Urteile zu Drogen im Verkehr
Fahrerlaubnisentziehung nach Cannabiskonsum
OVG NRW
Az: 16 B 237/12
Beschluss vom 19.03.2012
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Minden vom 18. Januar 2012 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 Euro festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde, über die im Einverständnis der Beteiligten der Berichterstatter entscheidet ( 125 Abs. 1 in Verbindung mit 87a Abs. 2 und 3 VwGO), hat keinen Erfolg. Die gemäß 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die dargelegten Gründe beschränkte Überprüfung führt zu keinem für den Antragsteller günstigeren Ergebnis.
Der Einwand des Antragstellers, die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei unzureichend begründet, greift nicht durch. Das formale Begründungserfordernis nach 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO bezweckt zum einen die Unterrichtung des Bescheidadressaten sowie gegebenenfalls des Verwaltungsgerichts über die maßgeblichen Gründe für den Sofortvollzug und dient zum anderen der Selbstvergewisserung der anordnenden Behörde darüber, dass die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs die Regel, der Sofortvollzug hingegen die Ausnahme ist. Die Begründung muss dementsprechend erkennen lassen, dass und warum die Behörde in dem konkreten Einzelfall dem öffentlichen Vollziehbarkeitsinteresse Vorrang vor dem Aufschubinteresse des Betroffenen einräumt. Diesen Ansprüchen genügen die Ausführungen in dem Bescheid vom 22. November 2012. Die hohe Bedeutung der Sicherheit des Straßenverkehrs und das erhebliche Gefährdungspotential drogenkonsumierender Verkehrsteilnehmer rechtfertigen in aller Regel nicht allein den Erlass gefahrenabwehrender Ordnungsverfügungen, sondern auch die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit. Denn die für den Sachbereich des Fahrerlaubnisrechts spezifischen Gefahren liegen nicht in unbestimmter Zukunft, sondern können sich jederzeit realisieren. Daraus folgt, dass sich die Begründung für die Ordnungsverfügung selbst und diejenige für den Sofortvollzug typischerweise weitgehend decken. Eine gewisse Redundanz und Formelhaftigkeit der Begründung ist unter diesen Umständen unvermeidlich und erlaubt nicht den Schluss, die Fahrerlaubnisbehörde habe nicht einzelfallbezogen die für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Umstände abgewogen. Auch der Zeitabstand zwischen der Anhörung des Antragstellers zu der beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis und dem Erlass der angefochtenen Ordnungsverfügung ist mit rund zweieinhalb Monaten nicht so groß, dass allein deswegen die Dringlichkeit der Vollziehung in Frage stünde bzw. zusätzlich zu begründen wäre.
Das Verwaltungsgericht ist auch zutreffend davon ausgegangen, dass die Ordnungsverfügung des Antragsgegners offensichtlich rechtmäßig ist bzw. die dagegen erhobene Klage offensichtlich ohne Erfolg bleiben wird. Eine cannabisbedingte Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen liegt nach 2 Abs. 4 StVG sowie 46 Abs. 1 FeV in Verbindung mit Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV unter anderem vor, wenn bei gelegentlichem Cannabiskonsum nicht zwischen dem Konsum und der Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr getrennt wird. Soweit der Antragsteller einen gelegentlichen - also nicht nur einmaligen - Cannabiskonsum ausdrücklich bestreitet, muss dem im Beschwerdeverfahren nicht mehr nachgegangen werden, nachdem das Verwaltungsgericht eingehend dargelegt hat, warum von einem gelegentlichen Cannabiskonsum des Antragstellers auszugehen ist, und der Antragsteller über das bloße Bestreiten hinaus nichts vorträgt, was die Annahme des Verwaltungsgerichts erschüttern könnte. Dem Antragsteller fehlt auch die Bereitschaft oder Fähigkeit, zwischen dem Konsum von Cannabis und dem Führen von Kraftfahrzeugen zu trennen. Der Senat bejaht im Einklang mit der fast einhelligen Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung ein solches Trennungsdefizit bereits dann, wenn mit einem Wert von 1 ng/ml THC im Blutserum ein Kraftfahrzeug geführt worden ist, ohne dass darüber hinaus noch spezifische Auffälligkeiten festgestellt werden müssten.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 4. Januar 2012 - 16 A 2075/11 -; ebenso Hamb. OVG, Beschluss vom 15. Dezember 2005 - 3 Bs 214/05 -, juris, Rn. 20 (= NJW 2006, 1367); VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 27. März 2006 - 10 S 2519/05 -, juris, Rn. 7 (= NJW 2006, 2135 = NZV 2007, 55); OVG Schl.-H., Urteil vom 17. Februar 2009 - 4 LB 61/08 -, juris, Rn. 35 f.; OVG Berlin-Bbg., Beschluss vom 16. Juni 2009 - 1 S 17.09 -, juris, Rn. 6 (= NZV 2010, 531 = Blutalkohol 46 Ä2009Ü, 356); Dauer, a. a. O.
Hinsichtlich der vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof vertretenen Auffassung kann schon zweifelhaft sein, ob der dort zugrunde gelegte Grenzwert von 2,0 ng/ml THC wie nach der vorherrschenden Auffassung auf das Blutserum oder aber auf das sog. Vollblut bezogen ist; in den veröffentlichten Entscheidungen ist jedenfalls durchgängig vom THC-Wert "im Blut" die Rede.
Vgl. Bay. VGH, Beschlüsse vom 11. November 2004 - 11 CS 04.2348 -, juris, Rn. 16 bis 19 (= Blutalkohol 43 Ä2006Ü, 414), und vom 25. Januar 2006 - 11 CS 05.1711 -, juris, Rn. 17 ff. (= DAR 2006, 407 = VRS 110 Ä2006Ü, 310).
Ausschlaggebend für die Auffassung des Senats ist, dass nach dem Beschluss der sog. Grenzwertkommission vom 20. November 2002 - aktualisiert durch Beschluss vom 22. Mai 2007, Blutalkohol 44 (2007), 311 - der Grenzwert für die Annahme einer Ordnungswidrigkeit nach 24a Abs. 2 StVG für THC bei 1 ng/ml Serum liegen soll. Eine solche Konzentration kann - einschließlich eines entsprechenden Sicherheitszuschlags - sicher nachgewiesen und quantitativ präzise bestimmt werden. Insbesondere erscheint bei Erreichen einer derartigen Konzentration eine Einschränkung der Fahrtauglichkeit möglich.
Vgl. unter Bezugnahme auf wissenschaftliche Stellungnahmen BVerfG, Kammerbeschluss vom 21. Dezember 2004 - 1 BvR 2652/03 -, juris, Rn. 9 und 29 f. (= NJW 2005, 349 = DAR 2005, 70 = NZV 2005, 270 = Blutalkohol 42 Ä2005Ü, 156).
Nimmt ein Fahrerlaubnisinhaber trotz eines nicht lange zurückliegenden Cannabiskonsums und einer deshalb jedenfalls möglichen cannabisbedingten Fahrungeeignetheit am Straßenverkehr teil, ist das als ein hinreichend aussagekräftiger Beleg dafür zu werten, dass ihm das zu fordernde Trennungsvermögen fehlt. Darüber hinaus hat das Verwaltungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass nach einer neueren Veröffentlichung konkrete Straßenverkehrsgefährdungen und Unfälle nach Cannabiskonsum bei einer THC- Konzentration zwischen 1,0 und 2,0 ng/ml Serum nicht seltener als bei deutlich höheren Werten dieses Cannabiswirkstoffs auftreten, dass also bei Konzentrationen ab 1,0 ng/ml im Serum sogar mehr als bloß die Möglichkeit der Fahruntüchtigkeit besteht.
Vgl. Drasch/von Meyer/Roider/Staack/Paul/ Eisenmenger, Blutalkohol 43 (2006), 441.
Wenn der Antragsteller darin eine Ungleichbehandlung von Cannabiskonsumenten im Vergleich zu Alkoholkonsumenten sieht, ist diese im Ausgangspunkt durch die einschlägigen Rechtsvorschriften vorgegeben. Diese sehen bezogen auf einen Missbrauch von Alkohol vor, dass Zweifel an der Fahreignung erst nach wiederholten Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss ( 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV) oder aber nach einem besonders massiven Verstoß, nämlich dem Führen eines Fahrzeugs im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr oder einer Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l oder mehr ( 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV), bestehen; im Falle des gelegentlichen Cannabiskonsums führt demgegenüber bereits der einmalige nachgewiesene Verstoß gegen das nicht näher umschriebene und daher keine besondere Schwere des Verstoßes voraussetzende Trennungserfordernis zum Wegfall der Fahreignung. Diese Entscheidung des Normgebers beruht im Wesentlichen darauf, dass beim Cannabiskonsum anders als bei der Aufnahme von Alkohol in aller Regel weder Klarheit über die aufgenommene Menge des Wirkstoffes THC besteht noch der Rauschverlauf bzw. dessen Abklingen hinreichend sicher abgeschätzt werden können. Dass rechtspolitisch auch andere Lösungen - insbesondere eine strengere normative Reaktion auf Alkohol am Steuer - diskutabel sind, ändert nichts an der auch unter Anlegung verfassungsrechtlicher Maßstäbe anzunehmenden Angemessenheit der fahrerlaubnisrechtlichen Sanktionierung des Konsums der - illegalen - Droge Cannabis.
Schließlich kann der Rechtsprechung des Senats nicht entnommen werden, dass bei einem THC-Wert von 1,0 bis 2,0 ng/ml im Serum zusätzlich Ausfallerscheinungen oder "Auffälligkeiten" des betreffenden Verkehrsteilnehmers festgestellt werden müssen. Vielmehr hat der Senat lediglich in der Zeit vor der Festlegung auf den Grenzwert von 1,0 ng/ml angenommen, dass ein Verstoß gegen das Trennungsgebot im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV jedenfalls dann vorliegt, wenn zugleich Ausfallerscheinungen oder Auffälligkeiten hervortreten.
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 9. Juli 2007 - 16 B 907/07 -, juris, Rn. 3 bis 15 (= NJW 2007, 3085 = VRS 113 Ä2007Ü, 147 = Blutalkohol 44 Ä2007Ü, 336 = NZV 2007, 591), und vom 3. November 2009 - 16 B 1301/09 -.
Daraus kann aber nicht gefolgert werden, dass nur im Fall des Zusammentreffens einer THC-Konzentration im Zwischenbereich von 1,0 und 2,0 ng/ml THC im Serum und von Ausfallerscheinungen bzw. Auffälligkeiten von unzureichender Trennung ausgegangen werden darf.
Soweit der Antragsteller die Verhältnismäßigkeit der Fahrerlaubnisentziehung in Frage stellt, ist wiederum darauf hinzuweisen, dass seine aktuelle Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen nach Maßgabe der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV feststeht und dies in der Regel ohne weiteres zur Entziehung der Fahrerlaubnis führt ( 3 Abs. 1 Satz 1 StVG bzw. 46 Abs. 1 Satz 1 FeV). Ein Abweichen kann allenfalls in besonders gelagerten Einzelfällen gerechtfertigt sein, in denen trotz des Vorliegens der Voraussetzungen der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV ausnahmsweise Zweifel am Fehlen der Fahreignung erlaubt sind (vgl. Vorbemerkung 3 der Anlage 4 zur FeV); weder für einen derartigen Sonderfall noch für sonstige außergewöhnliche Umstände ist etwas dargelegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf den 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 2 sowie 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar ( 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Zur Frage des Verschuldens bei einer Fahrt nach Ca
Kammergericht Berlin
Beschluss vom 04.01.2010
Az: 2 Ss 363/09 - 3 Ws (B) 667/09
In der Bußgeldsache wegen Verkehrsordnungswidrigkeit hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Kammergerichts in Berlin am 4. Januar 2010 beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Amtsanwaltschaft Berlin gegen das Urteil des Amtsgericht Tiergarten in Berlin vom 24. August 2009 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens und die dem Betroffenen insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Landeskasse Berlin.
G r ü n d e :
1. Der Polizeipräsident in Berlin hat gegen den Betroffenen durch Bußgeldbescheid vom 23. April 2008 wegen Führens eines Kraftfahrzeuges unter der Wirkung berauschender Mittel (Cannabis, 1,5 ng/ml Tetrahydrocannabinol) eine Geldbuße von 500,00 Euro festgesetzt, ein Fahrverbot von drei Monaten angeordnet und nach 25 Abs. 2a Satz 1 StVG eine Bestimmung über dessen Wirksamwerden getroffen. Auf den Einspruch des Betroffenen hin hat das Amtsgericht Tiergarten in Berlin den Betroffenen mit Urteil vom 24. August 2009 freigesprochen. Hiergegen wendet sich die Amtsanwaltschaft mit ihrer von der Generalstaatsanwaltschaft Berlin vertretenen Rechtsbeschwerde und rügt die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
2. Nach dem vom Amtsgericht rechtsfehlerfrei festgestellten objektiven Sachverhalt hat der Betroffene am 20. Januar 2009 um 12.15 Uhr mit seinem Pkw die Arnulfstraße in 12105 Berlin befahren, obwohl er unter der Wirkung von Cannabis stand. Die ihm am Tattag um 14:05 Uhr entnommene Blutprobe habe 1,5 ng/ml THC enthalten. Am Vorabend habe der Betroffene an einer Feier teilgenommen, bei welcher er Alkohol zu sich genommen habe. Am Morgen des Tattages habe er eine Tablette Grippostad eingenommen und sei zudem sehr müde gewesen. Auf der Grundlage dieser Tatsachenfeststellungen hat das Amtsgericht den objektiven Tatbestand von 24a Abs. 2 StVG i.V.m. der Anlage zu 24a StVG zutreffend als erfüllt angesehen. Denn der Betroffene stand danach zum Tatzeitpunkt "unter der Wirkung" eines berauschenden Mittels, weil der analytische Grenzwert von 1 ng/ml im Blutserum (vgl. BVerfG NJW 2005, 349) erreicht worden ist.
3. Das Vorliegen des subjektiven Tatbestandes hat das Amtsgericht hingegen verneint, da sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme keine Fahrlässigkeit in Bezug darauf habe nachweisen lassen, dass der Betroffene zur Tatzeit noch unter dem Einfluss von Cannabis gestanden habe. Hiergegen wendet sich die Amtsanwaltschaft mit ihrer Rechtsbeschwerde und vertritt die Auffassung, dass nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme von einem fahrlässigen Handeln des Betroffenen auszugehen sei. Indes erweist sich die Schlussfolgerung des Amtsgerichts im Ergebnis als zutreffend.
a) Das Amtsgericht hat insoweit ausgeführt, der Betroffene habe sich dahingehend eingelassen, dass er zum Tatzeitpunkt sehr müde gewesen sei, was zum einen am wenigen Schlaf und der Feier am Vorabend gelegen habe. Zum anderen sei er erkältet gewesen, weshalb er vor Fahrtantritt von der Zeugin R. eine Tablette Grippostad erhalten und auch eingenommen habe. Letzteres sei von der Zeugin R. auch bestätigt worden. Eine bewusste Einnahme von Cannabis habe der Betroffene bestritten. Zwei Zeuginnen hätten zudem bestätigt, dass der Betroffene in ihrer Gegenwart kein Cannabis konsumiert hätte, was nicht zu widerlegen gewesen sei. Weiter hat das Amtsgericht ausgeführt, dass nach Angaben der Zeugen F. und S., die den Betroffenen kontrolliert hatten, das Fahrverhalten des Betroffenen sehr langsam und verhalten gewesen sei. Der Betroffene habe zudem wässrig glänzende Augen gehabt und müde und schläfrig, jedoch nicht benommen gewirkt. Der verlesene ärztliche Untersuchungsbericht habe keine betäubungsmittelspezifischen Ausfallerscheinungen aufgewiesen, sondern lediglich ein kritikloses Verhalten des Betroffenen dokumentiert und als Gesamteindruck "BTM nicht merkbar" festgestellt. Der in der Hauptverhandlung gehörte Sachverständige habe ausgeführt, dass das seitens der Zeugen und im ärztlichen Untersuchungsbericht festgestellte Verhalten des Betroffenen angesichts der geringen im Blut festgestellten Konzentration von THC nicht zwangsläufig auf einen Cannbiskonsum zurückgeführt werden könne. Vielmehr könnten der vom Betroffenen dargestellte Schlafmangel und seine Erkältung zu denselben Symptomen führen.
b) Fahrlässiges Handeln im Sinne des 10 OWiG liegt vor, wenn der Täter die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen und seinen persönlichen Fähigkeiten verpflichtet und im Stande ist, außer Acht lässt und deshalb entweder die Tatbestandsverwirklichung nicht erkennt bzw. nicht voraussieht unbewusste Fahrlässigkeit oder die Möglichkeit einer Tatbestandsverwirklichung zwar erkennt, aber mit ihr nicht einverstanden ist und ernsthaft darauf vertraut, diese werde nicht eintreten bewusste Fahrlässigkeit (vgl. BGHSt 49, 1, 5; Fischer, StGB, 57. Aufl., 15 Rdnr. 14a; Gürtler, in: Göhler, OWiG, 15. Aufl., 10 Rdnr. 6).
Bezogen auf den Tatbestand des 24 a Abs. 2 StVG bedeutet dies, dass dem Betroffenen nachzuweisen ist, dass er die Möglichkeit fortdauernder Wirkung des Cannabiskonsums entweder erkannt hat oder zumindest hätte erkennen können und müssen. Denn der Vorwurf der schuldhaften Tatbegehung bezieht sich nicht primär auf den Konsumvorgang, sondern auf die Wirkung des Rauschmittels zum Tatzeitpunkt (vgl. Senat NZV 2009, 572; OLG Brandenburg BA 2008, 135; OLG Celle NZV 2009, 89, 90; OLG Frankfurt NStZ-RR 2007, 249; OLG Hamm NJW 2005, 3298, 3299; OLG Koblenz, Beschluss vom 1. September 2009 1 SsBs 97/09 juris; OLG Saarbrücken NJW 2007, 309, 311 und 1373, 1374; Gürtler, a.a.O., Rdnr. 5; Janker, in: Jagow/Burmann/Heß, Straßenverkehrsrecht, 20. Aufl., 24a StVG Rdnr. 7a ). Fahrlässig handelt danach, wer in zeitlicher Nähe zum Fahrtantritt Cannabis konsumiert hat und sich dennoch an das Steuer eines Fahrzeugs setzt, ohne sich bewusst zu machen, dass der Rauschmittelstoff noch nicht vollständig unter den analytischen Grenzwert von 1 ng/ml abgebaut ist. Nicht erforderlich ist, dass sich der Betroffene einen spürbaren oder messbaren Wirkstoffeffekt vorgestellt hat oder zu einer entsprechenden exakten physiologischen und biochemischen Einordnung in der Lage war, zumal ein Kraftfahrer die Unberechenbarkeit von Rauschdrogen in Rechnung zu stellen hat (vgl. Senat, OLG Celle, OLG Frankfurt, OLG Hamm, OLG Saarbrücken, jeweils a.a.O.; OLG Zweibrücken BA 2009, 99; König, in: König/Hentschel/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl., 24a StVG Rdnr. 25b).
c) An der Erkennbarkeit der Wirkung des Rauschmittels kann es jedoch nach überwiegender oberlandesgerichtlicher Rechtsprechung indes ausnahmsweise fehlen, wenn zwischen dem Zeitpunkt des Drogenkonsums und der Fahrt längere Zeit vergeht (vgl. Senat, OLG Celle, OLG Frankfurt, OLG Hamm, OLG Koblenz, OLG Saarbrücken, OLG Zweibrücken, jeweils a.a.O.; OLG Bremen NZV 2006, 276; OLG Schleswig SchlHA 2008, 274). Denn mit zunehmendem Zeitablauf schwindet das Bewusstsein dafür, dass der zurückliegende Drogenkonsum noch Auswirkungen in der Gegenwart haben könnte.
Diese Rechtsprechung ist allerdings nicht unwidersprochen geblieben. So wird die Auffassung vertreten, dass auch in Fällen länger zurückliegenden Cannabiskonsums stets Fahrlässigkeit anzunehmen sei, wenn zum Tatzeitpunkt der analytische Grenzwert überschritten werde (BayObLG BA 2006, 47; König NStZ 2009, 425; DAR 2007, 626 sowie in König/Hentschel/Dauer, a.a.O.). Dies wird damit begründet, dass bereits seit längerem bekannt sei, dass im Ausnahmefall relevante Nachweisdauern (und damit Wirkungsdauern) von bis zu 24 Stunden nach Drogenaufnahme, in extremen Ausnahmekonstellationen sogar bis zu 46 bis 48 Stunden referiert würden. Dies sei zwar nicht jedem Normalbürger bekannt. Diese Unkenntnis könne den Drogenkonsumenten jedoch nicht entlasten. Denn das Führen eines Kfz sei eine gefährliche Tätigkeit, und wie bei Übernahme jeder gefährlichen Tätigkeit müsse dem Fahrzeugführer zugemutet werden, sich vor Fahrtatritt ggfs. durch Einholung sachkundigen Rats einen hinreichenden Kenntnisstand zu verschaffen (vgl. BayObLG DAR 1996, 152). Dies gelte umso mehr für einen Drogenkosumenten, da dieser durch die Aufnahme des Rauschmittels ein auch verkehrsrechtlich relevantes Risiko geschaffen habe. Die Beschaffung der erforderlichen Informationen sei auch ohne Schwierigkeiten möglich. Diesbezüglich wird auch darauf verwiesen, dass bei der parallel gelagerten Problematik des Restalkohols dem Alkoholkonsumenten nach gefestigter Rechtsprechung derartige Sorgfaltspflichten auferlegt würden (vgl. König, in Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl., 316 Rdnr. 221 m.w.N.) und nicht einzusehen sei, dass im Falle von Cannabiskonsum ein anderer weniger strenger Maßstab gelten solle (vgl. zum ganzen König, NStZ 2009, 425; DAR 2007, 626).
Dieser Auffassung ist zuzugeben, dass die Unkenntnis langer Wirkungsdauern von Cannabis im Einzelfall nicht automatisch zu einer Entlastung des Betroffenen führen kann, weil damit letztlich Sorglosigkeit honoriert würde. Auf der anderen Seite darf aber auch nicht verkannt werden, dass der Stand der Wissenschaft anders als bei der Parallelproblematik des Restalkohols zumindest zum jetzigen Zeitpunkt kein so einheitliches Bild liefert (vgl. zum Gesamtbild Berr/Krause/Sachs, Drogen im Straßenverkehr Rdnr. 477 ff m.w.N.), dass dem Laien die Feststellung der tatsächlich maßgeblichen Informationen leicht gemacht wird. So existiert eine Vielzahl von Judikaten, in denen - unzutreffender Weise (vgl. Berr/Krause/Sachs, a.a.O. Rdnr. 489) - ohne weiteres davon ausgegangen wird, dass auch niedrige Werte zwischen 1 und 2 ng/ml THC im Blutserum nur wenige Stunden nach dem Konsum nachzuweisen seien (VGH Bayern SVR 2004, 396; VGH Baden Württemberg DAR 2003, 236; OVG Niedersachsen DAR 2003, 480; OVG Thüringen SVR 2004, 438; AG Nördlingen BA 2006, 47; AG Saalfeld NStZ 2004, 49), was auch bei einem Interessierten den Eindruck entstehen lassen kann, dass nach Ablauf eines Tages eine Fortdauer der Wirkung des Rauschgiftes ausgeschlossen sei. Es würde aber die Sorgfaltspflichten eines medizinischen und rechtlichen Laien überspannen, wollte man ihm abverlangen, dass er nach der Lektüre derartiger Entscheidungen, die im Internet in großer Menge abrufbar sind, weitere Nachforschungen anstellt, um zu überprüfen ob die Gerichte fehlerhaft entschieden haben.
Es ist daher nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft und dem aktuellen Wissensstand in der Bevölkerung im Ergebnis angezeigt, auch weiterhin davon auszugehen, dass ein Fahrlässigkeitsvorwurf im Hinblick auf die Wirkung des Cannabis zum Tatzeitpunkt nur dann erhoben werden kann, wenn der Konsum entweder nachgewiesener Maßen zeitnah erfolgt ist (weil dann entweder das Bewusstsein bzgl. der Folgen des Drogenkonsums noch präsent ist bzw. dem Betroffenen eine Reflexion seines Verhaltens während der kurzen Zeit vor Fahrtantritt abverlangt werden kann) oder wenn im Falle eines länger zurückliegenden Konsums weitere Umstände hinzutreten, die es für den Betroffenen erkennbar gemacht haben, dass die Wirkung des von ihm vor längerer Zeit genossenen Cannabis unter Umständen noch fortdauert (vgl. Senat, OLG Celle, OLG Zweibrücken, jeweils a.a.O.; OLG Hamm a.a.O.,S. 3300). Solche weiteren Umstände können beispielsweise in nachgewiesenem Spezialwissen über die Wirkungsweise und dauer von Cannabis zu sehen sein - welches sich auch aus der eigenen Beteiligung an früheren Verfahren mit gleich gelagerter Problematik (vgl. Senat a.a.O.) oder der Kenntnis der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung zu dieser Problematik ergeben kann - oder in Ausfallerscheinungen, die einen Zusammenhang mit vorherigem Drogenkonsum als nahe liegend erscheinen lassen (vgl. OLG Celle, OLG Frankfurt, OLG Zweibrücken, jeweils a.a.O.).
d) Demzufolge hat der Tatrichter, wenn er das Vorliegen des objektiven Tatbestandes bejaht hat und ein vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten nicht ohnehin auf der Hand liegt (etwa im Falle eines Geständnisses), zunächst zu prüfen, ob der Cannabiskonsum zeitnah erfolgt ist oder nicht. Liegt ein zeitnaher Konsum vor, so kann hieraus im Regelfall das Vorliegen von Fahrlässigkeit geschlussfolgert werden. Ist ein zeitnaher Konsum hingegen nicht nachgewiesen, so hat das Gericht zu prüfen, ob weitere Anhaltspunkte dafür Vorliegen, dass dem Betroffenen die Möglichkeit einer im Tatzeitpunkt noch andauernden Beeinflussung durch das Rauschmittel bewusst gewesen ist bzw. hätte bewusst sein müssen (vgl. OLG Celle, OLG Frankfurt, jeweils a.a.O.).
e) Diesem Maßstab wird das amtsgerichtliche Urteil im Ergebnis gerecht. Es wird nachvollziehbar dargelegt, dass ein zeitnaher Cannabiskonsum nicht feststellbar ist, da der Betroffene einen bewussten Konsum bestritten hat und die gehörten Zeugen ebenfalls von keinem Konsum zu berichten vermochten.
aa) Soweit die Generalstaatsanwaltschaft einen Fehler auch darin sieht, dass das Gericht keinen Versuch unternommen hat, den Zeitpunkt des Konsums mit der Hilfe eines Sachverständigen festzustellen, kann dem nicht gefolgt werden. Zwar fehlen zu dieser Frage Ausführungen des Amtsgerichts. Dies ist jedoch unschädlich, denn vorliegend erscheint es nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft als ausgeschlossen, dass ein solcher Nachweis geführt werden könnte.
Es gibt derzeit keine zuverlässige Methode der Rückrechnung, die es erlaubt, den Konsumzeitpunkt oder eine bestimmte THC-Konzentration im Blutserum für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt zu bestimmen (vgl. König, in: Leipziger Kommentar, a.a.O., 316 Rdnr. 152; Berr/
Krause/Sachs, a.a.O. Rdnr. 547 ff m.w.N.; Krause HRRS 2005, 138, 149 ff m.w.N.; Daldrup/Meininger, Begutachtung unter Cannabis im Strafverfahren, 202). Bei dem festgestellten Wert von 1,5 ng/ml THC im Blutserum könnte ein Sachverständiger nur einen gewissen Wahrscheinlichkeitsgrad für einen zeitnahen Konsum angeben, der für sich genommen aber keine sicheren Schlussfolgen zulässt. Denn es ist in der Fachwelt von vielen Stimmen referiert worden, dass für THC Nachweis- bzw. Wirkungszeiten von bis zu 48 Stunden möglich seien (vgl. Aderjan, Toxikologischer Cannabisnachweis, 157; Eisenmenger NZV 2006, 24; Skopp/Potsch, Journal of Analytical Toxicology 32 (2008) 160; Berr/Krause/Sachs a.a.O. Rdnr. 477 ff. m.w.N.) und dass im Einzelfall auch 24 Stunden nach dem Konsum noch eine THC-Konzentration von 2,0 ng/ml THC im Blutserum nachgewiesen werden könne (vgl. Grotenhermen/Karus, Cannabis, Straßenverkehr und Arbeitswelt, 336; Skopp/
Potsch, a.a.O.). Ebenso gibt es Hinweise darauf, dass auch durch Passivrauchen der analytische Grenzwert überschritten werden könne (vgl. Krause DAR 2006, 175 m.w.N.), wenngleich dies wohl nur in Extremfällen in Betracht kommen dürfte (vgl. Skopp, Archiv Kriminol 2001, 137). Demzufolge sind bei dem vorliegend festgestellten Wert von 1,5 ng/ml keine sicheren Rückschlüsse von einem Sachverständigen zu erwarten.
Dies gilt auch für eine Rückrechnung anhand der im Blutserum nach einem Cannbiskonsum nachweisbaren THC-Metaboliten (vgl. Berr/Krause/Sachs, a.a.O. Rdnr. 486), so dass das Fehlen von deren Mitteilung im Urteil im vorliegenden Fall unschädlich ist. Soweit demgegenüber bisweilen angenommen wird, dass die Korrelation von THC-Konzentration und der Konzentration der Metaboliten im Blutserum möglicherweise Aufschluss über den Konsumzeitpunkt geben könne (vgl. OLG Celle, OLG Saarbrücken, jeweils a.a.O.; OLG Frankfurt, a.a.O., S. 250;) und in diesem Zusammenhang auch auf die diesbezüglich von Huestis/Henningfield/Cone (Journal of Analytic Toxicology 16 (1992) 276) entwickelte Formel Log t (Stunden) = (0,576 x log [THC-COOH]/[THC]) 0,176 zur Berechnung des letzten Konsumzeitpunktes verwiesen wird (vgl. Senat, a.a.O.), ist anzumerken, dass auch diese Formel nur Wahrscheinlichkeiten zu berechnen vermag, die von 100% deutlich entfernt sind. Zum einen besteht in der Wissenschaft bislang bezüglich der Abbaugeschwindigkeit der THC-Metaboliten keine Einigkeit (vgl. zum Ganzen Berr/Krause/Sachs, a.a.O. Rdnr. 891 ff m.w.N.), so dass die Unsicherheiten bzgl. des Abbauverhaltens von THC mit denjenigen bzgl. des Abbauverhaltens der Metaboliten kumulieren, wenn man diese in Relation zueinander setzt. Zum anderen liegt der genannten Formel eine Versuchsreihe mit nur wenigen Probanden zugrunde, was die Aussagekraft der Ergebnisse einschränkt. Überdies erfolgte der Cannabiskonsum der Probanden durch Inhalation mit festgelegten Wirkstoffmengen. Da den in der forensischen Praxis zu beurteilenden Sachverhalten aber üblicherweise kein derart normiertes Konsumverhalten zugrunde liegt und auch ein oraler Konsum mit einem möglicherweise anderen THC-Abbauverhalten (vgl. Seidl/Schwarze/Betz, Rechts- und Verkehrsmedizin, 64 Rdnr. 77) in die Überlegungen mit einzubeziehen ist, kann die aus der Studie entwickelte Formel nur Annäherungswerte mit einer nicht unerheblichen Fehlerquote erbringen.
Etwas anderes kann jedoch bei einer festgestellten höheren THC-Konzentration im Blutserum gelten, weil dann möglicherweise Werte erreicht werden, die es auch nach dem heutigen Stand der Wissenschaft als ausgeschlossen erscheinen lassen, dass der Cannabiskonsum längere Zeit zurückliegt (vgl. hierzu OLG Bremen, a.a.O., S. 277; OLG Hamm a.a.O.; Berr/Krause/Sachs, a.a.O. Rdnr. 486 m.w.N.)
bb) Das vorstehend Ausgeführte bedeutet jedoch nicht, dass die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Zwecke der Ermittlung des Konsumzeitpunktes bei niedrigen festgestellten Konzentrationen stets entbehrlich ist. Zum einen ist es denkbar, dass sich der Stand der Wissenschaft bereits in naher Zukunft derart fortentwickelt, dass zuverlässigere Methoden für die Berechnung des Konsumzeitpunktes entwickelt werden, die dann vom Gericht ggfs. mit sachverständiger Hilfe genutzt werden müssen. Insofern obliegt dem Tatsachengericht diesbezüglich eine Erkundigungspflicht, deren Einhaltung ggfs. auch im Urteil darzustellen ist. Zum anderen kann die Inanspruchnahme eines Sachverständigen auch bereits heute dann erforderlich sein, wenn weitere Indizien vorliegen, die auf einen zeitnahen Konsum hindeuten (vgl. OLG Frankfurt, OLG Zweibrücken, jeweils a.a.O.). Denn dann können von einem Sachverständigen ermittelte Wahrscheinlichkeiten betreffend den Konsumzeitpunkt durchaus geeignet sein, in der Gesamtschau mit den weiteren Indizien einen zeitnahen Konsum zu belegen. Vor diesem Hintergrund ist auch der Beschluss des Senats vom 5. Juni 2009 3 Ws (B) 323/09 - NZV 2009, 572 zu sehen, in welchem die Nichteinholung eines Sachverständigengutachtens zum Zwecke der Überprüfung der Angaben des Betroffenen zum Konsumzeitpunkt beanstandet worden war. Denn in dem dort zu entscheidenden Fall lagen weitere Indizien vor, die in der Gesamtschau mit dem einzuholenden Gutachten möglicherweise weitergehende Rückschlüsse zugelassen hätten.
Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Zwar hat sich der Betroffene nach den Feststellungen des Amtsgerichts am Tattage insofern auffällig verhalten, als er schläfrig und müde gewirkt hat, seine Augen wässrig waren und er sich bei der ärztlichen Untersuchung uneinsichtig gezeigt hat. Nachdem das Amtsgericht aber rechtfehlerfrei unter Inanspruchnahme eines Sachverständigen zu dem Schluss gelangt ist, dass die genannten Auffälligkeiten auch auf die bei dem Betroffenen zum Tatzeitpunkt vorliegende Erkältung zurückgeführt werden können, erscheint es vorliegend ausgeschlossen, dass die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage des Konsumzeitpunktes geeignet ist, dem Gericht sichere Feststellungen zum Konsumzeitpunkt zu ermöglichen. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn eine Alternativursache für die festgestellten Auffälligkeiten hätte ausgeschlossen werden können bzw. sehr unwahrscheinlich wäre.
Demzufolge ist das Amtsgericht in nicht zu beanstandender Weise zugunsten des Betroffenen davon ausgegangen, dass der Cannabiskonsum nicht zeitnah erfolgt ist, was zur Folge hatte, dass der Schluss vom Konsum auf die Fahrlässigkeit nicht möglich war und es weiterer Anhaltspunkte dafür bedurfte, dass der Betroffene im Tatzeitpunkt von der Möglichkeit der Fortdauer der Wirkung des Cannabis Kenntnis hatte oder Kenntnis hätte haben können und müssen. Derartige Anhaltspunkte hat das Amtsgericht nicht festgestellt, und es ist auch nicht ersichtlich, dass sie hätten festgestellt werden können. Die Verhaltensauffälligkeiten des Betoffenen sind nicht geeignet den Fahrlässigkeitsvorwurf zu begründen, da auch hier gilt, dass sie sowohl tatsächlich als auch in der Vorstellung des Betroffenen ihre Ursache auch in dessen Erkältung hätten haben können.
4. Nachdem die mit der Rechtsbeschwerde vorgebrachten Beanstandungen nicht durchgreifen und das angegriffene Urteil auch im Übrigen keine Rechtsfehler aufweist, war die Rechtsbeschwerde der Amtsanwaltschaft zu verwerfen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 473 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 StPO.
Verwertung einer Aussage zum Cannabiskonsum bei un
Verwaltungsgerichtshof Mannheim
Az: 10 S 608/07
Beschluss vom 16.05.2007
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 16. Februar 2007, 7 K 401/07 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, aber nicht begründet.
Nach 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO ist der Prüfungsumfang des Beschwerdegerichts bei Beschwerden gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes beschränkt. Danach prüft der Verwaltungsgerichtshof nur die in einer rechtzeitig eingegangenen Beschwerdebegründung dargelegten Gründe. Auf dieser Grundlage hat die Beschwerde keinen Erfolg. Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe führen nicht dazu, dass die vom Gericht im Rahmen des 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alt. VwGO vorzunehmende Abwägung zu Gunsten des Interesses des Antragstellers ausfällt, vom Vollzug der Entscheidung der Antragsgegnerin vom 14.11.2006 bis zu einer endgültigen Entscheidung über deren Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben. Auch im Hinblick auf das Vorbringen in der Beschwerdebegründung ist nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage von der Rechtmäßigkeit der Entziehungsverfügung auszugehen. Es besteht die hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Antragsteller zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht geeignet und somit ernstlich zu befürchten ist, er werde bereits vor einer endgültigen Entscheidung in der Hauptsache die Sicherheit des Straßenverkehrs gefährden. Damit überwiegt aber das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug der Verfügung.
Entgegen dem Vorbringen des Antragstellers kann seine Aussage zur Häufigkeit seines Cannabiskonsums im Rahmen der Verkehrskontrolle vom 05.09.2006 zur Begründung der Entziehungsverfügung herangezogen werden. Zunächst kann aufgrund der Aussage des Polizeibeamten K. in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Baden-Baden vom 09.03.2007 (Bußgeldsache) zu Gunsten des Antragstellers davon ausgegangen werden, dass dieser den Antragsteller vor seiner Aussage über die Häufigkeit seines Cannabiskonsums nicht darüber belehrt hat, dass es ihm als Beschuldigtem im Strafverfahren freistehe, sich zur Sache zu äußern. Insoweit ist nicht die auf den Zeugen abzielende Vorschrift des 55 StPO, sondern die Belehrungspflicht des 136 Abs. 1 Satz 2 StPO maßgeblich. Da die Aussage des Antragstellers auf der Fahrt von der Kontrollstelle zur Polizeidienststelle erfolgte, handelte es sich auch nicht mehr um eine bloße informatorische Befragung des Antragstellers, für die die Belehrungspflicht des 136 Abs. 1 Satz 2 StPO noch nicht gilt. Denn die Verbringung des Antragstellers zur Polizeidienststelle im Anschluss an die Durchführung von Cannabis-Vortests brachte deutlich zum Ausdruck, dass die Polizeibeamten dem Antragsteller bereits als dem Beschuldigten begegneten (vgl. BayObLG, Beschl. v. 02.11.2004 - 1 St RR 109/04 -, NStZ-RR 2005, 175). In seinem Beschluss vom 27.02.1992 hat der Bundesgerichtshof (5 StR 190/91, BGHSt 38, 214 = NJW 1992, 1463) entschieden, dass, sofern der Vernehmung eines Beschuldigten durch einen Beamten des Polizeidienstes nicht der Hinweis vorausgegangen ist, dass es dem Beschuldigten freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen ( 136 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. 163a Abs. 4 Satz 2 StPO), Äußerungen, die der Beschuldigte in dieser Vernehmung gemacht hat, nicht verwertet werden dürfen. Die Entscheidung bezieht sich auf die Rechtsstellung des Beschuldigten im Strafprozess und ist Ausdruck des anerkannten Prinzips des Strafprozesses, dass niemand im Strafverfahren gegen sich selbst auszusagen braucht (BVerfG, Beschl. v. 13.01.1981 - 1 BvR 116/77 -, BVerfGE 56, 37, 43; BGH, Urt. v. 14.06.1960 - 1 StR 683/59 -, BGHSt 14, 358, 364). Wird die ohne vorherige Belehrung nach 136 Abs. 1 Satz 2 StPO erfolgte Äußerung des Antragstellers zur Häufigkeit seines Cannabiskonsums zur Begründung der von der Fahrerlaubnisbehörde im Interesse der Gefahrenabwehr verfügten Entziehung der Fahrerlaubnis herangezogen, so bewirkt dies auch keinen mittelbaren Verstoß gegen die allein für das Strafverfahren geltende Vorschrift des 136 Abs. 1 Satz 2 StPO. Denn aus der behördlich angeordneten Fahrerlaubnisentziehung ergeben sich keine Auswirkungen für das im Hinblick auf den betreffenden Vorfall durchgeführte Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren.
Die Belehrungspflicht des 136 Abs. 1 Satz 2 StPO ist auch nicht Ausdruck eines allgemeinen, von einer gesetzlichen Normierung unabhängigen Rechtsgrundsatzes, dass Äußerungen eines Betroffenen in einem behördlichen oder gerichtlichen Verfahren nur dann verwertet werden dürfen, wenn der Betreffende zuvor auf sein Schweigerecht hingewiesen worden ist. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Gesetzgeber für den betreffenden Regelungsbereich in einer einfach-gesetzlichen Bestimmung eine entsprechende Belehrungspflicht normiert hat. Auch der Bundesfinanzhof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass es kein allgemeines gesetzliches Verwertungsverbot für Tatsachen gibt, die unter Verletzung von Verfahrensvorschriften ermittelt wurden (Beschl. v. 26.02.2001 - VII B 265/00 -, NJW 2001, 2118; Urt. v. 23.01.2002 - XIR 10 u.a. -, NJW 2002, 2198). Dass hinsichtlich etwaiger Belehrungspflichten die jeweilige Entscheidung des Gesetzgebers maßgeblich ist, lässt sich auch aus 393 Abs. 1 Satz 1 AO ableiten. Danach richten sich die Rechte und Pflichten der Steuerpflichtigen und der Finanzbehörden im Besteuerungsverfahren und im Strafverfahren nach den für das jeweilige Verfahren geltenden Vorschriften. Da danach Besteuerungsverfahren und Steuerstrafverfahren grundsätzlich unabhängig und gleichrangig nebeneinander stehen, ist die Frage nach einem Verwertungsverbot im Steuerstrafverfahren nach strafprozessualen und im Besteuerungsverfahren nach abgabenrechtlichen Vorschriften (dort z.B. die Belehrungspflicht nach 393 Abs. 1 Satz 4 AO) zu beantworten (vgl. BFH, Urt. v. 23.01.2002 - XI R 10 u.a. -, NJW 2002, 2198). Ein unabhängig von einer einfach-gesetzlichen Regelung bestehendes allgemeines Verwertungsverbot könnte dagegen angenommen werden, wenn ein Verstoß gegen 136a StPO vorliegt (vgl. BFH, Urt. v. 23.01.2002 - XI R 10 u.a. -, NJW 2002, 2198). Anhaltspunkte hierfür sind aber nicht ersichtlich.
Für das behördliche Entziehungsverfahren bestehen keine Regeln, die die Behörde verpflichten, den Betroffenen vor einer Äußerung zur Sache, die zur Begründung der zukünftigen Maßnahme unter Umständen herangezogen werden kann, über sein Schweigerecht zu belehren. Dies gilt zunächst für die allgemein in 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LVwVfG geregelte Anhörung des Betroffenen als dem Beteiligten im Sinne von 13 Abs. 1 Nr. 2 LVwVfG. Aber auch den für die behördliche Fahrerlaubnisentziehung maßgeblichen Bestimmungen lässt sich kein Hinweis auf eine 136 Abs. 1 Satz 2 StPO entsprechende Belehrungspflicht entnehmen. Geregelt hat der Gesetzgeber demgegenüber in 2 Abs. 12 Satz 1 StVG die umfassende Pflicht der Polizei, der Fahrerlaubnisbehörde Informationen über Tatsachen zu übermitteln, die auf nicht nur vorübergehende Mängel hinsichtlich der Eignung oder auf Mängel hinsichtlich der Befähigung einer Person zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen lassen, soweit dies für die Überprüfung der Eignung oder Befähigung aus der Sicht der übermittelnden Stelle erforderlich ist.
An der inhaltlichen Richtigkeit des Berichts der Polizeidirektion Rastatt/Baden-Baden vom 22.09.2005 bestehen aus Sicht des Senats keine Zweifel. Die dort wiedergegebene Äußerung des Antragstellers, "regelmäßig Cannabisprodukte zu konsumieren", belegt zumindest, dass es sich bei dem durch die Blutuntersuchung vom 19.06.2006 nachgewiesenen Konsum nicht um eine nur einmalige Einnahme handelt, die nach der Senatsrechtsprechung für die Annahme eines gelegentlichen Cannabiskonsums im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung nicht ausreicht (vgl. Senatsbeschl. v. 29.09.2003 - 10 S 1294/03 -, VBlBW 2004, 36).
Durch das Gutachten vom 19.06.2006 ist zugleich das Zusatzelement des fehlenden Trennungsvermögens im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 belegt. Denn die Untersuchung der am 05.09.2006 30 Minuten nach der Personenkontrolle beim Antragsteller entnommenen Blutprobe hat eine THC-Konzentration von 2,7 ng/ml ergeben. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist jedenfalls bei einer höheren THC-Konzentration als 2 ng/ml eine durch den Cannabiskonsum bedingte Beeinträchtigung der fahreignungsrelevanten Eigenschaften eines Fahrerlaubnisinhabers gegeben (vgl. z.B. Senatsbeschl. v. 10.05.2004 - 10 S 427/04 -, DAR 2004, 604). Die Art und Weise des Konsums von Cannabis - hier die behauptete Einnahme im puren Zustand durch eine Pfeife - ist für die Frage des Trennungsvermögens ebenso ohne Belang wie sonstige Begleitumstände, hier die Durchführung einer Fastenkur oder der Umstand, dass im ärztlichen Bericht über die Blutentnahme dem Betroffenen insgesamt ein unauffälliges Verhalten bescheinigt wird. Denn von einem ausreichenden Trennungsvermögen, das eine gelegentliche Einnahme von Cannabis im Hinblick auf die Verkehrssicherheit noch hinnehmbar erscheinen lässt, kann nur gesprochen werden, wenn der Konsument Fahren und Konsum in einer Weise trennt, dass eine Beeinträchtigung seiner verkehrsrelevanten Eigenschaften durch die Einnahme von Cannabis unter keinen Umständen eintreten kann (Senatsbeschl. v. 28.11.2003 - 10 S 1789/03 -; v. 01.12.2003 - 10 S 1958/03 -; v. 15.11.2004 - 10 S 2194/04 -). Vorliegend hat der Antragsteller aber als Führer eines Kraftfahrzeugs am Straßenverkehr teilgenommen, obwohl er, wie der Nachweis von THC in seinem Blut in der erheblichen Konzentration von 2,7 ng/ml belegt, nicht sicher sein konnte, dass die berauschende Wirkung des von ihm vorsätzlich konsumierten Betäubungsmittels Cannabis vollständig abgebaut ist. Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass entgegen dem Vorbringen des Antragstellers in der Beschwerdebegründung in der Fahrerlaubnis-Verordnung in Bezug auf den Konsum von Cannabis keine Grenzwerte festgesetzt sind.
Soweit in der Beschwerdebegründung auf einen im erstinstanzlichen Verfahren eingereichten Schriftsatz sowie auf bereits im behördlichen Verfahren vorgelegte Urkunden verwiesen wird, genügt dies nicht den Anforderungen des 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO. Denn das Gesetz verlangt, dass sich die Begründung der Beschwerde mit der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts auseinander setzt.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren findet ihre Grundlage in 63 Abs. 2, 47 sowie 53 Abs. 3 Nr. 2 und 52 Abs. 2 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.5 und Nr. 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom Juli 2004 (NVwZ 2004, 1327). Nach 52 Abs. 2 GKG beträgt der Regelstreitwert, der der Berechnung nach dem Streitwertkatalog zugrunde zu legen ist, 5.000,- EUR. Dieser Betrag ist entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Senats für das vorliegende vorläufige Rechtsschutzverfahren zu halbieren.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Fahreignung eines Cannabiskonsumenten
Oberverwaltungsgericht Bremen
Az: 1 B 302/07
Beschluss vom 14.08.2007
In der Verwaltungsrechtssache hat das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen - 1. Senat - am 14.08.2007 beschlossen:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen - 5. Kammer - vom 03.07.2007 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
Die Beschwerde ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis wieder herzustellen, zu Recht abgelehnt. Das Vorbringen des Antragstellers zur Begründung seiner Beschwerde, auf dessen Überprüfung das Oberverwaltungsgericht beschränkt ist ( 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigt keine Änderung der angefochtenen Entscheidung.
1.
Das Verwaltungsgericht hat den Antragsteller zu Recht als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen angesehen. Nach Ziff. 9.2.2. der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung (FeV) fehlt einem Kraftfahrer die Eignung, wenn er gelegentlich Cannabis zu sich nimmt und Konsum und Fahren nicht voneinander getrennt werden. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
a) Der Antragsteller nimmt "gelegentlich" Cannabis zu sich.
In der Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte ist streitig, ob gelegentlicher Konsum schon dann vorliegt, wenn ein einmaliger Konsum dieser Droge festgestellt worden ist (so OVG Hamburg, zuletzt Besch. v. 15.12.2005 - 3 Bs 214/05 - , NJW 2006, 1367), oder ob mindestens zweimal Cannabis in voneinander unabhängigen Konsumakten eingenommen worden sein muss (so in stRspr Bayerischer VGH, Besch!. v. 25.01.2006 - 11 CS 05.1453 - Blutalkohol 2006, 422; zuletzt Besch!. v. 12.03.2007 - 11 CS 06.1525 - ; ebenso VGH Baden-Württemberg, Besch!. v. 20.09.2003 - 10 S 1294/03 - DöV 2004 = Blutalkohol 2004, 185, 129; OVG Frankfurt/Oder, Beseh!. v. 13.12.2004 - 4 B 206/04 - Blutalkohol 2006, 161; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Besch!. v. 19.12.2006 - 1 M 142/06 -
Das gilt unabhängig davon, ob der Antragsteller lediglich am späten Abend des 06.11.2006 oder auch noch einmal erneut am frühen Morgen des 07.11.2006 Cannabis zu sich genommen hat. Zwar muss hier angesichts der festgestellten Werte davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller nicht nur, wie er eingeräumt hat, am Abend des 06.11.2006 mehrere Zigaretten mit Cannabis geraucht, sondern auch noch am frühen Morgen Cannabis konsumiert hat. Zugunsten des Antragstellers mag aber unterstellt werden, dass es sich bei der Einnahme von Cannabis am frühen Morgen nicht um einen erneuten, von dem Rauchen am Abend losgelösten selbständigen Vorgang, sondern um den unselbständigen Teil eines einheitlichen Konsumvorgangs während einer Nacht gehandelt hat (vgl. zu dieser Abgrenzung Bayerischer VGH, Beschl. v. 09.10.2006 - 11 CS 05.2819 - <JURIS .
Auch ein solcher einheitlicher Konsumvorgang am 06./07.11.20006 kann aber nicht als einmaliges Ereignis betrachtet werden. Beim Antragsteller war nämlich bereits zuvor am 02.06.2003 Cannabiskonsum festgestellt worden. Dass dieser Konsum längere Zeit zurücklag und dem Antragsteller im April 2004 durch ein medizinisch-psychologisches Gutachten bescheinigt wurde, sich seit mindestens neun Monaten abstinent verhalten zu haben, steht seiner Berücksichtigung nicht entgegen. Dabei kann dahin gestellt bleiben, ob diese Abstinenz tatsächlich vorgelegen hat (vgl. in diesem Zusammenhang auch VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 21.02.2007 - 10 S 2302/06 -, Blutalkohol 2007, 190). Es reicht aus, dass sie nicht angedauert hat. Der frühere Cannabisgebrauch schließt die Annahme aus, es habe sich am 06./07.11.2006 um ein "einmaliges Probierverhalten" (vgl. zu diesem Kriterium Bayerischer VGH, Beschl. v. 25.01.2006, a.a.O.) gehandelt, dessen Wiederholung nicht zu erwarten sei. Das gilt umso mehr, als der Antragsteller nach seinen eigenen Angaben gegenüber dem Gutachter früher über einen mehrjährigen Zeitraum täglich Cannabis zu sich nahm.
b) Der Antragsteller kann Konsum und Fahren nicht voneinander trennen.
An einer solchen Trennung fehlt es immer dann, wenn der Kraftfahrer objektiv unter dem Einfluss einer Cannabiskonzentration am Straßenverkehr teilgenommen hat, bei der nach wissenschaftlichen Erkenntnissen davon ausgegangen werden muss, dass sich das Risiko von Beeinträchtigungen, die negative Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit haben, signifikant erhöht hat. Ob diese Schwelle schon überschritten ist, wenn eine THC-Konzentration von 1,0 ng/ml festgestellt wird (so VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 15.11.2004 - 10 S 2194/04, Blutalkohol 2005, 187; Beschl. v. 27.03.2006 - 10 S 2519/05 - , NJW 2006, 2135 = Blutalkohol 2006, 412), oder ob nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand eine Wirkstoffkonzentration von mehr als 2,0 ng/ml vorliegen muss (so Bayerischer VGH, vgl. insbes. Beschl. v. 11.11.2004 - 11 CS 04.2348 - Blutalkohol 2006, 414 und Beschl. v. 25.01.2006 11 CS 05.1711 - Blutalkohol 2006, 416; zuletzt Beschl. v. 04.06.2007 - 11 CS 06.2806 -; ebenso OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 19.12.2006, a.a.O.), kann hier offen bleiben, denn die beim Antragsteller zuletzt festgestellte Konzentration lag mit 5,0 ng/ml erheblich über beiden Werten. Bei dem ersten Vorfall am 02.06.2003 hatte der Antragsteller mit einer Wirkstoffkonzentration von 20 ng/ml THC am Straßenverkehr teilgenommen. Beide Vorfälle widerlegen die Behauptung der Beschwerde, der Antragsteller sei "zu keinem Zeitpunkt" selbst gefahren, sondern habe sich "jedes Mal" von seinen Eltern abholen lassen, wenn er zu einer Party gegangen sei, wo Cannabis konsumiert worden sei.
2.
Aufgrund der beschriebenen Vorkommnisse steht zweifelsfrei fest, dass der Antragsteller zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Gemäß 3 Abs. 1 StVG i.V.m. 46 Abs. 1 FeV ist ihm daher die Fahrerlaubnis zu entziehen. Eines medizinisch-psychologischen Gutachtens, wie es die Beschwerde verlangt, bedarf es dazu nicht.
3.
Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ist auch nicht deshalb geboten, weil der Antragsteller aus beruflichen Gründen auf die Benutzung eines Kraftfahrzeugs angewiesen ist. Zwar kommt dem Interesse des Antragstellers, weiterhin ein Kraftfahrzeug nutzen zu können, erhebliches Gewicht zu; gleichwohl hat es im Rahmen der nach 80 Abs. 5 VwGO gebotenen Abwägung hinter dem öffentlichen Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs zurückzustehen.
Die Kostenentscheidung folgt aus 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf 53 Abs. 3, 52 Abs. 2 GKG.
Fahrerlaubnisentziehung nach Cannabiskonsum
VG Bremen
Az: 5 V 316/10
Urteil vom 22.03.2010
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
Der Streitwert wird zum Zwecke der Kostenberechnung auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis.
Dem am geborenen Antragsteller wurde am 21. Januar 2010 eine Fahrerlaubnis für die Klasse B erteilt. Am 25. Januar 2010 wurde der Antragsteller einer Verkehrskontrolle durch die Polizei Bremen unterzogen. Laut Anlage zur Ordnungswidrigkeitsanzeige soll der Antragsteller bei der Kontrolle einen etwa einen Monat zurückliegenden Cannabiskonsum eingeräumt haben. Der sodann durchgeführte Drogenschnelltest fiel positiv auf Cannaboide aus. Eine Bestätigungsanalyse des Klinikums Bremen-Mitte vom 08. Februar 2010 ergab Blutwerte von 3,4 ng/ml THC und 17 ng/ml THC-COOH.
Mit Verfügung vom 26. Februar 2010 entzog das Stadtamt Bremen - Fahrerlaubnisbehörde - dem Antragsteller die Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen, forderte ihn zur Abgabe des Führerscheins auf und ordnete die sofortige Vollziehung der Verfügung an. Zur Begründung führte es aus, der Antragsteller sei ungeeignet zum Führen von Fahrzeugen, da er als gelegentlicher Cannabiskonsument nicht zwischen Konsum und Fahren trennen könne. Dieser Schluss sei aufgrund der Angaben des Antragstellers am 25. Januar 2010 zulässig, da er dort selbst über einen gelegentlichen Konsum berichtet habe. Dies sei insoweit glaubhaft, als der Antragsteller bereits am 19. August 2008 durch illegalen Besitz von Cannabis aufgefallen sei. Die sofortige Vollziehung sei im Interesse der Verkehrssicherheit geboten, da man unterstelle, dass die Eignungsmängel derart gravierend seien, dass sich diese bei einer weiteren Teilnahme am Straßenverkehr auswirken würden. Von einer Anhörung sei wegen der Eilbedürftigkeit der Sache abzusehen. Gegen die Fahrerlaubnisentziehung legte der anwaltlich vertretene Antragsteller am 12. März 2010 Widerspruch ein, über den bislang nicht entschieden wurde.
Bereits am 16. Februar 2010 war der Antragsteller erneut einer Verkehrskontrolle unterzogen und eine Blutanalyse angeordnet worden. Der toxikologische Befundbericht des Klinikums Bremen-Mitte vom 01. März 2010 ergab Blutwerte von 1,0 ng/ml THC und 3,3 ng/ml THC-COOH. Der Vorfall wurde der Fahrerlaubnisbehörde erst nach der Fahrerlaubnisentziehung vom 26. Februar 2010 bekannt.
Der Antragsteller hat am 12. März 2010 einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gestellt. Er trägt vor, er habe den gelegentlichen Konsum von Cannabis nicht eingeräumt. Er habe nur einmal Cannabis konsumiert. Bezüglich des Vorfalls aus dem Jahr 2008 seien keine Feststellungen zum THC-Gehalt und zur Täterschaft gemacht worden; das Verfahren sei eingestellt worden. Aufgrund des einmaligen Konsums von Cannabis sei er nicht ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeugs. Ferner sei die Blutentnahme ohne richterliche Anordnung erfolgt.
Der Antragsteller beantragt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 26.02.2010 zum Az. 051-30 wiederherzustellen.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzulehnen.
Es könne offen bleiben, wie die Drogenvorgeschichte des Antragstellers zu bewerten sei, da neben der Drogenfahrt vom 15. Januar 2010 nun eine weitere bekannt geworden sei, nämlich die vom 16. Februar 2010. Wiederholte Fahrten unter Cannabiseinfluss seien für sich genommen bereits eignungsausschließend. Angesichts der kurzen Zeitabstände zwischen den Verstößen bestehe eine überdurchschnittliche Gefahr weiterer Fahrten.
II.
Der nach 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO statthafte Antrag ist zulässig aber unbegründet. Das Begehren, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Verfügung vom 26. Februar 2010 wiederherzustellen, ist nach 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 5 VwGO statthaft. Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist aufgrund der entsprechenden Anordnung in der Verfügung sofort vollziehbar ( 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO). Das Begehren hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehung begegnet in formeller Hinsicht keinen Bedenken. In materieller Hinsicht erweist sich die Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehung als eilbedürftig; gegen sie sind auch materiell-rechtliche Bedenken nicht zu erheben.
II.1. Nach 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen des Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes schriftlich zu begründen. Die Vorschrift erfordert eine auf den konkreten Einzelfall abstellende Darlegung, worin das besondere öffentliche Interesse an einer ausnahmsweisen sofortigen Vollziehbarkeit besteht und weshalb das Interesse des Betroffenen, zunächst nicht von dem angefochtenen Verwaltungsakt betroffen zu werden, hinter dieses erhebliche öffentliche Interesse zurücktreten muss. Eine maßgebliche Funktion der Begründungspflicht besteht darin, den Betroffenen über die Gründe, die für die behördliche Entscheidung maßgeblich gewesen sind, zu unterrichten (vgl. Schoch in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: Sept. 2007, 80 Rdnr. 176; Schmidt in: Eyermann, VwGO, 12. Aufl. 2006, 80 Rdnr. 42). Der Begründungspflicht ist daher nur dann genügt, wenn die Gründe für das öffentliche Vollzugsinteresse für den Betroffenen hinreichend erkennbar sind. Eine solche, den Anforderungen des 80 Abs. 3 VwGO entsprechende Begründung für den angeordneten Sofortvollzug enthält die Verfügung vom 26. Februar 2010. Die Fahrerlaubnisbehörde hat darin konkrete Einzelfallumstände benannt und Gefahren aufgezeigt, mit denen im Fall einer weiteren Teilnahme des Antragstellers am motorisierten Straßenverkehr zu rechnen wäre.
II.2. In der Sache überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehung das private Interesse des Antragstellers, von der sofortigen Vollziehung einstweilen bis zu einer Klärung der Rechtmäßigkeit der Verfügung im Hauptsacheverfahren verschont zu bleiben.
Nach 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ganz oder teilweise anordnen, im Fall des Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Voraussetzung für die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung durch das Gericht ist, dass das Interesse des Einzelnen an der aufschiebenden Wirkung gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug des Bescheides überwiegt. Das Gericht ist hierbei nicht auf eine Überprüfung der Begründung der handelnden Behörde beschränkt, sondern kann die für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Argumente selbst ermitteln und gegeneinander abwägen (st. Rechtsprechung des OVG Bremen, z. B. Beschluss vom 11.06.1986, Az. 1 B 14/86; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Auflage 2007, 80 Rdnr. 152ff.). Im Rahmen dieser vom Gericht zu treffenden Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache zu berücksichtigen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ist in der Regel abzulehnen, wenn der Rechtsbehelf nach dem derzeitigen Erkenntnisstand aller Voraussicht nach erfolglos bleiben wird; umgekehrt überwiegt bei einer offensichtlichen Erfolgsaussicht des Widerspruchs das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Erweisen sich die Erfolgsaussichten der Hauptsache als offen, erfordert die Entscheidung über die Aussetzung des Vollzugs eine Abwägung des öffentlichen Interesses am Sofortvollzug mit dem privaten Interesse des Antragstellers, bis zur Entscheidung in der Hauptsache weiterhin am motorisierten Straßenverkehr teilnehmen zu können. Der Rechtsbehelf des Antragstellers verspricht nach derzeitigem Erkenntnisstand keinen Erfolg in der Hauptsache, denn die angefochtene Verfügung vom 26. Februar 2010 stellt sich bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtmäßig dar. Private Interessen des Antragstellers, denen ein höheres Gewicht als dem öffentlichen Interesse an der baldigen Durchsetzung der Regelung zuzumessen wäre, sind nicht ersichtlich.
Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis ist 3 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) i.V.m. 3 Abs. 1, 11 Abs. 2 und 8, 46 Abs. 1 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV). Danach ist demjenigen die Fahrerlaubnis zu entziehen, der sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt gemäß 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere dann, wenn eine Erkrankung oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 der FeV vorliegen. An der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen fehlt es nach Ziffer 9.2.1 der Anlage 4, wenn von der regelmäßigen Einnahme von Cannabis auszugehen ist. Gemäß Ziffer 9.2.2 der Anlage 4 der FeV ist bei einer gelegentlichen Einnahme von Cannabis nicht mehr von der Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeuges auszugehen, wenn eine Trennung von Konsum und Fahren nicht gegeben ist.
II.3. Die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen ergibt sich nach gegenwärtiger Erkenntnis nach Ziffer 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV, weil der Antragsteller zumindest gelegentlich Cannabis konsumiert und nicht ausreichend zwischen diesem Konsum und dem Führen eines Kraftfahrzeuges unterscheidet. Der Antragsteller hat am 25. Januar 2010 und am 16. Februar 2010 ein Fahrzeug geführt, obwohl er unter dem Einfluss von Cannabis stand; seine Blutwerte betrugen bei der Fahrt vom 15. Januar 2010 3,4 ng/ml THC und 17 ng/ml THC-COOH. Der (streitige) Vortrag des Antragstellers, wonach der am 15. Januar 2010 gemessene Blutwert von 3,4 ng/ml THC auf die Einnahme von Cannabis etwa einen Monat vor der Fahrt zurückzuführen sei, ist vor dem Hintergrund wissenschaftlicher Erkenntnisse über die Abbaugeschwindigkeit von THC im Blut nicht glaubhaft. Die Kammer verweist hierzu auf die Ausführungen in der Entscheidung des Verwaltungsgerichts München vom 21.05.2008 (Az. M 6a S 08.321), denen es sich anschließt:
"Die neuesten Erkenntnisse über die Abbaugeschwindigkeit von Cannabis wurden - soweit ersichtlich - im Rahmen der sog. "Maastricht-Studie" gewonnen, über deren Ergebnisse Möller/Kauert/Tönnes/Schneider/Theunissen/ Ramaekers (Blutalkohol Bd. 43 [2006], S. 361) berichten (vgl. hierzu insgesamt: BayVGH vom 20. September 2007,11 CS 07.1589). Danach betrug die mittlere THC-Konzentration im Serum bei Verabreichung von 500 g THC pro Kilogramm Körpergewicht (das entspreche ca. 36 mg THC je Joint) sechs Stunden nach dem Rauchende 0,9 ng/ml bei einer Standardabweichung von 0,5 ng/ml (Möller/Kauert/Tönnes/Schneider/Theunissen/Ramaekers, a.a.O., S. 364, Tabelle 2). Bei Zufuhr von lediglich 250 g THC pro Kilogramm Körpergewicht (das entspreche ca. 17 mg THC je Joint) befanden sich sechs Stunden nach dem Ende des Konsumvorgangs im Durchschnitt sogar nur noch 0,5 ng THC in einem Milliliter Serum, wobei die Standardabweichung 0,4 ng/ml betrug (Möller/Kauert/Tönnes/Schneider/Theunissen/Ramaekers, ebenda). Bei dieser niedrigen Dosierung lag der THC-Wert bei einem der 20 Versuchsteilnehmer sechs Stunden nach dem Rauchende bei 1,4 ng/ml, während alle anderen 19 Probanden eine THC-Konzentration von unter 1,0 ng/ml aufwiesen; bei der hohen Dosierung waren zu diesem Zeitpunkt bei sechs Versuchsteilnehmern noch THC-Konzentrationen im Serum feststellbar, die zwischen 1 und 2 ng/ml lagen, wobei ein Proband bereits vor Versuchsbeginn Spuren von THC im Blut aufwies (Möller/Kauert/ Tönnes/Schneider/Theunissen/Ramaekers, a.a.O., S. 365). [ ]
Ältere Studien über das Abbauverhalten von Cannabis bestätigen die Richtigkeit dieser Aussage. Nach den Untersuchungen von Huestis/Henningfield/Cone (Blood cannabinoids II. Models for the prediction of time of marijuana exposure from plasma concentrations of delta-9-tetrahydocannabinol [THC] and 11-nor-9-carboxy-9-tetrahydro-cannabinol [THC-COOH], Journal of Analytical Toxicology, 16 [1992], S. 283 - 290, referiert bei Sticht/Käferstein, Grundbegriffe, Toxikokinetik und Toxikodynamik, in: Cannabis im Straßenverkehr, hrsg. von Berghaus und Krüger, 1998, S. 1/9) liegt die THC-Konzentration bereits zwölf Stunden nach dem Konsumende unter 0,9 ng/ml; nach den von Sticht und Käferstein selbst durchgeführten Berechnungen ist bei einer 70 kg schweren Person, die 15 mg THC geraucht hat, nach zwölf Stunden eine THC-Konzentration im Blutplasma zu erwarten, die sich zwischen 0,02 und 0,70 ng/ml bewegt (Sticht/Käferstein, ebenda)."
Der beim Antragsteller am 15. Januar 2010 festgestellte Wert von 3,4 ng/ml ist demnach nicht mit einem einen Monat zurückliegenden Cannabiskonsum vereinbar. Aufgrund der vorgenannten wissenschaftlichen Erkenntnisse ist davon auszugehen, dass der Antragsteller am Tag oder Vortag der Blutentnahme Cannabis konsumiert hat.
Ob der Antragsteller gegenüber der Polizei am 15. Januar 2010 gelegentlichen Cannabiskonsum eingeräumt hat, kann vorliegend dahinstehen. Denn ausweislich des toxikologischen Befundberichts des Klinikums Bremen-Mitte vom 01. März 2010 hat der Antragsteller anlässlich der Fahrt vom 16. Februar 2010 ein weiteres Mal Cannabis konsumiert. Seine Blutwerte betrugen bei dieser zweiten Fahrt 1,0 ng/ml THC und 3,3 ng/ml THC-COOH. Angesichts der obigen Ausführungen zur Abbaugeschwindigkeit von Cannabis können diese Werte auch nicht auf den Konsum anlässlich der Fahrt vom 15. Januar 2010 zurückgeführt werden. Damit steht der gelegentliche Cannabiskonsum i.S.v. Ziffer 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV zur Überzeugung der Kammer fest (mindestens zweimaliger Cannabiskonsum).
II.4.
Soweit der Antragsteller einwendet, dass die Blutentnahme durch einen Polizeibeamten angeordnet worden sei, folgt daraus keine Unverwertbarkeit im vorliegenden Verfahren. Richtig ist zwar, dass nach 81 a Abs. 2 StPO, 46 Abs. 1 OWiG die Anordnung einer Blutentnahme im Straf- oder Ordnungswidrigkeitsverfahren grundsätzlich dem Richter und nur bei einer Gefährdung des Untersuchungserfolges durch Verzögerung auch der Staatsanwaltschaft und ihren Ermittlungspersonen ( 152 GVG) zusteht. Ob gegen diese gesetzliche Kompetenzverteilung im vorliegenden Fall verstoßen worden ist, etwa weil der die streitige Blutentnahme anordnende Polizeibeamte ausreichend Zeit gehabt haben könnte, zuvor eine richterliche Anordnung einzuholen, oder ob ein solches Vorgehen den Untersuchungserfolg, nämlich die zeitnahe Aufklärung, ob der Antragsteller zum Vorfallszeitpunkt Betäubungsmittel konsumiert und unter deren Einfluss ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr geführt hatte, gefährdet und damit eine entsprechende Eilzuständigkeit des Polizeibeamten begründet hätte, lässt sich anhand der im Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin befindlichen polizeilichen Ermittlungsunterlagen nicht abschließend beantworten, kann im Ergebnis aber auch dahinstehen. Denn selbst wenn die Einholung einer richterlichen Gestattung ohne Gefährdung des Untersuchungserfolges noch möglich und die durch die Polizei angeordnete Blutentnahme damit objektiv rechtswidrig gewesen sein sollte, würde sich daraus für das vorliegende (Fahrerlaubnisentziehungs-) Verfahren kein Beweisverwertungsverbot ergeben.
Die Grundsätze, nach denen die Ergebnisse einer Blutuntersuchung nach 46 Abs. 1 OWiG, 81a Abs. 2 StPO einem Verwertungsverbot unterliegen können, haben sich im Bereich der Strafprozessordnung herausgebildet und können nicht ohne weiteres auf das Verwaltungsverfahrens-, insbesondere das Fahrerlaubnisrecht übertragen werden. Beweisverwertungsverbote bestehen im Strafprozess in dem besonderen Spannungsfeld zwischen dem staatlichen Strafverfolgungsanspruch auf der einen und dem Schutz von Grundrechten des Betroffenen auf der anderen Seite. Die Informationsgewinnung im Strafverfahren ist aus rechtsstaatlichen Gründen in besonderem Maße formalisiert und die Rechtfertigung von Verwertungsverboten, wie etwa die Sicherung der Legitimation des staatlichen Strafanspruches, kann im Verwaltungsverfahren allenfalls eingeschränkt Gültigkeit haben. Im Unterschied zum strafprozessualen Verfahren hat jedenfalls im Verfahren zur Entziehung der Fahrerlaubnis die Behörde maßgeblich weitere Rechtsgüter auch Drittbetroffener wie das öffentliche Interesse am Schutz der Allgemeinheit vor Fahrerlaubnisinhabern, die sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen haben, zu beachten. Dieser Gesichtspunkt rechtfertigt es, dass auch eine ohne die erforderliche richterliche Anordnung erfolgte Blutentnahme für die Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis herangezogen werden kann, wenn die Blutentnahme gleichwohl erfolgte und der darauf beruhende Befundbericht einen Betäubungsmittelkonsum bestätigt. Ein Verbot, diese Tatsache für die Entscheidung über die Fahrerlaubnisentziehung zu verwerten, ergibt sich weder aus den Vorschriften der Straßenverkehrszulassungsordnung noch aus dem sonstigen Recht. Ihm steht auch das Interesse der Allgemeinheit, vor ungeeigneten Kraftfahrern geschützt zu werden, entgegen (vgl. Beschluss der Kammer v. 17.11.2009, Az. 5 V 1852/09 m.w.N.; bestätigt durch OVG Bremen, Beschl. v. 09.12.2009, Az. 1 B 386/09).
II.5. Eine ausreichende Trennung von Konsum und Fahren durch den Antragsteller ist nach derzeitiger Erkenntnis nicht gegeben. Ein ausreichendes Trennungsvermögen, das eine gelegentliche Einnahme von Cannabis im Hinblick auf die Verkehrssicherheit hinnehmbar erscheinen lässt, ist nur gegeben, wenn der Konsument Fahren und Konsum in jedem Fall in einer Weise trennt, dass eine Beeinträchtigung seiner verkehrsrelevanten Eigenschaften durch die Einnahme von Cannabis unter keinen Umständen eintreten kann. Ab welcher THC-Konzentration ein fahreignungsrelevanter Cannabiseinfluss anzunehmen ist, ist in der Rechtsprechung für den Bereich von Werten zwischen 1,0 und 2,0 ng/ml umstritten (vgl. u.a. VGH Mannheim, Urteil v. 15.11.2007, Az. 10 S 1272/07 m.w.N.; OVG Münster, Beschluss v. 09.07.2007, Az. 16 B 907/07; OVG Schleswig, Beschluss v. 06.07.2007, Az. 4 MB 46/07). Die Kammer geht mittlerweile in ständiger Rechtsprechung (vgl. Beschl. v. 10.02.2009, Az. 5 V 156/09; v. 13.10.2008, Az. 5 V 3072/08 und v. 25.06.2008, Az. 5 V 985/08 m.w.N., bestätigt durch OVG Bremen, Beschl. v. 08.08.2008, Az. 1 B 333/08) davon aus, dass bei gelegentlichem Cannabiskonsum und Fahren mit einer THC-Konzentration zwischen 1,0 und 2,0 ng/ml nicht nur Eignungsbedenken i.S.v. 46 Abs. 3 FeV bestehen. Neuere wissenschaftliche Untersuchungen sprechen gegen die Annahme, dass bei einer THC-Konzentration von unter 2 ng/ml eines Kraftfahrtzeugführers noch nicht von einer signifikanten Erhöhung des Risikos einer Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit durch die negativen Auswirkungen des Cannabiskonsums auf den Betroffenen auszugehen ist (überzeugend VGH Mannheim, Urt. v. 15.11.07, Az. 10 S 1272/07 m.w.N.; OVG Münster, Beschl. v. 09.07.07, Az. 16 B 907/07; OVG Schleswig, Beschl. v. 06.07.07, Az. 4 MB 46/07, alle in: www.fahrerlaubnisrecht.de). Im Falle des Antragstellers liegen die am 15. Januar 2010 festgestellten Blutwerte allerdings deutlich über den oben genannten Grenzwerten, so dass es hier nicht darauf ankommt, ob als Grenzwert 1,0 oder 2,0 ng/ml THC zugrunde gelegt werden. Es ist somit aufgrund des am 15. Januar 2010 festgestellten THC-Wertes von 3,4 ng/ml davon auszugehen, dass der Antragsteller Konsum und Fahren nicht von einander trennen kann.
Vorliegend treten auch keine weiteren Umstände hinzu, die trotz einer Bejahung der Voraussetzungen der Ziffer 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV den Entzug der Fahrerlaubnis ohne vorherige weitere Sachverhaltsaufklärung als nicht gerechtfertigt erscheinen lassen (vgl. BayVGH, Beschl. v. 20.11.2006, Az. 11 CS 06.118). Gemäß Vorbemerkung 3 zur Anlage 4 kann ausnahmsweise die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angezeigt sein, wenn es konkrete Anhaltspunkte dafür gibt, dass eine Abweichung der für den Regelfall in der Anlage vorgenommenen Bewertungen gerechtfertigt sein könnte. Anhaltspunkte für eine vom Regelfall abweichende Bewertung sind nicht ersichtlich. Die Annahme der Fahrungeeignetheit wird vielmehr durch den Umstand bekräftigt, dass der Antragsteller bereits wenige Tage nach dem Erwerb des Führerscheins auffällig wurde und nur wenige Tage später erneut unter Einfluss von Cannabis ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr führte.
II.6. Gegen das Absehen von einer Anhörung nach 28 Abs. 2 Nr. 1 BremVwVfG bestehen keine Bedenken. Nach dieser Norm kann von der Anhörung abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint. Nach obigen Ausführungen ist davon auszugehen, dass der Antragsteller Konsum und Fahren nicht voneinander trennen kann und daher ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeugs ist. Daher war eine sofortige Entscheidung im öffentlichen Interesse notwendig.
II.7. Schließlich besteht auch ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehung, denn diese dient der Abwehr von Gefahren, die mit einer weiteren Teilnahme des Antragstellers am öffentlichen Straßenverkehr einhergehen. Angesichts des festgestellten, gelegentlichen Konsums und den daraus resultierenden Eignungsbedenken muss das Interesse des Antragstellers, einstweilen bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache weiter ein Kraftfahrzeug führen zu dürfen, gegenüber diesem öffentlichen Interesse zurücktreten.
II.8. Die Verpflichtung des Antragstellers zur Ablieferung des Führerscheins folgt aus den 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, 47 Abs. 1 FeV.
II.9. Die Kostenentscheidung beruht auf 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf 53 Abs. 3, 52 Abs. 1 GKG.
Aussagekraft des THC-Werts bei Cannabiskonsum
Verwaltungsgericht des Saarlandes
Az: 10 K 955/10
Urteil vom 25.02.2011
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis.
Dem 1982 geborenen Kläger wurde am 09.03.2000 die Fahrerlaubnis der Klassen B, M und L erteilt.
Unter dem 23.01.2009 teilte die Polizeiinspektion . dem Beklagten gemäß 2 Abs. 12 Straßenverkehrsgesetz - StVG - mit, dass der Polizei Informationen über Tatsachen vorlägen, die auf nicht nur vorübergehende Mängel hinsichtlich der Eignung oder auf Mängel hinsichtlich der Befähigung des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen ließen. Gegen den Kläger sei ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts einer Trunkenheitsfahrt gemäß 24 a StVG eingeleitet worden, weil er unter der Wirkung eines der in der Anlage zu 24 a StVG genannten berauschenden Mittels im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug geführt habe. Der Kläger sei am 18.12.2008 einer Verkehrskontrolle unterzogen worden, wobei sich erste Hinweise auf eine Beeinflussung durch berauschende Mittel ergeben hätten. Ein von dem Kläger vor Ort freiwillig durchgeführter Drogen-Vortest habe positiv auf Tetrahydrocannabinol (THC) reagiert. Der Mitteilung beigefügt war ein toxikologisches Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universität des Saarlandes vom 13.01.2009, nach dessen Inhalt die dem Kläger anlässlich der Verkehrskontrolle am 18.12.2008 entnommene Blutprobe Werte von 0,0016 mg/l Tetrahydrocannabinol, Spuren von Hydroxy-THC und 0,011 mg/l Tetrahydrocannabinol-Carbonsäure aufwies. Der Beurteilung des Gutachters zufolge sei aufgrund der toxikologischen Untersuchung des Blutes des Klägers davon auszugehen, dass dieser Cannabis aufgenommen habe, sowie zusätzlich festzustellen sei, dass der in 24 a StVG geforderte sichere THC-Nachweis im Blut habe geführt werden können.
Nachdem das gegen den Kläger eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts einer Straftat nach 316 StGB von der Staatsanwaltschaft Saarbrücken unter dem 07.05.2009, 60 Js 354/09, eingestellt worden war, entzog der Beklagte dem Kläger durch Bescheid vom 04.03.2010 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß 3 Abs. 1 StVG die ihm am 09.03.2000 erteilte Fahrerlaubnis, forderte ihn zugleich auf, den Führerschein spätestens eine Woche nach Zustellung des Bescheides abzugeben und drohte ihm für den Fall der nicht fristgerechten Abgabe die Anwendung unmittelbaren Zwangs durch Wegnahme an. Zur Begründung heißt es, nach 3 Abs. 1 StVG i.V.m. 46 Abs. 1 FeV sei die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich jemand als ungeeignet oder nicht mehr befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweise. Bedenken gegen die körperliche oder gesundheitliche Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bestünden insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorlägen. Nach dem Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universität des Saarlandes vom 13.01.2009 sei in der Blutprobe des Klägers 0,011 mg/l Tetrahydrocannabinol-Carbonsäure (THC) festgestellt worden. Da THC aufgrund seines schnellen Abbaues nur relativ kurze Zeit nach Konsumende nachweisbar sei, lasse der beim Kläger ermittelte THC-Gehalt darauf schließen, dass er in zeitlichem Zusammenhang mit der Blutentnahme und damit auch mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges Cannabis konsumiert habe. Die festgestellte THC-Konzentration spreche für einen fahreignungsrelevanten Cannabiseinfluss. Da gemäß Ziffer 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV eine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen somit nicht vorliege, sei die Fahrerlaubnis zu entziehen.
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 19.03.2010 Widerspruch ein, zu dessen Begründung er geltend machte, dass es für den erforderlichen sicheren Nachweis des Führens eines Kraftfahrzeuges unter Drogeneinfluss die Feststellung eines deutlich über dem Ergebnis der Blutprobe liegenden Wertes von 0,011 mg/l Tetrahydrocannabinol-Carbonsäure bedurft hätte. Dieser Sichtweise habe sich auch die Staatsanwaltschaft Saarbrücken angeschlossen, indem sie das gegen ihn eingeleitete Strafverfahren schon vor über zehn Monaten eingestellt habe. Zwischenzeitlich liege der Vorfall annähernd 15 Monate zurück. Angesichts dieses Zeitablaufs könne ohne weitere Aufklärung nicht mehr davon ausgegangen werden, dass er geneigt sei, Betäubungsmittel zu konsumieren.
Mit aufgrund mündlicher Verhandlung vom 24.06.2010 ergangenem Widerspruchsbescheid vom 05.08.2010 wies der Kreisrechtsausschuss des Beklagten den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung wurde dargelegt, dem Kläger sei die Fahrerlaubnis gemäß 3 Abs. 1 StVG i.V.m. 46 Abs. 1 FeV zu entziehen gewesen, weil er sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr erwiesen habe. Der Kläger habe am 18.12.2008 ein Kraftfahrzeug geführt, obwohl er Cannabis, ein Betäubungsmittel im Sinne von 1 Betäubungsmittelgesetz (BtMG), konsumiert habe. Gemäß Ziffer 9.2.2. der Anlage 4 zur FeV sei ein Kraftfahrer, der Cannabis einnehme und hierbei Kraftfahren und Drogenkonsum nicht trenne, zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht geeignet. Der ausweislich des Gutachtens des Instituts für Rechtsmedizin der Universität des Saarlandes vom 13.01.2009 im Blut des Klägers festgestellte Tetrahydrocannabinol-Carbonsäure (THC)-Gehalt von 0,011 mg/l belege, dass dieser nicht in der Lage sei, hinreichend zwischen Konsum von Drogen und dem Fahren eines Kraftfahrzeuges zu trennen. Von einem fehlenden Trennungsvermögen sei dann auszugehen, wenn bei dem betreffenden Kraftfahrer eine kraftfahreignungsrelevante THC-Konzentration im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges festgestellt werde. Der hierfür maßgebliche Grenzwert liege bei 2,0 ng/l = 0,002 mg/l vor. Aufgrund des im Blut des Klägers festgestellten THC-Gehalts von 0,011 mg/l sei daher davon auszugehen, dass er mangels Trennungsvermögens zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht geeignet sei. Der Kläger sei daher nunmehr verpflichtet, nachzuweisen, dass bei ihm Drogenfreiheit bestehe. Allein der Hinweis auf den Zeitablauf seit der Fahrt des Klägers unter Drogeneinfluss begründe keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis. Das Zeitmoment sei für sich genommen kein Nachweis dafür, dass der Kläger drogenfrei sei.
Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger zu Händen seiner Prozessbevollmächtigten gegen Empfangsbestätigung am 10.08.2010 zugestellt.
Am 10.09.2010 hat der Kläger Klage erhoben, zu deren Begründung er sich darauf beruft, dass der Beklagte, obwohl er bereits am 23.01.2009 davon Kenntnis erlangt habe, dass er ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr nach Genuss von Cannabis geführt habe, erst am 04.03.2010, mithin über 13 Monate nach Kenntniserlangung, die ihm erteilte Fahrerlaubnis entzogen habe. Dem Beklagten sei vorzuwerfen, dass er ohne weitere Aufklärung seine fortbestehende Ungeeignetheit zum Führen eines Kraftfahrzeuges unterstellt habe. Dabei habe der Beklagte weder dem relevanten Zeitablauf irgendeine Bedeutung beigemessen, noch den Umstand gewürdigt, dass er jedwede Drogen letztmalig vor der Verkehrskontrolle am 18.12.2008 konsumiert habe und in der Folgezeit völlig drogenfrei geblieben sei. Der Beklagte hätte seinem Hinweis auf die bei ihm bestehende Drogenfreiheit nachgehen und eine entsprechende Untersuchung anordnen müssen, zumal er seine Bereitschaft hierzu signalisiert gehabt habe.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich, den Bescheid des Beklagten vom 04.03.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Kreisrechtsausschusses des Beklagten vom 05.08.2010 aufzuheben und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Beklagte verweist auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden und beantragt schriftsätzlich, die Klage abzuweisen.
Mit Schriftsätzen vom 20.09. und 26.10.2010 haben die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten, die beigezogenen Verwaltungsunterlagen des Beklagten und des Kreisrechtsausschusses des Beklagten sowie die Verfahrensakten 60 Js 354/09 und 11 (12) Js 183/09 der Staatsanwaltschaft Saarbrücken, deren Inhalt Gegenstand der Beratung der Kammer war.
Entscheidungsgründe
Da die Beteiligten übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet haben, konnte gemäß 101 Abs. 2 VwGO im schriftlichen Verfahren entschieden werden.
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
Der Bescheid des Beklagten vom 04.03.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Kreisrechtsausschusses des Beklagten vom 05.08.2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten ( 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis des Klägers sind die 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, 46 Abs. 1 Satz 1 FeV. Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde dem Inhaber einer Fahrerlaubnis, der sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist, die Fahrerlaubnis zu entziehen. Dies gilt gemäß 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Gemäß Ziffer 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV ist bei einer gelegentlichen Einnahme von Cannabis in der Regel nicht mehr von der Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeuges auszugehen, wenn der Fahrerlaubnisinhaber nicht zwischen Konsum und Fahren zu trennen vermag.
Davon ausgehend hat der Beklagte den Kläger nach dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Verfügungen, hier also des zuletzt ergangenen Widerspruchsbescheides vom 05.08.2010, so ausdrücklich BVerwG, u. a. Urteile vom 28.04.2010, 3 C 2.10, NJW 2010, 3318, und vom 25.02.2010, 3 C 15.09, Blutalkohol 47, 251, zu Recht als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen angesehen. Ein ausreichendes Trennungsvermögen, das eine gelegentliche Einnahme von Cannabis im Hinblick auf die Verkehrssicherheit noch hinnehmbar erscheinen lässt, ist nur gegeben, wenn der Konsument Fahren und Konsum in jedem Fall in einer Weise trennt, dass eine Beeinträchtigung seiner verkehrsrelevanten Eigenschaften durch die Einnahme von Cannabis unter keinen Umständen eintreten kann. Dabei muss zum einen Berücksichtigung finden, dass nach den Erkenntnissen der medizinischen Forschung über die Wirkungsweise und den Abbauprozess des psychoaktiv wirkenden Cannabiswirkstoffes Tetrahydrocannabinol (THC) bereits bei einer THC-Konzentration von 1,0 ng/ml von einem zeitnahen Cannabiskonsum auszugehen ist und daher Leistungsbeeinträchtigungen zumindest möglich erscheinen. Dem entspricht auch im Bereich des Ordnungswidrigkeitenrechts der von der Grenzwertkommission in ihrem Beschluss zu 24 a Abs. 2 StVG vom 20.11.2002 angegebene Grenzwert von 1,0 ng/ml, ab dem die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Kraftfahrzeugführer am Straßenverkehr teilgenommen hat, obwohl seine Fahrtüchtigkeit durch den Cannabiskonsum eingeschränkt war.
Vgl. dazu ausführlich BVerfG, Beschluss vom 21.12.2004, 1 BvR 2652/03, NJW 2005, 349
Zum anderen muss gesehen werden, dass dem Cannabiskonsument, dem der exakte Wirkungsgrad der konsumierten Betäubungsmittelmenge ohnehin unbekannt ist, die Festlegung eines Zeitpunktes, zu dem die THC-Konzentration in seinem Blut einen bestimmten Wert unterschreitet, erst recht nicht möglich ist.
So überzeugend VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13.12.2007, 10 S 1272/07, Blutalkohol 45, 210, und Beschluss vom 27.03.2006, 10 S 2519/05, NJW 2006, 2135
Insoweit spricht bereits vieles dafür, dass bei gelegentlichem Konsum von Cannabis bereits bei einer THC-Konzentration von mindestens 1,0 ng/ml ein fehlendes Trennungsvermögen im Sinne von Ziffer 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV und damit eine Fahrungeeignetheit des Konsumenten anzunehmen ist. In diesem Fall hat der Betreffende nämlich nach dem bewussten Konsum von Cannabis zeitnah ein Kraftfahrzeug geführt, obwohl er, wie gerade das Ergebnis der Blutprobe zeigt, nicht sicher sein konnte, dass in seinem Blut die psychoaktiv wirkende Substanz THC nicht mehr in relevantem Umfang vorhanden ist. Dann liegt aber zugleich auch die Annahme nahe, dass sich der Betreffende dadurch, dass er sich über das Risiko einer möglichen Beeinträchtigung seiner Fahreignung infolge des Konsums von Cannabis hinweggesetzt hat, als charakterlich ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeuges erwiesen hat.
Vgl. zuletzt Kammerurteile vom 16.12.2010, 10 K 27/10, und vom 24.02.2009, 10 K 724/09; ferner VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13.12.2007, 10 S 1272/07, a. a. O.
Dies zugrunde legend ist im Fall des Klägers von dem Fehlen des erforderlichen Trennungsvermögens auszugehen. Ausweislich des Gutachtens des Instituts für Rechtsmedizin der Universität des Saarlandes vom 13.01.2009 hat die toxikologische Untersuchung der dem Kläger am 18.12.2008 entnommenen Blutprobe Werte von 0,0016 mg/l Tetrahydrocannabinol, Spuren von Hydroxy-THC sowie 0,011 mg/l Tetrahydrocannabinol-Carbonsäure ergeben, und konnte aus gutachterlicher Sicht der in 24 a StVG geforderte sichere THC-Nachweis im Blut des Klägers geführt werden. Anlass, an der Richtigkeit dieser gutachterlich getroffenen Feststellungen zu zweifeln, bestehen nicht. Aufgrund der festgestellten THC-Konzentration von 0,0016 mg/l = 1,6 ng/ml im Blut des Klägers ist damit aber hinreichend belegt, dass der Kläger am 18.12.2008 unter fahreignungsrelevantem Cannabiseinfluss ein Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr geführt hat. Dieser doch deutlich über dem von der Grenzwertkommission in ihrem Beschluss vom 20.11.2002 festgesetzten Grenzwert von 1,0 ng/ml liegende THC-Gehalt rechtfertigt fallbezogen die Annahme eines zeitnahen Cannabiskonsums mit einer entsprechenden Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit des Klägers und belegt zugleich, dass der Kläger zur Trennung von Cannabiskonsum und Führen eines Fahrzeugs im Straßenverkehr nicht in der Lage ist.
Im Weiteren ist der Kläger zumindest als gelegentlicher Konsument von Cannabis im Sinne von Ziffer 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV anzusehen. Zwar ergibt sich dies nicht schon mit der erforderlichen Sicherheit aus der in der Blutprobe des Klägers festgestellten Konzentration von Tetrahydrocannabinol-Carbonsäure, weil diese ausweislich des Gutachtens des Instituts für Rechtsmedizin der Universität des Saarlandes vom 13.01.2009 mit einem Wert von 0,011 mg/l = 11 ng/l in einem Bereich liegt, der sowohl bei einmaligem als auch bei gelegentlichem Konsum vorgefunden wird.
Vgl. hierzu den Beschluss der Kammer vom 14.02.2008, 10 L 2082/07, mit den entsprechenden Nachweisen aus der Rechtsprechung
Allerdings hat der Kläger, der im Zeitpunkt des Führens eines Kraftfahrzeuges am 18.12.2008 bewusst Cannabis konsumiert hatte, in keiner Weise substantiiert dargelegt, dass insoweit ein einmaliger oder experimenteller Cannabiskonsum stattgefunden hätte. Der Kläger hat während des gesamten Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens zu seinem Konsumverhalten keine Angaben gemacht, sondern lediglich darauf hingewiesen, dass er jedwede Drogen letztmalig vor dem Vorfall am 18.12.2008 konsumiert habe. Lässt aber das Vorbringen des Klägers jegliche näheren Angaben, unter welchen Umständen es überhaupt zu dem Konsum von Cannabis gekommen war und inwiefern es sich um ein erst- und einmaliges Ereignis gehandelt hat, vermissen, ist es ohne Weiteres gerechtfertigt, ihn zumindest als gelegentlichen Konsumenten von Cannabis im Sinne von Ziffer 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV anzusehen.
Vgl. hierzu auch die Beschlüsse der Kammer vom 10.09.2010, 10 L 650/10, und vom 06.03.2009, 10 L 80/09
Entgegen der Auffassung des Klägers begegnet es dabei keinen rechtlichen Bedenken, dass der Beklagte die Fahrerlaubnis ohne vorherige weitere Aufklärung des Sachverhalts durch Einholung eines ärztlichen oder medizinisch-psychologischen Gutachtens unmittelbar entzogen hat. Ein ärztliches oder medizinisch-psychologisches Gutachten kommt nur dann in Betracht, wenn im Einzelfall das festgestellte Verhalten des Fahrerlaubnisinhabers noch nicht zwingend seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausschließt, aber insoweit Bedenken begründet, die es zu klären gilt. Steht dem gegenüber wie hier die mangelnde Kraftfahreignung zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde bereits fest, hat gemäß 46 Abs. 3 i. V. m. 11 Abs. 7 FeV eine weitere Aufklärung des Sachverhalts durch Anordnung zur Beibringung eines ärztlichen oder medizinisch-psychologischen Gutachtens zu unterbleiben.
Die Annahme der fehlenden Eignung des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen im Sinne von 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, 46 Abs. 1 Satz 1 FeV wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Staatsanwaltschaft Saarbrücken das gegen den Kläger geführte Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts einer Straftat gemäß 316 StGB unter dem 07.05.2009 eingestellt hat. Dass die strafrechtlichen Ermittlungen nicht zu einer Verurteilung des Klägers nach 316 StGB geführt haben, bei der gemäß 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB in der Regel auch die Annahme der Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen gerechtfertigt ist, bedeutet nicht, dass sich die fehlende Kraftfahreignung nicht auch aus anderen Vorschriften, insbesondere straßenverkehrsrechtlicher Art, ergeben kann.
Vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 19.07.2010, 1 B 192/10
Keine andere rechtliche Beurteilung ist schließlich wegen des von dem Kläger angeführten Zeitablaufs seit dem festgestellten Cannabiskonsum geboten. Die Anknüpfung der Eignungsbeurteilung an die Einnahme von Betäubungsmitteln bedeutet nämlich nicht, dass die Einnahme bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens über die Entziehung der Fahrerlaubnis andauern muss. Wer Betäubungsmittel eingenommen hat, gewinnt die Eignung nicht schon mit dem ersten Abstandnehmen von weiterem Konsum zurück. Vielmehr setzt ein Nachweis der (wiedererlangten) Eignung einen stabilen Einstellungswandel voraus, der es wahrscheinlich macht, dass der Betroffene auch in Zukunft entweder drogenfrei lebt oder wie hier erforderlich zumindest in der Lage ist, zwischen Konsum und Fahren zuverlässig zu trennen.
Vgl. OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 26.06.2009, 1 B 373/09, und vom 07.09.2006, 1 W 39/06
Einen solchen Einstellungswandel hat der Kläger auch nicht ansatzweise in hinreichend substantiierter Weise dargetan, geschweige denn durch entsprechende Nachweise zu belegen versucht. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides vom 05.08.2010 konnte der Beklagte daher ohne Weiteres von einer Fortdauer der fehlenden Kraftfahreignung des Klägers ausgehen.
Erweist sich nach alledem die Entziehung der Fahrerlaubnis des Klägers durch den Beklagten als rechtmäßig, unterliegt im Weiteren auch die zugleich in dem angefochtenen Bescheid vom 04.03.2010 ausgesprochene Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins sowie die Androhung der Anwendung unmittelbaren Zwangs für den Fall der nicht fristgerechten Abgabe keinen rechtlichen Bedenken.
Die Verpflichtung des Klägers zur Abgabe des Führerscheins findet ihre Rechtsgrundlage in den 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, 47 Abs. 1 FeV. Durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheides vom 04.03.2010 war die Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins entsprechend 18 Abs. 1 SVwVfG vollstreckbar, so dass der Beklagte ein Zwangsmittel androhen konnte. Auch im Übrigen ist die Androhung des unmittelbaren Zwangs gemäß 19, 22, 22 a, 22 b SVwVfG rechtlich nicht zu beanstanden.
Die Klage ist daher mit der Kostenfolge aus 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Berufung wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß 124 Abs. 1, 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird gemäß 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG entsprechend der Empfehlung in Nr. 46.3 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004 auf 5.000,-- Euro festgesetzt.
Fahrlässige Fahrt unter Drogeneinfluss nach Konsum
Oberlandesgericht Celle
Az: 322 SsBs 247/08
Beschluss vom 09.12.2008
In der Bußgeldsache wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit
hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Celle auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts N./W. - Zweig-stelle H. - vom 10. Juni 2008 am 9. Dezember 2008 beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen, mit Ausnahme jener zum objektiven Tatgeschehen, aufgehoben.
Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird gemäß 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 349 Abs. 2 StPO verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts N. - Zweigstelle H. - zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeuges unter Wirkung eines berauschenden Mittels zu einer Geldbuße von 250 EUR verurteilt und ein einmonatiges Fahrverbot verhängt.
Nach den Feststellungen befuhr der Betroffene am 11. Mai 2007 um 17:50 Uhr mit einem Pkw die B.straße in N., obwohl die Untersuchung einer dem Betroffenen um 18:25 Uhr entnommenen Blutprobe einen Tetrahydrocannabinol-Gehalt von 2,7 ng/ml ergab. Der Betroffene hatte am Vorabend der Tat gegen 19:00 Uhr Cannabis konsumiert und musste deshalb nach Auffassung des Amtsgerichts zum Tatzeitpunkt damit rechnen, noch berauschende Mittel im Blut zu haben.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Mit der Verfahrensrüge beanstandet er, dass die Ergebnisse der Blutuntersuchung verwertet worden sind, obwohl die Blutprobe ohne vorherige richterliche Anordnung entnommen worden ist. Mit der Sachrüge wird insbesondere geltend gemacht, dass angesichts des geringen festgestellten THC-Gehalts und des zeitlichen Abstands zwischen Rauschmittelkonsum und Fahrt die Feststellungen des Amtsgerichts zum Fahrlässigkeitsvorwurf unzureichend seien.
Der Einzelrichter hat mit Beschluss vom 18. November 2008 die Sache im Hinblick auf den letztgenannten Gesichtspunkt zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß 80 a Abs. 3 OWiG auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.
II.
Das zulässige Rechtsmittel hat mit der Sachrüge jedenfalls vorläufig weitgehend Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang.
1. Die Verfahrensrüge ist allerdings nicht in zulässiger, 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, 79 Abs. 3 OWiG genügender Weise erhoben, weil der diesbezügliche Vortrag in Teilen falsch bzw. widersprüchlich und auch unvollständig ist, sodass allein aufgrund der Rechtsbeschwerdebegründung eine Schlüssigkeitsprüfung, ob der behauptete Verfahrensfehler vorliegt, wenn das Vorbringen der Rechtsbeschwerde zutrifft, nicht möglich ist. So behauptet die Rechtsbeschwerde, der Verteidigungsschriftsatz vom 9. Juni 2008, mit dem der Verwertung von Blutprobe und Befundbericht widersprochen worden sei, sei in der Hauptverhandlung verlesen worden. Das ist indes ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 10. Juni 2008, dem insoweit gemäß 274 StPO, 46 Abs. 1 OWiG negative Beweiskraft zukommt, weil es sich bei der Verlesung einer Urkunde um eine wesentliche Förmlichkeit handelt (BGHR 274 StPO, "Beweiskraft 13"), nicht der Fall gewesen. Im Sitzungsprotokoll ist vielmehr lediglich vermerkt, dass der Verteidiger einen Schriftsatz vom 09.06.2008 überreicht hat.
Weiterhin fehlt es zur Frage der Zustimmung zur Blutprobenentnahme an jeglichem Vortrag dazu, wie der Betroffene am Tattag konkret auf den Vorschlag oder das Angebot einer Blutprobenentnahme reagiert hat. Das Vorbringen erschöpft sich insoweit in einer Bewertung der damaligen Situation mit dem Ergebnis, dass der Betroffene tatsächlich gar keine Wahlmöglichkeit gehabt habe. Auch fehlt es an einer Darstellung der Stellungnahme des Polizeibeamten H. vom 24. August 2007, in der es ausdrücklich heißt, der Betroffene "stimmte der Maßnahme zu."
2. Mit der Sachrüge hat der Betroffene demgegenüber im Wesentlichen Erfolg. Allerdings bleiben die Feststellungen des Amtsgerichts zum objektiven Tatgeschehen, also das Führen eines Pkw in der B.straße in N. am 11.05.2007 um 17:50 Uhr mit einem THC-Gehalt von 2,7 ng/ml, bestehen. Insoweit verwirft der Senat die Rechtsbeschwerde auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft gemäß 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 349 Abs. 2 StPO.
3. Die Feststellungen zur subjektiven Tatseite konnten indes keinen Bestand haben. Das Amtsgericht hat insoweit ausgeführt, der Betroffene habe fahrlässig gehandelt. Ihm sei nach seiner eigenen Einlassung bewusst gewesen, am Vortag gegen 19:00 Uhr Cannabis konsumiert zu haben. Damit musste er damit rechnen, auch am Folgetag noch berauschende Mittel im Blut zu haben. Diese Erwägungen tragen den Schuldspruch in subjektiver Hinsicht nicht.
Fahrlässig i. S. des 10 OWiG handelt, wer die Sorgfalt außer acht lässt, zu der er nach den Umständen und seinen Fähigkeiten verpflichtet und in der Lage ist und deshalb entweder die Tatbestandsverwirklichung nicht vorhersieht (unbewusste Fahrlässigkeit) oder zwar die Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung erkennt, aber ernsthaft darauf vertraut, dass sie nicht eintritt ("bewusste Fahrlässigkeit", vgl. zum Ganzen nur Göhler, OWiG, 14. Aufl., Rdnr. 6 zu 10 m. w. N.).
Im Hinblick auf den Tatbestand des 24 a Abs. 2 StVG bedeutet dies, dass Fahrlässigkeit voraussetzt, der Betroffene habe die Möglichkeit der fortbestehenden Wirkung des Rauschmittelkonsums bei Fahrtantritt entweder erkannt oder jedenfalls hätte erkennen können und müssen. Es genügt also nicht etwa das bloße Wissen um den Konsum (herrschende obergerichtliche Rechtsprechung: OLG Hamm, Beschluss vom 20.05.2008, 5 Ss OWi 282/08, juris; OLG Frankfurt, NStZ-RR 2007, 249 f. = StV 2008, 24 f.; OLG Saarbrücken, NZV 2007, 320 f.; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 29.06.06, 1 Ss 88/06, juris; OLG Bremen, NZV 2006, 276 f.; soweit der Entscheidung des BayObLG vom 26.02.2004, 2 ObOWi 45/04, BA 2006, 47, eine andere Auffassung entnommen werden könnte, dürfte dieser heute keine Bedeutung mehr zukommen, weil sie vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21.12.2004, 1 BvR 2652/03, NZV 2005, 270 ff., ergangen ist, nach der entgegen dem Wortlaut des 24 a Abs. 2 StVG der Tatbestand nur bei einer THC-Konzentration deutlich oberhalb des Nullwertes erfüllt ist und Wirk- und Nachweiszeit nicht mehr gleichgesetzt werden dürfen). Fahrlässigkeit ist deshalb nur dann ohne Weiteres anzunehmen, wenn der Betroffene sich in zeitlicher Nähe zum Cannabiskonsum an das Steuer eines Kraftfahrzeuges setzt, weil grundsätzlich nicht erforderlich ist, dass sich der Betroffene einen spürbaren oder messbaren Wirkstoffeffekt vorgestellt hat, zumal die Unberechenbarkeit von Rauschdrogen nicht außer Betracht bleiben kann (vgl. OLG Saarbrücken VRS 112, 54 ff. = NJW 2007, 309 ff.; OLG Frankfurt a. a. O.). An der Erkennbarkeit der fortwährenden Wirkung des Rauschmittels zum Tatzeitpunkt kann es aber ausnahmsweise fehlen, wenn zwischen Drogenkonsum und Fahrt eine größere Zeitspanne liegt (ebenso die bereits oben zitierten Oberlandesgerichte). Das ist auch bei einer Zeitspanne von knapp 23 Stunden zwischen Drogenkonsum und Fahrt, wie ihn das Amtsgericht hier angenommen hat, der Fall (ebenso OLG Frankfurt a. a. O.; vgl. auch OLG Saarbrücken NZV 2007, 320 f.: "mehr als 28 Stunden").
In einem solchen Fall bedarf es näherer Ausführungen dazu, aufgrund welcher Umstände sich der Betroffene hätte bewusst machen können, dass der Cannabiskonsum noch Auswirkungen haben konnte (OLG Saarbrücken a. a. O.; OLG Frankfurt a. a. O.). Die Vorstellung des Betroffenen ist unter Würdigung sämtlicher zur Verfügung stehender Beweismittel vom Tatgericht festzustellen (OLG Hamm a. a. O.). Zu all dem verhält sich das angefochtene Urteil indes nicht. Insbesondere fehlen Feststellungen dazu, weshalb der Betroffene seinerzeit kontrolliert worden ist, in welcher Menge und Qualität Cannabis konsumiert worden ist und ob der Betroffene regelmäßiger Konsument ist, weil sich aus diesen Umständen Rückschlüsse auf das Vorstellungsbild des Betroffenen möglicherweise ziehen lassen. Das Amtsgericht teilt auch nicht mit, ob und wie sich der Betroffene selbst in diesem Zusammenhang eingelassen hat, sondern führt lediglich aus, dass der Betroffene Cannabiskonsum am Vortag um 19:00 Uhr eingeräumt hat. Diese Einlassung übernimmt das Amtsgericht im Übrigen ungeprüft, ohne etwa mit sachverständiger Beratung zu hinterfragen, ob die Einlassung mit dem Ergebnis der Blutuntersuchung, auch was 11-Hydroxy-Tetrahydrocannabinol- und THC-Carbonsäurewerte angeht, zu vereinbaren ist. Das Amtsgericht wird deshalb zur Frage der Fahrlässigkeit ergänzende Feststellungen zu treffen und insgesamt eine neue Prüfung zu den subjektiven Voraussetzungen des 24 a Abs. 2 StVG vorzunehmen haben. Dabei kann u. a. eine Rolle spielen, welcher Umstand die Polizeibeamten am Tattag veranlasst hat, eine Blutprobe anzuordnen.
Langer Zeitraum zwischen Cannabiskonsum und Fahrt-
Oberlandesgericht Zweibrücken
Az: 1 Ss 178/08
Beschluss vom 06.01.2009
In dem Bußgeldverfahren wegen Verkehrsordnungswidrigkeit nach 24a StVG hier: Rechtsbeschwerde hat der Senat für Bußgeldsachen des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken am 6. Januar 2009 beschlossen:
1. Dem Betroffenen, der die Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 21. August 2008 versäumt hat, wird auf seinen Antrag und auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Damit ist der Beschluss vom 30. Oktober 2008, durch den das Amtsgericht die Rechtsbeschwerde als unzulässig verworfen hat, gegenstandslos.
2. Auf die Rechtsbeschwerde wird das angefochtene Urteil mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die weiteren Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Neustadt an der Weinstraße zurückverwiesen.
Gründe:
Das nach Gewährung der Wiedereinsetzung ( 46 Abs. 1 OWiG; 44, 473 Abs. 7 StPO) zulässige Rechtsmittel des Betroffenen, das als Rechtsbeschwerde auszulegen ist ( 46 Abs. 1 OWiG; 300 StPO) führt in der Sache zu einem vorläufigen Erfolg.
Nicht zu beanstanden ist es allerdings, dass der Erstrichter den objektiven Tatbestand des 24a Abs. 2 StVG angesichts des bei der dem Betroffenen entnommenen Blutprobe festgestellten THC-Gehalts von 1,4 ng/mL bejaht hat. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde steht dies im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG NJW 2005, 349) und mehrerer Obergerichte (OLG Saarbrücken NJW 2007, 309, 311; OLG Karlsruhe NStZ 2007, 488; OLG Frankfurt NStZ-RR 2007, 249; OLG Bamberg DAR 2006, 286; OLG Bremen NZV 2006, 276; OLG Köln NStZ-RR 2005, 385, 386; s.a. Jagow u.a., Straßenverkehrsrecht 20. Aufl. 24a StVG Rn. 5a; Hentschel, Straßenverkehrsrecht 39. Aufl. 24a StVG Rn. 21), wie sie auch vom Senat vertreten wird (OLG Zweibrücken NJW 2005, 2168).
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts kann aber hier aus der Feststellung eines THC-Wertes in der hier gegebenen Größenordnung nicht ohne weiteres geschlossen werden, dass die Ordnungswidrigkeit wenigstens fahrlässig begangen sei. Nach der auch vom Erstgericht genannten Entscheidung des OLG Frankfurt (veröffentlicht in NStZ-RR 2007, 249) ist nicht nur eine vorsätzliche, sondern auch eine fahrlässige Begehungsweise in Frage gestellt, wenn zwischen der Fahrt und dem Genuss der Droge ein längerer Zwischenraum liegt. Fahrlässig in diesem Sinne handelt nämlich, wer in zeitlicher Nähe zum Fahrtantritt Cannabis konsumiert und sich dennoch ans Steuer setzt, ohne sich bewusst zu machen, dass der Abbau noch nicht vollständig erfolgt ist, obwohl ihm dies erkennbar ist. Bereits an der Erkennbarkeit der Wirkung des Rauschmittels zum Tatzeitpunkt kann es bei längeren Zwischenräumen aber ausnahmsweise fehlen. Aus diesen Erwägungen heraus könne nicht ohne weiteres von einer Vorhersehbarkeit der Tatbestandsverwirklichung ausgegangen werden, wenn der Zwischenraum knapp einen Tag und die festgestellte THC-Konzentration nur etwas mehr als das zweifache des o.a. Grenzwertes von 1,0 ng/mL beträgt (OLG Frankfurt a.a.O.; s.a. OLG Saarbrücken NJW 2007, 309, 311; OLG Bremen NZV 2006, 276; OLG Hamm NStZ 2005, 709 f.; Jagow a.a.O., 24a StVG Rn. 7a).
So liegt der Fall aber auch hier. Die THC-Konzentration im Blut lag mit 1,4 ng/mL nicht weit über dem Grenzwert. Die Einlassung des Betroffenen, wonach zum Zeitpunkt der Fahrt der letzte Cannabis-Konsum mindestens zwei Tage zurückgelegen hat, hat der Erstrichter offenbar als nicht widerlegt angesehen. Auf nähere Feststellungen zu den beim Betroffenen aufgetretenen Ausfallerscheinungen und ihrer Bewertung wurde ebenso verzichtet wie hinsichtlich der begleitenden Blutalkoholkonzentration von 0,27 %o (Urteil S. 6, Bl. 62 d.A.).
Das Urteil ist daher mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen unter Zurückverweisung der Sache aufzuheben ( 46 Abs. 1, 79 Abs. 6 OWiG; 353 f. StPO). Das Amtsgericht wird in einer neuen Hauptverhandlung, wohl mit Hilfe eines Sachverständigen, zu klären haben, ob sich hinreichende Indizien für die Erkennbarkeit der fortdauernden Wirkung des Rauschmittels zum Tatzeitpunkt feststellen lassen, oder ob eine zeitnähere als die sich bisher nach dem Zweifelssatz ergebende Rauschmitteleinnahme in Betracht kommt (vgl. auch insoweit OLG Frankfurt NStZ-RR 2007, 250; OLG Saarbrücken NJW 2007, 309, 311; OLG Hamm NStZ 2005, 709, 710). Das Amtsgericht wird auch, soweit noch nicht geschehen, über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu befinden haben.
Definition regelmäßiger Cannabiskonsum
Bundesverwaltungsgericht
Az.: 3 C 1.08
Urteil vom 26.02.2009
In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 26. Februar 2009 für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 13. Dezember 2007 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Gründe:
I.
Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis.
Dem 1982 geborenen Kläger wurde 1998 die Fahrerlaubnis der Klasse A1 und zwei Jahre später die Fahrerlaubnis der Klasse B erteilt.
Am 11. Februar 2005 trat der Kläger gegen 9:00 Uhr eine Fahrt mit dem PKW an. Gegen 11:25 Uhr wurde er einer Verkehrskontrolle unterzogen. Dabei stellten die Polizeibeamten fest, dass der Kläger leicht zitterte, beim Stehen auf einem Bein Gleichgewichtsstörungen hatte und sehr nervös war. Der Kläger räumte ein, am Vorabend eineinhalb Joints geraucht zu haben. Außerdem gab er an, seit ca. einem halben bis dreiviertel Jahr nahezu täglich Cannabis zu konsumieren. Um 12:11 Uhr wurde beim Kläger eine Blutprobe entnommen. Sie ergab eine Konzentration von Tetrahydrocannabinol (THC) von 2,1 ng/ml, von Hydroxytetrahydrocannabinol (THC-OH) von 0,7 ng/ml und von THC-Carbonsäure (THC-COOH) von 14,2 ng/ml.
Mit Bescheid vom 8. Juli 2005 entzog die Beklagte dem Kläger daraufhin die Fahrerlaubnis, gab ihm auf, seinen Führerschein abzuliefern, und drohte ihm für den Fall der nicht rechtzeitigen Ablieferung die Anwendung unmittelbaren Zwangs an. Zur Begründung heißt es, der Kläger sei wegen gelegentlichen Cannabiskonsums und fehlender Trennung dieses Konsums vom Führen eines Kraftfahrzeuges gemäß Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet. Der Widerspruch des Klägers blieb ohne Erfolg.
Das Verwaltungsgericht hat seine Klage mit Urteil vom 11. Oktober 2006 abgewiesen. Es könne dahingestellt bleiben, ob der Kläger wegen regelmäßiger Einnahme von Cannabis nach Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung ungeeignet sei. Jedenfalls fehle ihm die Fahreignung nach Nr. 9.2.2 dieser Anlage, da er zumindest gelegentlich Cannabis konsumiere und diesen Konsum nicht vom Führen von Kraftfahrzeugen trenne, wie die Fahrt unter Drogeneinfluss am 11. Februar 2005 zeige. Leistungsbeeinträchtigungen und damit eine Gefährdung der Verkehrssicherheit seien bereits bei einer THC-Konzentration von 1,0 ng/ml möglich.
Die Berufung des Klägers hat der Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 13. Dezember 2007 zurückgewiesen und dazu ausgeführt: Die fehlende Fahreignung des Klägers ergebe sich in erster Linie aus Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung. Er habe einen zumindest gelegentlichen Cannabiskonsum eingeräumt. Das fehlende Trennungsvermögen sei durch die Fahrt am 11. Februar 2005 belegt. Auch bei Berücksichtigung von Messwertungenauigkeiten, die der Kläger auf bis zu 40 % beziffere, hätte bei ihm noch eine THC-Konzentration von zumindest 1,26 ng/ml und damit eine Beeinträchtigung der Fahrtauglichkeit vorgelegen. Bei einer THC-Konzentration zwischen 1,0 und 2,0 ng/ml sei das Risiko einer Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit bereits signifikant erhöht. Von ausreichendem Trennungsvermögen könne nur dann ausgegangen werden, wenn Konsum und Fahren in jedem Fall so getrennt würden, dass eine Beeinträchtigung der verkehrsrelevanten Fähigkeiten unter keinen Umständen eintreten könne. Sei nach einer Autofahrt eine THC-Konzentration von 1 ng/ml festgestellt worden, habe sich der Betroffene dessen aber gerade nicht sicher sein können. Soweit nur die Verpflichtung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens für gerechtfertigt gehalten werde, bleibe unklar, was mit diesem Gutachten geklärt werden solle. Die fehlende Fahreignung des Klägers ergebe sich ergänzend aus Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung, weil er regelmäßig Cannabis zu sich nehme. Gegenüber den Polizeibeamten habe er eingeräumt, seit ca. einem halben bis dreiviertel Jahr nahezu täglich Cannabis konsumiert zu haben. Es sei unglaubhaft, wenn er das nun bestreite. Die Gegenüberstellung der Nummern 9.2.1 und 2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung zeige, dass mit regelmäßiger Einnahme von Cannabis ein Konsum gemeint sei, der nach wissenschaftlichem Erkenntnisstand ohne das Hinzutreten weiterer Umstände, wie etwa fehlenden Trennungsvermögens, im Regelfall die Fahreignung ausschließe. Dies sei nach den vorliegenden Erkenntnissen bei einem täglichen oder nahezu täglichen Cannabiskonsum der Fall.
Zur Begründung seiner Revision macht der Kläger geltend: Dass er den Cannabiskonsum nicht vom Fahren trennen könne, sei nicht erwiesen. Der vom Gericht gezogene Schluss von der bei ihm nach der Fahrt festgestellten THC-Konzentration auf einen vermeintlich erheblich höheren Wert bei Fahrtbeginn sei unzulässig, da THC bei niedrigen Konzentrationen nicht linear abgebaut werde. Bei Messwerten unter 2 ng/ml THC sei das Risiko einer Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit durch den Cannabiskonsum nicht signifikant erhöht. Zu Unrecht habe sich das Berufungsgericht auch der Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes nicht angeschlossen, dass bei THC-Werten zwischen 1,0 und 2,0 ng/ml zunächst ein medizinisch-psychologisches Gutachten einzuholen sei. Die der Nr. 9.2.1. der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung zugrunde liegende Annahme, regelmäßiger Cannabiskonsum führe ohne Weiteres zu fehlender Fahreignung, sei durch neuere wissenschaftliche Erkenntnisse überholt.
Die Beklagte tritt der Revision entgegen.
II.
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Berufungsgericht ist ohne Verstoß gegen Bundesrecht ( 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) zum Ergebnis gekommen, dass dem Kläger wegen regelmäßigen Cannabiskonsums die Fahreignung fehlte, so dass ihm die Fahrerlaubnis entzogen werden musste.
Gemäß 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) und 46 Abs. 1 Satz 1 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Nach 46 Abs. 1 Satz 2 FeV gilt dies insbesondere dann, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist.
Dem Kläger fehlte zum für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Fahrerlaubnisentziehung maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids (vgl. dazu u.a. Urteile vom 27. September 1995 BVerwG 11 C 34.94 BVerwGE 99, 249 <250> = Buchholz 442.16 15b StVZO Nr. 24 S. 5 und vom 5. Juli 2001 BVerwG 3 C 13.01 Buchholz 442.16 15b StVZO Nr. 29 = NJW 2002, 78 m.w.N.) wegen seines Cannabiskonsums die Fahreignung.
12Mit den Auswirkungen von Cannabiskonsum auf die Fahreignung befasst sich die Nr. 9.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung. Gemäß Nr. 9.2.1 fehlt bei der regelmäßigen Einnahme von Cannabis die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen. Bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis besteht nach Nr. 9.2.2 die Fahreignung des Betroffenen, wenn der Cannabiskonsum vom Fahren getrennt wird, kein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen stattfindet und keine Störung der Persönlichkeit und kein Kontrollverlust vorliegen. Nach der Nr. 3 der Vorbemerkungen zu dieser Anlage gelten diese Bewertungen für den Regelfall.
Hier war die Entziehung der Fahrerlaubnis bereits deshalb gerechtfertigt, weil der Kläger regelmäßig Cannabis konsumiert hat (Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung). Ob, wie das Berufungsgericht weiter angenommen hat, außerdem die Voraussetzungen von Nr. 9.2.2 erfüllt waren, also gelegentlicher Konsum und fehlendes Trennungsvermögen, bedarf danach keiner Entscheidung.
1.
Eine regelmäßige Einnahme von Cannabis im Sinne von Nr. 9.2.1 liegt jedenfalls dann vor, wenn täglich oder nahezu täglich Cannabis konsumiert wird.
a) Eine Legaldefinition des Begriffs "regelmäßig" im Zusammenhang mit der Einnahme von Cannabis enthalten weder die Fahrerlaubnis-Verordnung noch das Straßenverkehrsgesetz. Nach dem gewöhnlichen Wortsinn dieses Begriffs ist ein Verhalten dann als regelmäßig anzusehen, wenn es bestimmten Regeln und Gesetzmäßigkeiten folgt, insbesondere in in etwa gleichen zeitlichen Abständen stattfindet. Weiteren Aufschluss gibt die Systematik von Nr. 9.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung. Anders als nach Nr. 9.2.2. bei gelegentlichem Konsum müssen bei regelmäßiger Einnahme keine zusätzlichen Tatbestandselemente wie etwa fehlendes Trennungsvermögen erfüllt sein. Daraus folgt, dass unter regelmäßiger Einnahme von Cannabis im Sinne von Nr. 9.2.1 ein Konsum zu verstehen ist, der nach wissenschaftlichem Erkenntnisstand als solcher und ohne das Hinzutreten weiterer Umstände im Regelfall die Fahreignung ausschließt.
b) Diese vom Verordnungsgeber getroffene Unterscheidung zwischen einem nur gelegentlichen und einem ohne Weiteres zur Ungeeignetheit führenden regelmäßigen Konsum ist nicht zu beanstanden. Die Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung beruht maßgeblich auf den Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahreignung des Gemeinsamen Beirats für Verkehrsmedizin beim Bundesministerium für Verkehr und Bundesministerium für Gesundheit (vgl. BRDrucks 443/98 S. 262), denen ein entsprechendes verkehrsmedizinisches Erfahrungswissen zugrunde liegt und die den Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis wiedergeben (vgl. zur Bedeutung der Begutachtungs-Leitlinien Urteile vom 21. Mai 2008 BVerwG 3 C 32.07 Buchholz 442.10 2 StVG Nr. 14 = NJW 2008, 2601 <2602> und 27. September 1995 BVerwG 11 C 34.94 a.a.O.). In den Begutachtungs-Leitlinien wird als regelmäßige Einnahme von Cannabis, die für sich genommen die Fahreignung entfallen lässt, der tägliche oder gewohnheitsmäßige Konsum bezeichnet. Auf dieser Grundlage durfte der Verordnungsgeber davon ausgehen, dass eine solche Konsumhäufigkeit ohne das Hinzutreten weiterer Umstände wie etwa eines fehlenden Trennungsvermögens ausreicht, um die Kraftfahreignung auszuschließen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass dem Gesetz- und Verordnungsgeber im Bereich der Gefahrenabwehr eine Einschätzungsprärogative zusteht. Sie schließt hier insbesondere die Beurteilung der Frage ein, welche der Gefährdungen, die aus den in der Anlage 4 erfassten Krankheiten und Mängeln herrühren, im Interesse der Verkehrssicherheit nicht mehr hinnehmbar sind. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Verordnungsgeber bei seinen Regelungen der Sicherheit der anderen Verkehrsteilnehmer einen hohen Stellenwert eingeräumt hat und Risiken aus regelmäßigem Cannabiskonsum, wie sie nach der fachlichen Einschätzung des für die Erstellung der Begutachtungs-Leitlinien eingesetzten Sachverständigengremiums bestehen oder jedenfalls möglich sind, weitestgehend ausschalten wollte.
Es ist nicht ersichtlich, dass die wissenschaftliche Bewertung, auf die der Verordnungsgeber sich gestützt hat, aufgrund neuerer Erkenntnisse nicht mehr tragfähig wäre und deshalb die Gültigkeit der in Nr. 9.2 der Anlage 4 der Fahrerlaubnis-Verordnung getroffenen Unterscheidung infrage stünde. Davon kann nicht schon dann ausgegangen werden, wenn einzelne Sachverständige zu anderslautenden Ergebnissen gelangen, sondern erst, wenn die vom Verordnungsgeber zugrunde gelegte Einschätzung insgesamt überholt ist und einem neueren Stand der gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnis widerspricht.
Die von dem Kläger angeführte Studie "Cannabis und Verkehrssicherheit" (Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Heft M 182, 2006) ist nicht geeignet, die vom Verordnungsgeber getroffene Unterscheidung zwischen gelegentlichem und regelmäßigem Konsum von Cannabis generell in Zweifel zu ziehen. Zum einen handelt es sich, auch wenn sie auf einer Auswertung verschiedener Studien beruht, nur um eine einzelne wissenschaftliche Auffassung, der die vom Berufungsgericht angeführten anderslautenden wissenschaftlichen Einschätzungen gegenüberstehen. Vor allem aber geht die Studie an dem unter Gefahrengesichtspunkten maßgeblichen Unterschied zwischen einem nur gelegentlichen und einem regelmäßigen Konsum von Cannabis vorbei. Die Autoren kommen dort nach einer Aus- und Bewertung der Fachliteratur zu dem Ergebnis, es hätten sich keine Hinweise gefunden, dass bei regelmäßigen Cannabiskonsumenten nach akutem Cannabiskonsum oder während der Abstinenz mit stärkeren Verhaltensdefiziten zu rechnen sei als bei Gelegenheitskonsumenten; diese Befunde machten eine Unterscheidung zwischen gelegentlichen und regelmäßigen Cannabiskonsumenten bezüglich der zu erwartenden Verhaltensdefizite hinfällig (vgl. S. 126 ff. und die Zusammenfassung auf S. 165). Selbst wenn man dies unterstellt, bleibt für das mit einem regelmäßigen Konsum verbundene Gefährdungspotenzial doch zu beachten, dass diese Abstinenzphasen bei täglicher oder nahezu täglicher Einnahme von Cannabis weit kürzer und seltener sind als bei einer nur gelegentlichen Einnahme oder ganz entfallen können. Zudem ist die zeitliche Abgrenzung von den Phasen, in denen eine relevante Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit noch besteht, gerade auch für den Konsumenten selbst mit erheblichen Unsicherheiten verbunden. Sie beginnen bei der genauen Bestimmung der aufgenommenen Dosis des psychoaktiven Wirkstoffs THC und setzen sich wegen der Komplexität der Stoffwechselvorgänge bei der Einschätzung des Verlaufs des Rauschzustandes und der Zeitdauer fort, die für einen Abbau des aufgenommenen THC bis auf einen die Verkehrssicherheit nicht mehr gefährdenden Pegel erforderlich ist (vgl. dazu etwa Schubert u.a., Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahreignung, Kommentar, 2. Aufl. 2005, S. 169 ff.). Das Gefährdungspotenzial erhöht sich bei regelmäßigem Cannabiskonsum weiter dadurch, dass bei einer hohen Konsumfrequenz das subjektive Intoxikationsempfinden wegen einer sich herausbildenden Toleranz nachlässt, so dass der Konsument ihn in seiner Fahrtüchtigkeit objektiv beeinträchtigende Drogenwirkungen nicht mehr wahrnimmt oder unterschätzt. Je höher der Konsum, desto wahrscheinlicher ist deshalb auch eine Fahrt unter Drogen. Von einer solchen Erhöhung des Gefährdungspotenzials geht im Übrigen die vom Kläger angeführte Studie an anderer Stelle selbst aus (a.a.O. S. 169 f.). Diesen Gefährdungen der Verkehrssicherheit, namentlich für Leib und Leben der anderen Verkehrsteilnehmer, darf der Verordnungsgeber in der Weise begegnen, dass er regelmäßige Konsumenten von Cannabis allein aufgrund der Konsumhäufigkeit als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ansieht.
c) Das Berufungsgericht hat in tatsächlicher Hinsicht angenommen, dass ein regelmäßiger Konsum, der nach wissenschaftlichem Erkenntnisstand ohne das Hinzutreten weiterer Umstände die Fahreignung entfallen lässt, bei täglicher oder nahezu täglicher Einnahme von Cannabis zu bejahen ist. Diese in der übrigen obergerichtlichen Rechtsprechung geteilte Einschätzung (so auch bereits VGH Mannheim, Beschluss vom 26. November 2003 10 S 2048/03 DAR 2004, 170 m.w.N.; ebenso VGH München, Urteil vom 29. Juni 1999 11 B 98.1093 NJW 2000, 304, Beschlüsse vom 3. September 2002 11 CS 02.1082 ZfSch 2003, 429 und vom 8. Februar 2008 11 CS 07.3017 juris; OVG Münster, Beschluss vom 7. Januar 2003 19 B 1249/02 DAR 2003, 187) stützt sich auf verschiedene wissenschaftliche Studien (vgl. u.a. Prof. Dr. Berghaus, Gutachterliche Äußerung für das Bundesverfassungsgericht in den Verfahren 1 BvR 2062/96 und 1 BvR 1143/98, im Internet abrufbar unter www.medizin.uni-koeln.de/institute/rechtsmedizin/ga bvg shtml; Prof. Dr. Kannheiser, Gutachten für den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, vgl. dazu Urteil vom 29. Juni 1999 11 B 98.1093 NJW 2000, 304, sowie Kannheiser, Mögliche verkehrsrelevante Auswirkungen von gewohnheitsmäßigem Cannabiskonsum, NZV 2000, 57) und entspricht der sachverständigen Bewertung in den Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahreignung, der wie ausgeführt besonderes Gewicht zukommt. Der Kläger hat diese tatsächlichen Feststellungen nicht mit Rügen angegriffen. Soweit er sich auch insoweit auf die Studie "Cannabis und Verkehrssicherheit" und die dortige Einschätzung bezieht, dass nur ein mehrmals täglicher Konsum eine permanente Intoxikation bewirke (a.a.O. S. 170), führt diese Erwägung nicht weiter. Die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen entfällt nicht erst dann, wenn der Betreffende ununterbrochen unter Drogeneinfluss steht und deshalb überhaupt keine Zeiten möglicher Fahrtauglichkeit verbleiben. Die Grenze zu einer nicht mehr hinnehmbaren Gefahr für die Verkehrssicherheit ist vielmehr bereits dann überschritten, wenn die Häufigkeit des Konsums ein Maß erreicht, bei dem angesichts der dargestellten Unsicherheiten bei der Bestimmung des Drogeneinflusses und seiner Dauer trotz etwa noch verbleibender Phasen einer Fahrtüchtigkeit eine Teilnahme am Straßenverkehr unter Drogeneinfluss nicht sicher ausgeschlossen werden kann.
2.
Die danach für regelmäßigen Konsum erforderliche tägliche oder nahezu tägliche Einnahme von Cannabis lag nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts beim Kläger vor. Verfahrensrügen gegen diese Feststellungen wurden nicht erhoben, so dass sie den Senat binden ( 137 Abs. 2 VwGO). Besonderheiten, die dazu führen könnten, dass die Fahreignung des Klägers entgegen der sich aus Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung ergebenden Regelfallbeurteilung zu bejahen wäre, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt und der Kläger nicht vorgetragen. Da die regelmäßige Einnahme von Cannabis nicht lediglich Bedenken gegen die Fahreignung begründet, denen gemäß 46 Abs. 3 i.V.m. 11 FeV nachzugehen wäre, sondern die Fahreignung gemäß 46 Abs. 1 FeV ausschließt und der Kläger einen solchen Konsum eingeräumt hat, brauchte auch kein medizinisch-psychologisches Gutachten zur Klärung seiner Fahreignung eingeholt werden.
Schließlich ist es für die Rechtmäßigkeit der Fahrerlaubnisentziehung unerheblich, dass die Ausgangs- und die Widerspruchsbehörde ihre Entscheidungen statt mit regelmäßigem mit gelegentlichem Cannabiskonsum und fehlendem Trennungsvermögen begründet hatten. In beiden Fällen fehlt die Kraftfahreignung. 3 Abs. 1 StVG und 46 Abs. 1 FeV sehen in diesem Fall eine gebundene Entscheidung der Fahrerlaubnisbehörde vor ("hat zu entziehen").
Die Kostenentscheidung folgt aus 154 Abs. 2 VwGO.
Fahrerlaubnisentzug bei Cannabiskonsum trotz Absti
VG Freiburg
Az: 4 K 1256/11
Urteil vom 26.01.2012
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis.
Der am 1991 geborene Kläger ist seit dem 04.01.2010 im Besitz der Fahrerlaubnis der Klassen B, M, L und S..
Am 25.03.2010 wurde er um 15.00 Uhr auf der an der A 5 gelegenen Tank- und Rastanlage B. durch die Polizei einer Verkehrskontrolle unterzogen. Nach dem Bericht der Polizeidirektion R. vom 27.03.2010 über diesen Vorgang haben die Polizeibeamten bei dem Kläger einen Urinschnelltest durchgeführt, der auf THC positiv reagiert habe. Außerdem hätten sie unter der Fußmatte der Beifahrerseite ein leeres Tütchen mit Cannabisantragungen gefunden und bei dem Kläger eine Blutentnahme veranlasst. Auf entsprechende Fragen der Polizeibeamten habe der Kläger angegeben, er konsumiere regelmäßig Cannabis und habe den letzten Joint vor Fahrtantritt geraucht. Die Untersuchung des beim Kläger entnommen Bluts ergab nach dem Befundbericht des Labors E. vom 30.03.2010 einen Gehalt an THC von 18,4 ng/ml, an 11OH-THC von 5,2 ng/ml und an THC-Carbonsäure von 32,4 ng/ml.
Mit Bußgeldbescheid des Regierungspräsidiums F. vom 23.06.2010 ist der Kläger wegen Verstoßes gegen 24a Abs. 2 StVG mit einem Bußgeld von 500 EUR, einem Fahrverbot von einem Monat und der Eintragung von vier Punkten im Verkehrszentralregister belegt worden.
Mit Schreiben vom 23.02.2011 gab das Landratsamt L. dem Kläger Gelegenheit, zur beabsichtigten Entziehung seiner Fahrerlaubnis Stellung zunehmen. Der Kläger äußerte daraufhin, er sei bereit, sich regelmäßigen labormedizinischen Untersuchungen zu unterziehen, um nachzuweisen, dass eine drogenspezifische Problematik bei ihm nicht vorliege. Von ihm gehe keine Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs aus. Seit mehr als einem Jahr sei er im Straßenverkehr nicht mehr auffällig geworden. Er lebe seither abstinent. Die Behörde habe die von ihm angebotenen Maßnahmen zur Überprüfung eines weiteren THC-Konsums nicht ergriffen. Da er seit mehr als einem Jahr abstinent lebe, müsse die Behörde zumindest von einer bedingten Fahrtüchtigkeit ausgehen. Eine Fahrerlaubnisentziehung sei nun nicht mehr gerechtfertigt. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wäre zuerst ein amtsärztliches Drogenscreening erforderlich, das eine andauernde Abstinenz belege.
Mit Bescheid vom 31.03.2011, dem Kläger zugestellt am 04.04.2011, entzog das Landratsamt L. unter Nr. 1 dem Kläger die Fahrerlaubnis der Klassen B, M, L und S und untersagte ihm, von einer eventuell vorhandenen ausländischen Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch zu machen. Unter Nr. 2 wurde der Führerschein eingezogen und dem Kläger aufgegeben, den Führerschein unverzüglich abzugeben und keine Kraftfahrzeuge mehr zu führen. Für den Fall der nicht rechtzeitigen Abgabe des Führerscheins wurde dem Kläger die Wegnahme angedroht. Zur Begründung führte das Landratsamt aus: Die Fahrt des Klägers mit einem Kfz am 25.03.2010 habe gezeigt, dass er zwischen der Teilnahme am Straßenverkehr und dem Konsum von Rauschmitteln, hier Cannabis, nicht trennen könne. Außerdem habe er selbst angegeben, nicht nur am 25.03.2010, sondern regelmäßig Cannabis konsumiert zu haben. Danach habe er sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen und ihm sei deshalb die Fahrerlaubnis zwingend zu entziehen.
Am 05.04.2011 erhob der Kläger Widerspruch. Zur Begründung trug er vor: Das Landratsamt habe bereits seit dem 31.03.2010 Kenntnis von dem Vorfall am 25.03.2010. Seither habe er die Sicherheit des Straßenverkehrs nicht gefährdet. Von ihm könne nicht der Nachweis verlangt werden, dass er seither keinen Verkehrsverstoß begangen habe. Ein solcher Nachweis sei schlechterdings niemandem möglich. Bereits aufgrund des Zeitablaufs gebe es keinen Grund, an seiner Kraftfahreignung zu zweifeln. Anhand ärztlicher Gutachten könne er belegen, dass er abstinent lebe. Jedenfalls dürfe das Landratsamt nicht ohne Nachweis davon ausgehen, dass das nicht stimme. Es dürfe nicht zu seinen Lasten gehen, dass die Behörde von seinem Angebot, Drogenscreenings durchzuführen, keinen Gebrauch gemacht habe. Aufgrund seiner mehr als einjährigen Abstinenz dürfe ihm ohne vorherige Durchführung solcher Drogenscreenings die Fahrerlaubnis nicht entzogen werden.
Am 02.05.2011 hat die Polizei den Führerschein des Klägers in Besitz genommen. Er befindet sich seither in den Fahrerlaubnisakten des Landratsamts L..
Mit Widerspruchsbescheid vom 31.05.2011, dem Kläger zugestellt am 10.06.2011, wies das Regierungspräsidium F. den Widerspruch des Klägers aus den Gründen des Ausgangsbescheids zurück. Ergänzend führte es aus: Der Kläger habe keine fundierten Nachweise über seine Abstinenz vorgelegt. Die bloße Behauptung der Abstinenz reiche nicht aus.
Am 05.07.2011 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung trägt er ergänzend zu seinem bisherigen Vorbringen vor: Möglicherweise seien in der Zeit unmittelbar nach dem 25.03.2010 Zweifel an seiner Kraftfahreignung berechtigt gewesen. Allerdings sei auch damals nicht von einem regelmäßigen Cannabiskonsum bei ihm auszugehen gewesen, sondern angesichts des in seinem Blut gemessenen THC-COOH-Werts von deutlich unter 75 ng/l (gemeint ist wohl: ml) allenfalls von einem gelegentlichen. Allerdings habe die Behörde aus der Mitteilung des Vorfalls am 25.03.2010 über längere Zeit keine Konsequenzen gezogen. Sie sei jedoch verpflichtet gewesen, von sich aus Informationen über etwaige Fahreignungsmängel nachzugehen. Es fehle jedoch bereits an der gebotenen Einsicht und Auswertung der vorhandenen Akten durch die Behörde. Das Mittel der Wahl wäre für die Behörde die Anordnung der Vorlage eines ärztlichen Gutachtens in Form einer Harn-, Blut- oder Haaruntersuchung gewesen sowie im Fall eines sich aus einem solchen Gutachten ergebenden weiteren Aufklärungsbedarfs einer medizinisch-psychologischen Begutachtung. All das habe das Landratsamt L. unterlassen und stattdessen nach etwa einem Jahr die Fahrerlaubnis entzogen. Das verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der Schluss vom Führen eines Kfz unter Einfluss von THC auf die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen sei allenfalls im Regelfall gerechtfertigt. Wenn aber seit der Tat mehrere Monate vergangen seien, kein weiterer Cannabiskonsum nachweisbar sei und ein solcher vom Betreffenden ausdrücklich bestritten werde, sei ein Abweichen von der Regelvermutung zu erwägen. Das gelte erst recht im Fall des Nachweises einer durchgängigen einjährigen Abstinenz. In einem solchen Fall komme der Erlass von Auflagen als milderes Mittel zur Fahrerlaubnisentziehung in Betracht. Dass bei ihm ein solcher Nachweis (noch) nicht vorliege, beruhe allein darauf, dass die Behörden ihm gegenüber keine Maßnahmen, wie er sie angeregt habe, ergriffen hätten. Er selbst habe keine Veranlassung gehabt, von sich aus entsprechende Darlegungen zu machen oder Untersuchungen vorzulegen, solange ihm nicht mitgeteilt worden sei, dass es Bedenken in Bezug auf seine Abstinenz gebe. Vielmehr obliege es der Behörde, von sich aus Zweifeln an der Fahrtüchtigkeit von Fahrerlaubnisinhabern nachzugehen. Unterlasse die Behörde solche Ermittlungen, erweise sich eine Fahrerlaubnisentziehung als rechtswidrig, zumal dann, wenn das Ereignis, das den Anlass zu den Fahreignungszweifeln gegeben habe, so lange zurückliege wie in seinem Fall und wenn es seither keinen Beleg für die Annahme weiterer Zweifel mehr gebe.
Der Kläger beantragt, den Bescheid des Landratsamts L. vom 31.03.2011 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums F. vom 31.05.2011 aufzuheben und die Zuziehung eines Bevollmächtigten durch den Kläger im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führt der Beklagte aus: Der Kläger habe sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen, nachdem er zumindest gelegentlichen Cannabiskonsum eingeräumt habe und durch seine Fahrt mit einem Kfz am 25.03.2010 unter der berauschenden Wirkung von THC mit einem gemessenen Gehalt von 18,4 ng/ml im Blut gezeigt habe, dass er den Konsum von Cannabis und das Führen von Kraftfahrzeugen nicht trennen könne. Die bloße Behauptung des Klägers, seit dem Vorfall am 25.03.2010 abstinent zu leben, reiche für die Annahme der Wiedererlangung seiner Kraftfahreignung nicht aus. Hierzu bedürfe es des Nachweises der Abstinenz von mindestens einem Jahr, einer Aufarbeitung seiner Drogenproblematik und eines sicheren Einstellungswandels. Der vom Kläger vorgelegte Laborbericht über eine negative Blutuntersuchung reiche hierfür allein nicht. Dass ein so langer Zeitraum zwischen dem Vorfall am 25.03.2010 und der Fahrerlaubnisentziehung verstrichen sei, beruhe darauf, dass die Strafverfolgungsbehörden gegen den Kläger wegen des Verdachts der Verkehrsunfallflucht ermittelt hätten und seit dem 24.04.2010 durch strafprozessuale Maßnahme gewährleistet gewesen sei, dass der Kläger keinen Gebrauch von seiner Fahrerlaubnis habe machen können. Erst nach dem (freisprechenden) Urteil des Amtsgerichts L. vom 19.10.2010, von dem das Landratsamt erst im Wege der Akteneinsicht Kenntnis erlangt habe, sei der Kläger wieder im Besitz der Fahrerlaubnis gewesen und sei im Hinblick auf ordnungsbehördliche Maßnahmen wieder Handlungsbedarf entstanden. Abschließend sei klarzustellen, dass bei dem Kläger nicht lediglich Bedenken hinsichtlich seiner Kraftfahreignung bestanden hätten, wie er selbst meine, sondern dass seine Ungeeignetheit feststehe.
Der Kammer liegen die den Kläger betreffenden Fahrerlaubnisakten des Landratsamts L. (2 Hefte) und die Widerspruchsakten des Regierungspräsidiums F. (1 Heft) vor. Der Inhalt dieser Akten und der Gerichtsakten war Gegenstand der mündlichen Verhandlung; hierauf wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der Bescheid des Landratsamts L. vom 31.03.2011 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums F. vom 31.05.2011 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten ( 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Die Fahrerlaubnisentziehung im angefochtenen Bescheid vom 31.03.2011 beruht auf den 3 Abs. 1 und 6 Abs. 1 Nr. 1q StVG in Verbindung mit 46 Abs. 1 Satz 1 der Fahrerlaubnisverordnung - FeV -. Nach diesen Vorschriften hat die Fahrerlaubnisbehörde dem Inhaber einer Fahrerlaubnis diese zu entziehen, wenn er sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Nach Nr. 9.2.2 in Verbindung mit der Vorbemerkung Nr. 3 der genannten Anlage 4 ist ein Kraftfahrer, der gelegentlich Cannabis einnimmt, im Regelfall als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen, wenn keine Trennung zwischen Konsum und Fahren erfolgt oder wenn zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen oder eine Störung der Persönlichkeit oder ein Kontrollverlust vorliegt.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Entziehungsverfügung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses der letzten Behördenentscheidung, das heißt der Zeitpunkt der Zustellung des Widerspruchsbescheids vom 31.05.2011 (BVerwG, Urteil vom 05.07.2001, NJW 2002, 78; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.12.2007 - 10 S 1272/07 -, ESVGH 58, 156).
2. Die oben genannten Voraussetzungen für die Entziehung der Fahrerlaubnis sind im vorliegenden Fall eindeutig gegeben. Durch seine Fahrt mit einem Kraftfahrzeug am 25.03.2010 mit einer THC-Konzentration im Blut, die auch bei der späteren Blutentnahme noch 18,4 ng/ml betrug, hat der Kläger bewiesen, dass er nicht hinreichend sicher zwischen dem Konsum von Cannabis und dem Führen von Kraftfahrzeugen unter der berauschenden Wirkung von THC trennen kann. Dass er darüber hinaus mindestens gelegentlicher Konsument von Cannabis gewesen ist, wird auch vom Kläger nicht bestritten. Er selbst gab bei der Verkehrskontrolle am 25.03.2010 gegenüber den Polizeibeamten auf Nachfrage sogar an, er sei regelmäßiger Cannabiskonsument. Ob er damit tatsächlich gemeint hat, er konsumiere täglich oder nahezu täglich Cannabis - so die juristische Definition des Begriffs "regelmäßig" im Sinne von Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.02.2009, NJW 2009, 2151; Urteil der Kammer vom 10.02.2010 - 4 K 953/09 -), was allein für sich, ohne dass es noch darauf ankäme, ob der Kläger den Konsum von Cannabis und das Führen von Kraftfahrzeugen trennen kann, bereits die fehlende Kraftfahreignung begründen würde, kann hier dahingestellt bleiben. Denn dass er zumindest gelegentlich Cannabis konsumiert hat, hat der Kläger bis zuletzt eingeräumt. Dass der Umgang des Klägers mit Cannabis jedenfalls sehr bedeutsam ist und jegliches Problembewusstsein im Hinblick auf eine mögliche Gefährdung anderer vermissen lässt, zeigt sich auch in der von ihm zugegebenen Tatsache, dass er den letzten Joint (unmittelbar) vor Antritt der Fahrt am 25.03.2010 geraucht habe, eine Aussage, die durch den gemessenen nicht unerheblichen THC-Gehalt in seinem Blut von 18,4 ng/ml bestätigt worden ist. Damit steht fest, dass der Kläger sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat.
3. An diesem Befund der fehlenden Eignung des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen ändert auch der längere Zeitraum (von ca. einem Jahr) nichts, der zwischen dem Vorfall am 25.03.2010 und der Fahrerlaubnisentziehung im Bescheid des Landratsamts L. vom 31.03.2011 und erst recht des Widerspruchsbescheids vom 31.05.2011 verstrichen ist. Soweit in Nr. 9.5 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung geregelt ist, dass eine Wiedererlangung der Eignung möglich ist, erfordert das im Regelfall eine einjährige Abstinenz nach Entgiftung und Entwöhnung. Danach besteht ein festgestellter Eignungsmangel - ungeachtet einer weiter erforderlichen Entgiftung und Entwöhnung - zumindest so lange fort, bis eine einjährige durchgängige Abstinenz nachgewiesen ist. Der Nachweis der nicht mehr gegebenen Gefährdung des öffentlichen Straßenverkehrs durch die Teilnahme eines zu einem früheren Zeitpunkt wegen Drogenkonsums ungeeigneten Fahrerlaubnisinhabers kann nur als erbracht angesehen werden, wenn sich der Nachweis der Drogenabstinenz auf einen Zeitraum erstreckt, der den Schluss rechtfertigt, der Drogenverzicht sei nicht lediglich im Hinblick auf das anhängige Entziehungsverfahren erfolgt und damit nur taktisch bedingt, sondern beruhe auf einem tatsächlichen Einstellungswandel des Betroffenen. Die Entscheidung des Verordnungsgebers, ein in diesem Sinne aussagekräftiger Beleg eines Einstellungswandels liege erst bei einem durchgängigen Nachweis einer einjährigen Drogenabstinenz vor, ist grundsätzlich nicht zu beanstanden (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 30.09.2003, VBlBW 2004, 151, m.w.N.; zu einer möglicherweise gebotenen differenzierten Sicht bei Konsum von Cannabis siehe unten unter 3.3).
Der Kläger hat weder eine Entgiftung oder Entwöhnung noch eine einjährige durchgängige Abstinenz nachgewiesen. Bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids vom 31.05.2011 als des hier maßgeblichen Zeitpunkts (siehe oben) hat der Kläger lediglich behauptet, seit dem Vorfall am 25.03.2010 abstinent gelebt zu haben, und er hat sich lediglich bereit erklärt, für Drogenscreenings zum Nachweis einer solchen Abstinenz zur Verfügung zu stehen. Das reicht für den Nachweis der Wiedererlangung der Kraftfahreignung nicht aus.
3.1 Nach überwiegender Auffassung (und im Einklang mit dem Wortlaut von Nr. 9.5 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung) erfordert der Nachweis der Wiedererlangung der Fahreignung den lückenlosen Beleg der Betäubungsmittelabstinenz mindestens für die Dauer eines Jahres (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 30.09.2003, VBlBW 2004, 151, und Beschluss vom 25.11.2010, NJW 2011, 1303, jew. m.w.N.). Die Vorlage eines Laborberichts vom 09.08.2011 über ein negatives Drogenscreening bei dem Kläger ist hier schon deshalb unbeachtlich, weil er erst nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens vorgelegt wurde und deshalb keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide (mehr) haben kann. Darüber hinaus fehlt ihm die erforderliche Aussagekraft. Dieser Laborbericht besagt nur, dass das untersuchte Serum im Hinblick auf Cannabinoide einen negativen Befund aufwies. Es ist nicht einmal bewiesen, dass das untersuchte Serum vom Kläger stammt. Vor allem lässt sich diesem Laborbericht, aus dem auch nicht hervorgeht, ob die ihm zugrunde liegende Untersuchung vom Kläger zeitlich selbst bestimmt wurde mit der Folge, dass er sich dementsprechend auf sie einstellen konnte, keine Aussage über eine längere ununterbrochene Abstinenz entnehmen. Dementsprechend wird ein einmaliges negatives Drogenscreening in der Rechtsprechung durchweg nicht als ausreichend tragfähig für den Nachweis einer längeren durchgängigen Abstinenz angesehen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 30.09.2003, a.a.O., m.w.N.; OVG NW, Beschluss vom 28.04.2004 - 19 B 29/04 -, juris).
Bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids am 31.05.2011 stand eine einjährige Drogenabstinenz des Klägers damit nicht fest. Diese hat er lediglich behauptet, was allein für einen Nachweis naturgemäß nicht ausreichen kann. Das gilt auch, wenn man zugunsten des Klägers annähme, das Landratsamt wäre aufgrund der Pflicht zur Amtsermittlung nach Maßgabe des 24 LVwVfG verpflichtet gewesen, sein Angebot zur Vorlage behördlich angeordneter und überwachter Drogenscreenings anzunehmen. Denn ein solches Angebot, gepaart mit der Behauptung drogenabstinent zu leben, hat der Kläger erstmals im Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 24.03.2011 gemacht. Hätte man unmittelbar danach mit den Drogenscreenings begonnen, wäre es unmöglich gewesen, bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens (hier durch Erlass des Widerspruchsbescheids vom 31.05.2011) eine einjährige Drogenabstinenz nachzuweisen. Die Behörde wäre auch nicht verpflichtet gewesen, den Ablauf eines Jahres zum Nachweis der Wiedererlangung der Kraftfahreignung des Klägers abzuwarten. Vielmehr ist es geboten, einem ungeeigneten Kraftfahrer - und als solcher hatte sich der Kläger nachweislich erwiesen - so bald wie möglich die Fahrerlaubnis zu entziehen und dadurch andere Verkehrsteilnehmer vor den Gefahren, die von ihm ausgehen, zu schützen.
3.2 Hinzu kommt, dass die bloße Bereitschaft des Klägers, an (ggf. weiteren) Drogenscreenings teilzunehmen, für den Nachweis der Wiedererlangung der Kraftfahreignung ohnehin nicht ausreicht, da mit Drogenscreenings allenfalls mehr oder weniger zuverlässig eine Drogenabstinenz nachgewiesen werden kann. Jedoch erfordert der Nachweis der wiedererlangten Kraftfahreignung (darüber hinaus) einen tiefgreifenden und stabilen Einstellungswandel (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 25.11.2010, a.a.O.; OVG Berl.-Brandenb., Beschluss vom 07.10.2011 - 1 M 65/11 -, juris; OVG Saarl., Beschlüsse vom 26.06.2009 - 1 B 373/09 -, juris, und vom 07.09.2006 - 1 W 39/06 -, juris; OVG NW, Beschluss vom 28.04.2004, a.a.O., m.w.N.). Das entspricht auch der Wertung des Verordnungsgebers, wie ein Blick auf 14 Abs. 2 Nr. 1 FeV zeigt. Zwar ist diese Vorschrift hier nicht unmittelbar anwendbar, weil die Fahrerlaubnis des Klägers noch nicht entzogen war, es hier vielmehr erst um die Rechtmäßigkeit einer solchen (erstmaligen) Entziehung geht. Doch geht aus dieser Vorschrift hervor, dass einem Fahrerlaubnisbewerber, dem die Fahrerlaubnis deshalb entzogen worden ist, weil er sich wegen des Konsums von Drogen, auch von Cannabis, als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat, eine neue Fahrerlaubnis nur dann wiedererteilt werden darf, wenn er die Wiedererlangung seiner Kraftfahreignung durch Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nachgewiesen hat. Dieser Vorschrift lässt sich somit entnehmen, dass es, um einen tiefgreifenden und stabilen inneren Wandel eruieren zu können, neben ärztlichen Feststellungen (auch und von der Fragestellung her sogar vor allem) einer psychologischen Beurteilung bedarf. Das gilt in der Sache gleichermaßen für die Bejahung der Wiedererlangung einer aufgrund von Drogenkonsum nachweislich verlorenen Kraftfahreignung im Rahmen eines Verfahrens auf Entziehung der Fahrerlaubnis wie im Rahmen eines Verfahrens auf Neuerteilung einer zuvor entzogenen Fahrerlaubnis (vgl. hierzu OVG NW, Beschlüsse vom 06.10.2006 - 16 B 1538/06 -, juris RdNr. 4, und vom 28.04.2004, a.a.O., juris RdNr. 17, m.w.N.; Bayer. VGH, Beschluss vom 09.05.2005 - 11 CS 04.2526 -, juris RdNr. 23, BayVBl 2006, 18, m.w.N.; OVG Saarl., Beschluss vom 14.04.2009 - 1 B 269/09 -, juris; VG Aachen, Beschluss vom 09.12.2011 - 3 L 479/11 -, juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 20.09.2011 - 7 L 907/11 -, juris; VG Köln, Beschluss vom 05.07.2010 - 11 L 904/10 -, juris; ausdrücklich offen gelassen in VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 29.12.2011 - 10 S 3288/11 - und vom 06.12.2011 - 10 S 1832/11 -).
3.3 Selbst wenn man der in der Rechtsprechung auch vertretenen Auffassung folgt, dass im Hinblick darauf, dass gelegentlicher Konsum von Cannabis unter den in Nr. 9.2.2 der Anlage 4 FeV genannten Voraussetzungen die Kraftfahreignung nicht ohne Weiteres entfallen lässt, nicht nur mit dem Nachweis völliger Abstinenz über mehr als ein Jahr, sondern auch mit dem Nachweis einer Umstellung auf eine die Fahreignung nicht berührende Konsumgewohnheit eine wieder gewonnene Fahreignung dartun kann (so OVG Saarl., Beschluss vom 14.04.2009, a.a.O., m.w.N.; vgl. hierzu auch VG Freiburg, Urteil vom 26.07.2011 - 4 K 169/11 -; a. A. die h. M., siehe hierzu ausdrücklich Bayer. VGH, Beschluss vom 09.05.2005, a.a.O.), folgt daraus für den Kläger kein anderes Ergebnis. Jedenfalls bei einem - wie hier - über das einmalige Probieren hinausgehenden Betäubungsmittelmissbrauch ist die Frage, ob ein stabiler Einstellungswandel stattgefunden hat, für die Einschätzung der Gefahrensituation von entscheidender Bedeutung. Damit ein Rückfall in ein die Fahreignung ausschließendes Verhaltensmuster hinreichend sicher ausgeschlossen werden kann, muss die als Voraussetzung für die wieder gewonnene Fahreignung zu fordernde Änderung der Konsumgewohnheiten, konkret der Übergang zu völliger Abstinenz oder zu einem zumindest eingeschränkten und kontrollierten Konsum, in jedem Fall nachhaltig und stabil sein und durch eine medizinische und psychologische Begutachtung nachgewiesen sein (so annähernd wörtlich OVG Saarl., Beschluss vom 14.04.2009, a.a.O.).
Den hiernach erforderlichen Nachweis in Form eines für ihn günstigen medizinisch-psychologischen Gutachtens über seine Kraftfahreignung hat der Kläger bislang nicht erbracht. Ein solcher Nachweis obliegt auch grundsätzlich dem Kläger. Er kann sich dieser Obliegenheit nicht unter Hinweis auf die Amtsermittlungspflicht der Fahrerlaubnisbehörde nach 24 LVwVfG entziehen, indem er der Behörde die Durchführung von Drogenscreenings zum Nachweis seiner Drogenabstinenz anbietet. Denn nur mit Hilfe von Drogenscreenings kann er den erforderlichen Einstellungswandel im Umgang mit Drogen (siehe oben) nicht nachweisen.
Die Berufung des Klägers auf den Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 19.06.2008 (NJW 2009, 309) geht fehl. In dem jenem Beschluss zugrunde liegenden Fall hatte der Fahrerlaubnisinhaber - anders als der Kläger - ein medizinisch-psychologisches Gutachten vorgelegt, welches ihm bescheinigt hat, dass er die Kraftfahreignung zumindest bedingt wiedererlangt hat.
Angesichts der nach den vorstehenden Ausführungen feststehenden Ungeeignetheit des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen kann es dahingestellt bleiben, ob sich weitere Zweifel an seiner Kraftfahreignung auch aus den Ereignissen im Zusammenhang mit dem Verkehrsunfall des Klägers am 24.04.2010 (siehe Anklageschrift der Staatsanwaltschaft F. vom 15.06.2010 - von den darin erhobenen Vorwürfen der fahrlässigen Straßenverkehrsgefährdung infolge des Genusses alkoholischer Getränke und des unerlaubten Entfernens vom Unfallort wurde der Kläger im Urteil des Amtsgerichts L. vom 19.10.2010 ausdrücklich nur wegen des im Strafrecht geltenden Grundsatzes "in dubio pro reo" freigesprochen) und aus dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen einer am 13.02.2011 begangenen gefährlichen Körperverletzung (siehe Mitteilung der Polizeidirektion L. vom 20.04.2011) ergeben.
Erweist sich nach alledem die Entziehung der Fahrerlaubnis des Klägers als rechtmäßig, unterliegt im Weiteren auch die zugleich im angefochtenen Bescheid des Landratsamts Lörrach vom 31.03.2011 ausgesprochene Verpflichtung zur Ablieferung (im Bescheid untechnisch und deshalb irreführend bezeichnet als Einziehung) des Führerscheins, die ihre Rechtsgrundlage in den 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, 47 Abs. 1 FeV hat, keinen rechtlichen Bedenken.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus 154 Abs. 1 VwGO. Die Kammer sieht keinen Grund, diese nach 167 Abs. 2 VwGO für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
Angesichts dieser für den Kläger negativen Kosten(grund)entscheidung erübrigt sich eine Entscheidung über seinen Antrag, die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Gründe des 124 Abs. 2 Nrn. 3 oder 4 VwGO, aus denen die Berufung vom Verwaltungsgericht zuzulassen wäre, sind nicht gegeben.