Aktuelles zum Thema Drogen und Führerschein
Trotz zweimaligem Konsum kein Führerscheinentzug
Keine Entziehung der Fahrerlaubnis nach zweimaliger Fahrt unter Cannabiseinfluss
1. Ein zweimaliges Führen eines Kraftfahrzeugs unter Cannabiseinfluss erlaubt es der Fahrerlaubnisbehörde in der Regel nicht, die Fahrerlaubnis ohne vorherige Anordnung einer medizinisch-psychologischen Begutachtung zu entziehen.
2. § 11 VII FeV, der es ausnahmsweise ermöglicht, die Fahrerlaubnis ohne medizinisch-psychologische Begutachtung zu entziehen, erfordert besondere Umstände des Einzelfalls, aus denen die Behörde die mangelnde Fahreignung des Betroffenen ohne Weiteres selbst feststellen kann. Solche Umstände ergeben sich nicht allein daraus, dass der Betroffene anderthalb bis zwei Jahre nach der Ersttat, einer medizinisch-psychologischen Begutachtung sowie Neuerteilung seiner Fahrerlaubnis erneut unter Cannabiseinfluss ein Kraftfahrzeug geführt hat.
3. Ein nach der Ersttat eingeholtes, bei der Entscheidung über eine erneute Fahrerlaubnisentziehung fast zwei Jahre altes medizinisch-psychologisches Gutachten kann – im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls – gegebenenfalls eine erneute medizinisch-psychologische Begutachtung erübrigen. Dies kann der Fall sein bei einem für ein Trennen von Konsum und Fahren von den Gutachtern zwingend für erforderlich erachteten Drogenverzicht, wenn keine Anhaltspunkte bestehen, dass das Gutachten wegen des Zeitablaufs oder aus anderen Gründen nicht mehr aussagekräftig und verwertbar ist.
OVG Münster, Beschluss vom 17.2.2020 – 16 B 885/19
Kein sofortiger Führerscheinentzug selbst bei zwei Canabis-Fahrten innerhalb von 2 Jahren
1. Ein zweimaliges Führen eines Kraftfahrzeugs unter Cannabiseinfluss erlaubt es der Fahrerlaubnisbehörde in der Regel nicht, die Fahrerlaubnis ohne vorherige Anordnung einer medizinisch-psychologischen Begutachtung zu entziehen.
2. § 11 Abs. 7 FeV, der es ausnahmsweise ermöglicht, die Fahrerlaubnis ohne medizinisch-psychologische Begutachtung zu entziehen, erfordert besondere Umstände des Einzelfalls, aus denen die Behörde die mangelnde Fahreignung des Betroffenen ohne Weiteres selbst feststellen kann. Solche Umstände ergeben sich nicht allein daraus, dass der Betroffene anderthalb bis zwei Jahre nach der Ersttat, einer medizinisch-psychologischen Begutachtung sowie Neuerteilung seiner Fahrerlaubnis erneut unter Cannabiseinfluss ein Kraftfahrzeug geführt hat.
3. Ein nach der Ersttat eingeholtes, bei der Entscheidung über eine erneute Fahrerlaubnisentziehung fast zwei Jahre altes medizinisch-psychologisches Gutachten kann - im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls - gegebenenfalls eine erneute medizinisch-psychologische Begutachtung erübrigen. Dies kann der Fall sein bei einem für ein Trennen von Konsum und Fahren von den Gutachtern zwingend für erforderlich erachteten Drogenverzicht, wenn keine Anhaltspunkte bestehen, dass das Gutachten wegen des Zeitablaufs oder aus anderen Gründen nicht mehr aussagekräftig und verwertbar ist. (Leitsätze des Gerichts)
OVG Lüneburg, Beschluss vom 17.02.2020
Führerscheinbehörde muss auch bei Canabiskonsum Ermessen ausüben
Führt ein gelegentlicher Cannabiskonsument unter dem Einfluss von Cannabis ein fahrerlaubnispflichtiges Fahrzeug und handelt es sich um den ersten Vorfall dieser Art, kann die Fahrerlaubnisbehörde wegen Zweifeln am Trennungsvermögen grundsätzlich die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Fahreignungsgutachtens verlangen.
Allerdings ist die Anordnung bei relativ geringen THC-Werten (hier: 3,6 ng/ml im Serum), welche einen Konsum kurz vor Fahrtantritt nicht sicher belegen, rechtswidrig, wenn die Behörde irrig davon ausgeht, die MPU-Anordnung sei zwingend, ohne das ihr durch § 14 I 3 FeV eingeräumte Ermessen auszuüben.
VG München, Beschluss vom 4.9.2018
Sofortiger Führerscheinentzug bei Mischkonsum von Alkohol und Cannabis
Bei einem gelegentlichen Konsumenten von Cannabis, der erstmals unter der Wirkung von Cannabis ein Kraftfahrzeug geführt hat, darf die Fahrerlaubnisbehörde in der Regel auch dann nicht ohne weitere Aufklärung unmittelbar die Fahrerlaubnis entziehen, wenn eine kombinierte Rauschwirkung mit Alkohol vorgelegen hat. Auch in einem solchen Fall haben die Fahrerlaubnisbehörden nach pflichtgemäßem Ermessen über die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Klärung der durch die Fahrt begründeten Zweifel an der Fahreignung zu entscheiden. Das kumulative Vorliegen des fehlenden Trennens mit einer weiteren Zusatztatsache im Sinne der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV führt in der Regel nicht aus sich heraus zur Anwendbarkeit von § 11 Abs. 7 FeV.
OVG Münster, Beschluss vom 14.11.2019 - 16 B 638/19
VGH München stellt neue Richlinien auf
Der VGH München (11. Senat) hat durch Beschluss vom 29.05.2020 (11 CS 19.2441) neue Richtlinien aufgestellt, die für die Frage des Führerscheinentzuges nach einem Drogenkonsum/ - Drogenbesitz und für die Frage der Anordnung eines amtsärztlichen Gutachtens bzw. einer MPU von wesentlicher Bedeutung sind.
1) Der VGH München hat in dem Beschluss festgestellt, dass ein vorgelegtes nachvollziehbares negatives Fahreignungsgutachten für die Entscheidung über die Fahrerlaubnisentziehung eine neue Tatsache mit selbständiger Bedeutung darstellt, für die sich aus der Fahrerlaubnis-Verordnung oder sonstigem innerstaatlichen Recht ein Verwertungsverbot nicht ableiten lässt; einem solchen stünde auch das Interesse der Allgemeinheit entgegen, vor Kraftfahrern geschützt zu werden, die sich aufgrund festgestellter Tatsachen als ungeeignet erwiesen haben (vgl. BayVGH BeckRS 2016, 50155 Rn. 24 mwN). Es ist auch nicht erkennbar, weshalb ein Fahreignungsgutachter einen ihm zeitlich nach der persönlichen Untersuchung bekannt gewordenen Sachverhalt bei Erstellung des Gutachtens nicht sollte berücksichtigen dürfen.
Hinweis: Der Rechtsanwalt des Betroffenen hatte ein negatives Gutachten zu den Akten gereicht. Ein eklatanter Fehler, der immer wieder vorkommt. Auch diese Entscheidung macht nochmal deutlich, wie vorsichtig man mit Angaben und Unterlagen gegenüber der Fahrerlaubnisbehörde sein muss!
2) Der VGH stellte zudem klar, "dass eine Behörde oder ein Gericht grundsätzlich von der Richtigkeit eines rechtskräftigen Strafurteils oder eines dem gleichstehenden rechtskräftigen Strafbefehls und der darin getroffenen Feststellungen ausgehen darf und nicht verpflichtet ist, das Strafverfahren gewissermaßen zu wiederholen, wenn der Betroffene geltend macht, zu Unrecht verurteilt worden zu sein. Etwas anderes gilt allenfalls in Sonderfällen, wenn etwa gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der fraglichen Feststellungen bestehen oder die Behörde ausnahmsweise in der Lage ist, den Vorfall besser als die Strafverfolgungsorgane aufzuklären (stRspr vgl. BVerwG BeckRS 2016, 43615 Rn. 20; BayVGH BeckRS 2019, 2227 Rn. 20 jeweils mwN)."
Hinweis: Das bedeutet für Betroffene, dass genauestens geprüft werden muss, welche Feststellungen in einem Strafverfahren im Urteil oder einem Strafbefehl getroffen werden. Wenn in einem Urteil/Strafbefehl zu unrecht der Konsum von Drogen festgestellt wird, darf die Behörde grundsätzlich auch von Konsum ausgehen, selbst wenn dies nicht zutreffend sein sollte.
3) "Dient die Vorlage eines Fahreignungsgutachtens der Klärung der Frage, ob der Fahrerlaubnisinhaber seine Fahreignung verloren hat, ist die Beibringungsfrist nach der Zeitspanne zu bemessen, die von einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung zur Erstattung des Gutachtens voraussichtlich benötigt wird. Den Eignungszweifeln ist in diesem Fall zur Abwendung möglicher erheblicher Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer so zeitnah wie möglich durch die gesetzlich vorgegebenen Aufklärungsmaßnahmen nachzugehen (vgl. BayVGH BeckRS 2019, 2227 Rn. 26 mwN). Steht das Fehlen der Fahreignung - insbesondere bei Mängeln nach Anlage 4 der FeV - zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde fest, darf diese auch nicht mehr zuwarten, sondern hat die Fahrerlaubnis zu entziehen."
Hinweis: Der Betroffene hat grundsätzlich keinen Anspruch auf eine bestimmte längere Frist, damit er z.B. eine Abstinenz nachweisen kann. Umso wichtiger ist es möglichst frühzeitig, den Betroffenen die notwendige Zeit zu verschaffen, damit die dann gesetzte meist zu kurze Frist der Fahrerlaubnisbehörde ausreicht!
Mischkonsum von Canabis und Alkohol= keine sofortige Entziehung
Eine aktuelle Entscheidung des OVG Münster (OVG Münster, Beschluss vom 14.11.2020) befasst sich mit der Frage, ob bei einem nachgewiesenen Mischkonsum die sofortige Entziehung der Fahrerlaubnis durch die Verwaltungsbehörde erfolgen darf.
Das OVG Münster führt dazu aus: Bei einem gelegentlichen Konsumenten von Cannabis, der erstmals unter der Wirkung von Cannabis ein Kraftfahrzeug geführt hat, darf die Fahrerlaubnisbehörde in der Regel auch dann nicht ohne weitere Aufklärung unmittelbar die Fahrerlaubnis entziehen, wenn eine kombinierte Rauschwirkung mit Alkohol vorgelegen hat. Auch in einem solchen Fall haben die Fahrerlaubnisbehörden nach pflichtgemäßem Ermessen über die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Klärung der durch die Fahrt begründeten Zweifel an der Fahreignung zu entscheiden. Das kumulative Vorliegen des fehlenden Trennens mit einer weiteren Zusatztatsache im Sinne der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV führt in der Regel nicht aus sich heraus zur Anwendbarkeit von § 11 Abs. 7 FeV.
Rechtsanwalt Dr. André Pott rät daher dazu, auch bei einem Mischkonsum von Cannabis und Alkohol eine sofortige Entziehung des Führerscheins nicht zu akzeptieren. Bei einem Mischkonsum werden den Betroffenen nicht selten der Führerschein mit sofortiger Wirkung entzogen.
Neues Grundsatzurteil bei Cannabisfahrten!
Bundesverwaltungsgericht entscheidet zugunsten von Gelegenheitskonsumenten von Cannabis! Sofortiger Entzug nach einmaligem oder gelegentlichem Konsum von Cannabis (THC) nicht mehr zulässig!
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat in einem richtungsweisenden Urteil die Rechte von Führerscheininhabern gestärkt, die gelegentlich Cannabis konsumiert haben und mit Cannabis (THC) im Straßenverkehr festgestellt worden sind.
Vor der neuen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wurde Führerscheininhabern, die einmalig oder gelegentlich Cannabis konsumiert haben und im Straßenverkehr mit 1 ng/ml oder mehr angehalten worden sind mit sofortiger Wirkung die Fahrerlaubnis entzogen.
Dies ist nach der neuen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nunmehr nicht mehr möglich. Ein sofortiger Entzug ist nicht erlaubt.
Allerdings betont das Bundesverwaltungsgericht, dass die Führerscheinbehörden berechtigt sind, auch bei einer einmaligen Auffälligkeit die Fahreignung zu überprüfen und z.B. die Vorlage einer MPU anzuordnen. In diesem Zusammenhang bleibt abzuwarten, welche Fristen für die Abgabe der MPU von den Fahrerlaubnisbehörden angesetzt werden. Werden nämlich zu kurze Fristen angesetzt, so kann der Führerscheininhaber in dem zu kurzen Zeitraum, z.B. weniger als 6 Monate, ggf. keine Abstinenz nachweisen. Dies würde in der Regel dazu führen, dass die MPU sowieso nicht bestanden werden könnte.
Führerscheininhaber, denen wegen des Konsums von Cannabis der Führerschein entzogen worden ist, sollten die Entziehung der Fahrerlaubnis oder die Anordnung der MPU in jedem Fall prüfen lassen. Denn mit dem neuen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts haben Betroffene hervorragende Argumente, um einen Entzug der Fahrerlaubnis zu verhindern.
Sprechen Sie uns gerne an!
P.S.: Die Kosten für eine Überprüfung übernimmt in der Regel Ihre Verkehrsrechtsschutzversicherung.
Das vollständige Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.04.2019 finden Sie hier: Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.04.2019: Kein sofortiger Entzug der Fahrerlaubnis nach Cannabiskonsum durch Führerscheinbehörde mehr zulässig!
Probleme mit dem Führerschein wegen Drogen = Fachanwalt Dr. Pott
Rechtsanwalt Dr. André Pott ist Partner der Kanzlei RPP Prof. Platena und Partner und Fachanwalt für Strafrecht und Verkehrsrecht.
Bereits seit über 15 Jahren hat sich Rechtsanwalt Dr. Pott auf strafrechtliche und verkehrsrechtliche Fälle spezialisiert. Als Fachanwalt für Verkehrsrecht hat Rechtsanwalt Dr. Pott in über 3000 Fällen Mandanten bundesweit geholfen, unter anderem weil sie unter Drogeneinfluss im Straßenverkehr ein Fahrzeug geführt haben bzw. mit Drogen aufgefallen sind.
Gerade bei den Themen Führerschein, Drogen und Straßenverkehr muss der Rechtsanwalt fundierte theoretische Kenntnisse haben. Noch viel wichtiger ist aber eine umfassende Erfahrung, damit erreicht werden kann, dass der Betroffene die Fahrerlaubnis entweder gar nicht erst verliert oder er schnellstmöglich wieder eine Fahrerlaubnis erhält. Dabei muss die besondere Bedeutung des Führerscheins für den Betroffenen berücksichtigt werden und es vor allem schnell gehandelt werden. Häufig laufen bereits Fristen der Fahrerlaubnisbehörde, der Polizei, der Bußgeldbehörde oder der Staatsanwaltschaft.
Bereits der Besitz von Drogen wie Cannabis, Amphetamin, Heroin, Kokain etc. kann zu führerscheinrechtlichen Konsequenzen führen.
Sie haben Fragen zu dem Thema Drogen im Straßenverkehr und Führerschein? Dann kontaktieren Sie uns gerne. Wir reagieren schnellstmöglich. Das Erstgespräch ist kostenlos.
Fachanwaltskanzlei RPP Prof. Platena und Partner
Rechtsanwalt Dr. André Pott
Telefon: 05231/ 308140
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Drogenfahrt: Fahruntüchtigkeit, BGH, Beschl. v. 2.8.2022 – 4 StR 231/22
Der Nachweis einer drogenbedingten Fahrunsicherheit i.S.v. § 316 StGB kann nicht
allein durch einen bestimmten Blutwirkstoffbefund geführt werden. Es bedarf weiterer
aussagekräftiger Beweisanzeichen, die im konkreten Einzelfall belegen, dass die
Gesamtleistungsfähigkeit des Kraftfahrzeugführers so weit herabgesetzt war, dass er
nicht mehr fähig gewesen ist, sein Fahrzeug im Straßenverkehr eine längere Strecke,
auch bei Eintritt schwieriger Verkehrslagen, sicher zu steuern. Will das Tatgericht in
einem grob fehlerhaften und risikoreichen Fahrverhalten des Angeklagten drogenbedingte
Fahrunsicherheit erblicken, muss eine diese Annahme tragende Beweiswürdigung
den Urteilsgründen zu entnehmen sein.
BGH, Beschl. v. 2.8.2022 – 4 StR 231/22
VGH München (11. Senat), Beschluss vom 25.06.2020 – 11 CS 20.791
VGH München (11. Senat), Beschluss vom 25.06.2020 – 11 CS 20.791
Vor dem Hintergrund des äußerst seltenen Falles, dass ein mit den Wirkungen der Droge noch völlig unerfahrener Erstkonsument bereits wenige Stunden nach dem Konsum ein Kraftfahrzeug führt und dann auch noch von der Polizei kontrolliert wird, ist im Rahmen der Beweiswürdigung die Annahme gerechtfertigt, dass ohne substantiierte und plausible Darlegung des Gegenteils nicht von einem einmaligen Konsum ausgegangen werden muss.
Ein einmaliger Verstoß gegen das Trennungsgebot ist eine ausreichende „Zusatztatsache“ für die Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens gemäß § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV zur Abklärung der Fahreignung.
Grundsätzlich muss, wenn die Behörde eine Rechtsgrundlage für die Beibringungsanordnung nennt, diese Angabe auch zutreffen. Allerdings gilt auch hier der Rechtsgedanke des Art. 42 Satz 1 BayVwVfG, dass die Behörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten in einem Verwaltungsakt jederzeit berichtigen kann.
Drogenfahrt: länger zurückliegender Cannabiskonsum
Drogenfahrt nach länger zurückliegendem Cannabiskonsum
Strafbarkeit nach 24a StVG auch bei fehlendem zeitlichen Zusammenhang zwischen Konsum und Fahrt
Der BGH (Beschluss vom 14.2.2017 4 StR 422/15) hat ausgeführt, dass "der Tatrichter auch in Fällen, in denen die Fahrt mit dem Kraftfahrzeug nicht im zeitlichen Zusammenhang mit einem vorangegangenen Cannabiskonsum erfolgt, aus Rechtsgründen nicht gehindert ist, beim Fehlen gegenläufiger Beweisanzeichen aus der Feststellung einer den analytischen Grenzwert erreichenden THC-Konzentration im Blut auf ein objektiv und subjektiv sorgfaltswidriges Verhalten im Sinne des 24a StVG zu schließen."
Der Entscheidung lag folgender Fall zugrunde:
Das Amtsgericht hatte den Betroffenen wegen fahrlässigen Fahrens unter Einwirkung berauschender Mittel zu der Geldbuße von 500 Euro verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Nach den amtsgerichtlichen Feststellungen befuhr der Betroffene am 20.2.2014 mit einem Pkw eine Straße in L., wobei er eine Konzentration des Wirkstoffs Tetrahydrocannabinol (THC) von 1,5 ng/ml im Blut aufwies und infolgedessen unter der Wirkung von Cannabis stand. Zur subjektiven Tatseite ist das Gericht, ohne sich auf weitere Beweisanzeichen zu stützen, allein aufgrund der festgestellten THC-Konzentration im Blut davon ausgegangen, dass der sich zum Tatvorwurf nicht äußernde Betroffene hinsichtlich der Cannabiswirkung zum Zeitpunkt der Fahrt fahrlässig handelte.
Gegen das amtsgerichtliche Urteil hat der Betroffene Rechtsbeschwerde eingelegt, mit der er die Rüge der Verletzung materiellen Rechts erhob und unter anderem geltend machte, die Annahme fahrlässigen Handelns durch das AG sei nicht tragfähig begründet.
Der BGH stellte hierzu folgende Grundsätze auf:
1) Ein Kraftfahrer ist nach vorangegangenem bewussten Konsum von Cannabis verpflichtet, vor Antritt der Fahrt durch gehörige Selbstprüfung soweit erforderlich nach Einholung fachkundigen Rats und notfalls, sofern eine eindeutige Beurteilungsgrundlage nicht zu erlangen ist, durch Abstandnahme von der Fahrt sicherzustellen, dass er nicht unter der Wirkung einer den analytischen Grenzwert zumindest erreichenden THC-Konzentration im Blut ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr führt. Der Tatrichter ist aus Rechtsgründen nicht gehindert, beim Fehlen gegenläufiger Beweisanzeichen allein aus der Feststellung einer entsprechenden THC-Konzentration im Blut auf ein objektiv und subjektiv sorgfaltswidriges Verhalten 24a StVG zu schließen.
2) Nach 24a StVG handelt ordnungswidrig, wer unter der Wirkung von Cannabis im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt, wobei eine solche Wirkung vorliegt, wenn im Blut des Fahrers eine mindestens den analytischen Grenzwert erreichende Konzentration des Wirkstoffs Tetrahydrocannabinol nachgewiesen wird. Der Fahrlässigkeitsvorwurf bezieht sich auf die Wirkung des Cannabis im Zeitpunkt der Fahrt. Hierfür ist nicht erforderlich, dass der Betroffene spürbare Auswirkungen des konsumierten Cannabis wahrnehmen kann oder zu einer näheren physiologischen oder biochemischen Einordnung der Wirkungen von Cannabis in der Lage ist (vgl. König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl., 24 a StVG Rn. 25 b mwN). Es reicht vielmehr aus, dass der Betroffene bei der ihm möglichen Beachtung der gebotenen Sorgfalt zu der Erkenntnis gelangen kann, unter der Wirkung einer zumindest den analytischen Grenzwert erreichenden THC-Konzentration im Blut zu stehen.
3) Nach den gesetzlichen Regelungen hat der Führer eines Kraftfahrzeugs vor Antritt der Fahrt für seine körperliche und geistige Leistungsfähigkeit umfassend Sorge zu tragen. Er muss sich, bevor er ein Kraftfahrzeug führt, stets durch sorgfältige kritische Selbstbeobachtung vergewissern, ob er nach seinen körperlichen und geistigen Fähigkeiten überhaupt in der Lage ist, den Erfordernissen des Straßenverkehrs zu genügen.
4) Ein Kraftfahrer, der weiß, dass er Cannabis konsumiert hat und dem die näheren Umstände seines Konsums bekannt sind, hat Anlass, sich vor Fahrtantritt mit der Möglichkeit einer fortdauernden Cannabiswirkung auseinanderzusetzen. Er ist daher verpflichtet, durch gehörige Selbstprüfung und gegebenenfalls durch Einholung fachkundigen Rats sicherzustellen, dass er nicht unter der Wirkung einer den analytischen Grenzwert mindestens erreichenden THC-Konzentration im Blut ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr führt. Kann er etwa wegen der von den individuellen Konsumgewohnheiten abhängenden Unwägbarkeiten beim Abbau von THC diesbezüglich keine Gewissheit erlangen, ist er gehalten, von der Fahrt Abstand zu nehmen.
Bahnbrechendes Urteil des VGH München!
Der VGH München verbietet Führerscheinbehörde den sofortigen Entzug der Fahrerlaubnis!
Die Fahrerlaubnisbehörde darf selbst bei einem festgestellten gelegentlichen Konsum und einer einmaligen Fahrt unter Drogeneinfluss nicht sofort die Fahrerlaubnis entziehen. Vielmehr ist die Fahrerlaubnisbehörde gehalten zuvor mildere Maßnahmen zu ergreifen! Das Urteil ist bemerkenswert, da selbst in Bayern nunmehr eine echte Chance besteht, Behörden von einer sofortigen Entziehung der Fahrerlaubnisbehörde abzuhalten!
Der Sachverhalt:
Der 1994 geborene Betroffene wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen A1, AM, B und L.
Am 28. April 2014 gegen 18.00 Uhr stellte die Polizei bei einer Verkehrskontrolle fest, dass der Kläger, der das Kraftfahrzeug führte, 1,7 Gramm Marihuana bei sich trug. Er gab an, er habe ca. 45 Minuten zuvor mit zwei Freunden einen kleinen Joint geraucht. Das Institut für Rechtsmedizin im Universitätsklinikum Ulm stellte mit Gutachten vom 9. Mai 2014 in der entnommenen Blutprobe 3,7 ng/ml Tetrahydrocannabinol (THC), 55,2 ng/ml THC-Carbonsäure (TCH-COOH) und 1,9 ng/ml 11-Hydroxy-THC (11-OH-THC) fest.
Die typischen Rechtsfolgen:
Bußgeldbescheid über 500 € und 1 Monat Fahrverbot
Mit Bußgeldbescheid vom 23. Mai 2014, rechtskräftig seit 11. Juni 2014, verhängte die Zentrale Bußgeldstelle im Bayerischen Polizeiverwaltungsamt gegen den Betroffenen wegen einer fahrlässig begangenen Ordnungswidrigkeit nach 24a Abs. 2 und 3 StVG eine Geldbuße von 500 € und ein Fahrverbot von einem Monat.
Straftat wird ggf. eingestellt
Von der Verfolgung des Vergehens nach 29 des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) sah die Staatsanwaltschaft nach 45 Abs. 2 des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) ab.
Endgültiger und sofortiger Entzug der Fahrerlaubnis/ des Führerscheins
Nach Anhörung entzog die Führerscheinbehörde dem Kläger die Fahrerlaubnis aller Klassen und ordnete die Vorlage des Führerscheins innerhalb einer Woche nach Zustellung des Bescheids an. Zur Begründung führte das Landratsamt aus, der Kläger sei nach 11 Abs. 7 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, da er gemäß Nr. 9.2.1 und 9.2.2 der Anlage 4 nicht in der Lage sei, den Konsum von Cannabis vom Führen eines Kraftfahrzeugs zu trennen. Am 5. Dezember 2014 gab der Kläger seinen Führerschein ab.
Die Argumentation des VGH München:
Die Berufung des Klägers ist begründet. Der Bescheid vom 4. Dezember 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 18. März 2015 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten ( 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger ist zwar gelegentlicher Cannabiskonsument und hat den Konsum von Cannabis einmal nicht vom Führen eines Kraftfahrzeugs getrennt. Damit steht aber nicht fest, dass er ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist.
Gelegentlicher Konsum von Cannabis liegt vor, wenn der Betroffene in zwei oder mehr selbstständigen Konsumvorgängen Cannabis zu sich genommen hat und diese Konsumvorgänge einen gewissen, auch zeitlichen Zusammenhang aufweisen. Der Kläger hat zugestanden, dass er in zeitlichem Zusammenhang zu der Fahrt unter Cannabiseinfluss ein weiteres Mal Cannabis eingenommen hatte.
Der Kläger hat auch einmal gegen das Trennungsgebot der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 verstoßen.
Aber: Es steht damit jedoch nicht i.S.d. 11 Abs. 7 FeV fest, dass der Kläger ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist. Das Landratsamt war nicht berechtigt, dem Kläger nach 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, 46 Abs. 1 Satz 1 FeV ohne weitere Aufklärungsmaßnahmen die Fahrerlaubnis zu entziehen. Es hätte zuerst von den Aufklärungsmöglichkeiten des nach 46 Abs. 3 FeV im Entziehungsverfahren entsprechend anzuwendenden 14 FeV Gebrauch machen und im Ermessenswege darüber entscheiden müssen, ob es nach 14 Abs. 1 Satz 3 FeV eine medizinisch-psychologische Untersuchung anordnet.
Folglich war die Anordnung der sofortigen Entziehung der Fahrerlaubnis aufzuheben! Dies hat der VGH München dann auch getan. Der Betroffene hat seine Fahrerlaubnis zurückerhalten!
Bundesverwaltungsgericht bestätigt das Urteil des VGH München!