Führerscheinentzug bei „Übermüdung am Steuer“- Sekundenschlaf
Führerscheinentzug bei „Übermüdung am Steuer“- Sekundenschlaf
Führerscheinentzug bei „Übermüdung am Steuer“- Sekundenschlaf
Der Entzug des Führerscheins durch Übermüdung im Straßenverkehr ist ein häufiges Problem. Oftmals wollen sich Betroffene gegenüber der Polizei damit „entschuldigen“, dass sie in einen Sekundenschlaf gefallen seien. Leider führt dies zu einem Eintrag in der Ermittlungsakte und oft zum sofortigen Entzug der Fahrerlaubnis. Denn die Übermüdung wird quasi behandelt wie eine Fahrt unter Alkohol und kann gemäß § 315c StGB strafbar sein. Dies führt häufig zu einer Anklage, einem Entzug der Fahrerlaubnis, einer Sperre von 12 Monaten und mehr und gegebenenfalls zu einer MPU.
Betroffene sollten daher weder vor Ort noch später gegenüber der Polizei, der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht angeben, sie seien nur kurz eingeschlafen.
Die Gerichte gehen nämlich davon aus, dass eine Übermüdung stets bemerkbar ist. Wer sich über diese Anzeichen dann hinwegsetzt, handelt fahrlässig und damit strafbar im Sinne einer Straßenverkehrsgefährdung.
Das Landgericht Oldenburg führte in einem typischen Fall aus:
„Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen ist davon auszugehen, dass der Beschuldigte am 13.04.2015 gegen 00:14 Uhr in pp. mit seinem Fahrzeug, einem BMW 5er, amtliches Kennzeichen pp., gegen ein ordnungsgemäß am Straßenrand geparktes Fahrzeug gefahren ist, nachdem er am Steuer eingeschlafen war. Durch den Aufprall wurde das geparkte Fahrzeug mehr als 14 m nach vorne gegen einen dort geparkten Anhänger geschoben. An allen drei Fahrzeugen entstand ein erheblicher Sachschaden.
Der Zeuge PK-A pp. hat bekundet, dass der Beschuldigte ihm gegenüber erklärt habe, dass er während der Fahrt in seinem Fahrzeug eingeschlafen und es deshalb zu dem Unfall gekommen sei. Anhaltspunkte dafür, dass die Angaben des Zeugen unzutreffend sein könnten, ergeben sich aus dem Akteninhalt nicht.
Soweit der Beschuldigte vorgetragen hat, dass er gegenüber dem Zeugen PK-A pp. nicht definitiv ausgesagt habe, dass er in seinem Fahrzeug eingeschlafen sei, sondern vielmehr nur Überlegungen hinsichtlich der Unfallursachen (überhöhte Geschwindigkeit, Sichtverhältnisse, leichte Übermüdung) angestellt habe und ihn der Zeuge aufgrund seiner unzulänglichen Sprachkenntnisse missverstanden habe, muss dies der abschließenden Beurteilung im Rahmen einer Hauptverhandlung vorbehalten bleiben.
Im Übrigen erscheint der Vortrag des Beschuldigten wenig überzeugend. Denn die am Unfallort aufgenommenen Lichtbilder belegen, dass sich der Unfall auf einer kaum befahrenen Straße ereignete, trockene Witterungsverhältnisse herrschten und die Sichtverhältnisse aufgrund der Straßenbeleuchtung entsprechend gut waren. Wenn der Beschuldigte gegenüber der Polizei lediglich „Überlegungen“ zur Unfallursache angegeben haben will, lässt dies auch den Schluss zu, dass er sich an den Unfallhergang nicht erinnern kann. Dies wiederum spricht dafür, dass er tatsächlich, wie von ihm nach Aktenlage angegeben, eingeschlafen ist. Da der Beschuldigte bereits seit 1994 einen deutschen Führschein besitzt, ist ebenfalls davon auszugehen, dass dieser über entsprechende Deutschkenntnisse verfügte, um sich gegenüber dem Zeugen PK-A pp. verständlich auszudrücken.
Eine Übermüdung kann auch einen geistigen oder körperlichen Mangel im Sinne des § 315c Abs. 1 Nr. 1 b) StGB darstellen. Allerdings ist ein solcher Übermüdungszustand zu verlangen, welcher für den Beschuldigten die erkennbare Erwartung eines nahen Sekundenschlafes mit sich bringt, d.h. der Fahrer bei sorgfältiger Selbstbeobachtung die Übermüdung hätte bemerken oder mit ihrem Eintritt hätte rechnen müssen (BayOLG, Urt. v. 18.08.2003 – 1 St RR 67/03; Burmann in Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 23. Auflage 2014, § 315c StGB, Rn. 16 m.w.N.).
Der BGH hat hierzu anerkannt, dass ein Kraftfahrer, bevor er am Steuer einschläft, stets deutliche Zeichen der Übermüdung an sich wahrnimmt oder zumindest wahrnehmen kann. Dies beruhe auf der in den berufenen Fachkreisen gesicherten Kenntnis, dass ein gesunder, bislang hellwacher Mensch nicht plötzlich von einer Müdigkeit überfallen wird (BGH, Beschl. v. 18.11.1969 – 4 StR 66/69; OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 26.05.1992 – 8 U 184/91; BayOLG, Urt. v. 18.08.2003 – 1 St RR 67/03).
Vor diesem Hintergrund können die Ausführungen des Beschuldigten, wonach er keine Anzeichen einer Ermüdung oder Übermüdung bemerkt habe und auch während der Fahrt keine Anzeichen einer Ermüdung wahrgenommen habe, den dringenden Tatverdacht nicht entkräften. Die Einholung eines rechtsmedizinischen Gutachtens war für die Annahme des dringenden Tatverdachts daher ebenfalls nicht notwendig (a.A. LG Traunstein, Beschl. v. 08.07.2011 – 1 Qs 225/11). Vielmehr muss dies der abschließenden Beurteilung im Rahmen einer Hauptverhandlung vorbehalten bleiben.“
Betroffene sollten sich daher möglichst unverzüglich anwaltlich beraten lassen, wenn der Tatvorwurf eine Übermüdung im Straßenverkehr wegen eines Sekundenschlafes im Raum steht. Denn nicht immer ist ein Führerscheinentzug unausweichlich.
So führte das LG Traunstein aus, dass nicht jegliche Übermüdung des Kraftfahrers zur Bejahung der Tatbestandsvoraussetzung des § 315c I Nr. 1b StGB führt. Zu verlangen ist vielmehr ein solcher Übermüdungszustand, welcher für den Beschuldigten die erkennbare Erwartung eines nahen Sekundenschlafes mit sich bringt. Ein derartiger Vorfall kann letztlich nur durch ein rechtsmedizinisches Gutachten erklärt werden. (Leitsatz des Einsenders)
LG Traunstein, Beschluss vom 8. 7. 2011 - 1 Qs 225/11
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