wurde, mit der Bahn gereist.
Kann daher nicht ohne weiteres von der Rechtmäßigkeit der Anordnung eines Drogenscreenings und der darauf aufbauenden Rechtmäßigkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis ausgegangen werden, spricht dies bereits für den Erfolg des vorliegenden Rechtsschutzantrags nach 80 Abs. 5 VwGO. Dies entspricht auch dem Ergebnis einer allgemeinen Interessensabwägung. Zwar kann für den Entzug der Fahrerlaubnis grundsätzlich die ansonsten bestehenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit des Straßenverkehrs, insbesondere der Schutz von Leib und Leben unbeteiligter Dritter, streiten. Jedoch lassen sich solche Gefahren im vorliegenden Fall gerade nicht feststellen. Zwar ist der Drogenkonsum des Antragstellers nachgewiesen, es fehlen aber vor dem Hintergrund der vom Bundesverfassungsgericht ausgewerteten Stellungnahmen und Gutachten Anhaltspunkte dafür, aus der einmaligen Feststellung des Konsums einer kleinen Menge Marihuana auf das ständige Vorhandensein fahreignungsrelevanter körperlich-geistiger Leistungsdefizite zu schließen. Die Feststellung rechtfertigt auch nicht den Schluss, dass der Antragsteller entweder nicht in der Lage oder nicht willens ist, zuverlässig zwischen dem Drogenkonsum und der aktiven Teilnahme am Straßenverkehr zu trennen. Ergänzende Anhaltspunkte etwa derart, dass der Antragsteller unter Drogeneinfluss ein Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr geführt oder über einen längeren Zeitraum erheblichen Drogenmissbrauch geübt hat oder eine der besonders gefährdeten Personengruppen angehört, sind von der Antragsgegnerin nicht ermittelt worden. Es gibt auch keine Anzeichen für den Konsum "harter Drogen" durch den Antragsteller und darauf aufbauender Zweifel an der Fahreignung. Der bloße Verdacht auf Haschisch-Konsum rechtfertigt für sich allein nicht den Schluss auf bereits erfolgten oder absehbaren Konsum "harter Drogen" (vgl. hierzu BVerfG a. a. O.).
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus 154 Abs. 1 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf 20 Abs. 3 i. V. m. 14 Abs. 1, 13 Abs. 1 Satz 2 GKG. Auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts hierzu wird Bezug genommen.
Der Beschluss ist unanfechtbar ( 152 Abs. 1 VwGO, 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).