Medizinisches Cannabis/ Cannabis auf Rezept
Müssen Cannabispatienten eine MPU machen?
Ganz häufig melden sich bei uns Cannabispatienten, da sie von der Führerscheinbehörde angeschrieben und aufgefordert wurden, eine MPU zu absolvieren. Hier stellt sich grundsätzlich die Frage, ob eine Führerscheinbehörde bei bekannter und nachgewiesener Einnahme von medizinisch verordnetem Cannabis ohne weiteres eine MPU abverlangen können.
Zwar kann die Behörde unstreitig eine MPU mit angepasster Fragestellung (!) auch von einem Cannabispatienten verlangen, wenn sich Zweifel an der Fahrtauglichkeit ergeben.
In der Regel wird von Cannabispatienten aber nicht deshalb eine MPU abverlangt, weil sie irgendwelche Auffälligkeiten gezeigt haben, sondern allein deshalb, weil sie in eine Polizeikontrolle gekommen sind und die Polizei die Führerscheinbehörde informiert hat.
Deshalb stellt sich die Frage, ob Cannabispatienten auch ohne sonstige Auffälligkeiten rechtmäßig dazu aufgefordert werden dürfen, eine MPU mit angepasster Fragestellungvorlegen zu müssen. Diese Frage ist bisher nicht höchstrichterlich geklärt worden. Dabei hat diese Frage ganz erhebliche Auswirkungen auf Cannabispatienten. Denn zum einen ist eine MPU teuer und kann mit Vorbereitung etc. mehrere tausend Euro kosten. Zum anderen droht dem Betroffenen, dass er durchfällt. Kommt er aber einer rechtmäßigen Aufforderung zur Abgabe einer MPU nicht nach, droht der rechtmäßige Entzug der Fahrerlaubnis.
Insofern ist die Behörde gehalten, stets den Einzelfall zu prüfen. Es bleibt zu hoffen, dass auch zu dieser Frage zeitnah ein höchstrichterliches Urteil gefällt wird, um für Cannabispatienten eine größere Rechtssicherheit herbeizuführen.
Mittlerweile wird von den Gutachtern auch häufig der Nachweis einer Abstinenz im Hinblick auf andere Drogen gefordert. Auch hierauf sollte sich der Cannabispatient einstellen und vor einer etwaigen MPU mit einem MPU-Berater oder mit uns Kontakt aufnehmen, um diesen Punkt abzuklären. Ärgerlich wäre es, wenn allein deshalb eine Begutachtung scheitert.
Fahreignung, Cannabispatient, medizinisches Cannabis, Führerscheinentzug
Immer wieder geraten Cannabispatienten in eine Polizeikontrolle und anschließend in die Mühlen der Fahrerlaubnisbehörden. Nicht selten sind die Sachbearbeiter in der Fahrerlaubnisbehörde überfordert und handeln falsch. Die Folgen: Unrechtmäßiger Führerscheinentzug, Falsche Anordnung einer MPU (Medizinisch-psychologischen-Untersuchung) etc.
Cannabispatienten, die Cannabis (THC) auf Rezept verschrieben bekommen haben, müssen keine "normale" MPU ablegen! Lassen Sie sich als Cannabispatient in keinem Fall hierauf ein, da Sie eine normale MPU mangels Abstinenznachweis gar nicht bestehen können.
Nach Ziffer 9.6.2 der Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 FeV ist nur dann ein Führerscheininhaber als ungeeignet zum Führen von Fahrzeugen anzusehen, wenn bei ihm unter einer Dauerbehandlung von Arzneimitteln eine Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit zum Führen von Kraftfahrzeugen unter das erforderliche Maß festzustellen ist.
Sie müssen also als Cannabispatient "nur" nachweisen, dass Sie trotz der Einnahme von Cannabis in der Lage sind, ein Kraftfahrzeug sicher im Straßenverkehr führen zu können. Leider sind die Hürden für einen solchen Nachweis hoch. Soweit Sie als Cannabispatient demnach von der Fahrerlaubnisbehörde kontaktiert werden, sollten Sie sich bei dem Verfahren von uns vertreten lassen. Sprechen Sie uns gerne an.
Wir haben bereits eine Vielzahl von Cannabispatienten vertreten und erreicht, dass der Führerschein nicht entzogen wurde bzw. das die Mandanten Ihren Führerschein trotz Cannabiseinnahme schnellstmöglich erteilt bekommen haben.
Aktuelles Urteil stellt klar, wann Betroffene nicht mehr fahrtauglich sind und keine Fahrerlaubnis (Führerschein) mehr besitzen dürfen.
Der VGH München hat in einem Beschluss vom 16.01.2020 (Aktenzeichen: 11 CS 19.1535) folgende Richtlinien aufgestellt:
1) Ein Fahrerlaubnisinhaber verliert seine Fahreignung durch einen über mehrere Monate anhaltenden, nicht ärztlich verordneten, regelmäßigen, d.h. nahezu täglichen Cannabiskonsum.
2) Wenn eine Dauerbehandlung mit Medizinal-Cannabis im Sinne von Nr. 9.6 der Anlage 4 zur FeV vorliegt, führt diese Dauereinnahme von Medizinal-Cannabis nur dann nicht zum Verlust der Fahreignung, wenn
a) die Einnahme von Cannabis indiziert und ärztlich verordnet ist,
b) das Medizinal-Cannabis zuverlässig nur nach der ärztlichen Verordnung eingenommen wird,
c) keine dauerhaften Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit festzustellen sind,
d) die Grunderkrankung bzw. die vorliegende Symptomatik keine verkehrsmedizinisch relevante Ausprägung aufweist, die eine sichere Verkehrsteilnahme beeinträchtigt,
e) und nicht zu erwarten ist, dass der Betroffene in Situationen, in denen seine Fahrsicherheit durch Auswirkungen der Erkrankung oder der Medikation beeinträchtigt ist, am Straßenverkehr teilnehmen wird.
Die Hürden, trotz einer Dauerbehandlung mit Medizinal-Cannabis die Fahrtauglichkeit und damit die Fahrerlaubnis nicht zu verlieren, sind folglich hoch. Dennoch besteht die Möglichkeit, trotz einer Dauerbehandlung mit Medizinal-Cannabis weiterhin als fahrtauglicher Führerscheininhaber am Straßenverkehr teilzunehmen.
Der VGH München (Beschluss v. 03.07.2023 – 11 C 23.363) hat zudem folgende Leitsätze aufgestellt:
1. Dass eine Konzentration des THC-Metaboliten THC-COOH ab 150 ng/ml im Blutserum nur bei regelmäßigem Cannabiskonsum zu erreichen ist, stellt eine gesicherte, auf rechtsmedizinischen Untersuchungen beruhende Erkenntnis dar, der die ständige Rechtsprechung und Fachliteratur gefolgt ist (vgl. VGH München BeckRS 2022, 9296 Rn. 10 und BeckRS 2019, 8661 Rn. 13 jeweils mwN). (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Dauerbehandlungen mit Arzneimitteln dürfen nicht die Leistungsfähigkeit zum Führen von Kraftfahrzeugen unter das erforderliche Maß herabsetzen. Soll eine Dauerbehandlung mit Medizinalcannabis nicht zum Verlust der Fahreignung führen, setzt dies zudem voraus, dass die Cannabiseinnahme indiziert und ärztlich verordnet ist, zuverlässig nur nach der ärztlichen Verordnung erfolgt, keine dauerhaften Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit festzustellen sind, die Grunderkrankung bzw. die vorliegende Symptomatik keine verkehrsmedizinisch relevante Ausprägung aufweist und nicht zu erwarten ist, dass der Betroffene in Situationen, in denen seine Fahrsicherheit durch Auswirkungen der Erkrankung oder der Medikation beeinträchtigt ist, am Straßenverkehr teilnehmen wird (vgl. VGH München BeckRS 2022, 8517 Rn. 12 und BeckRS 2021, 7392 Rn. 19 jeweils mwN). Die Fahreignung ist bei einer missbräuchlichen Einnahme ausgeschlossen, die zB bei einem Beikonsum von nicht ärztlich verordnetem Cannabis angenommen werden kann. (Rn. 20 und 21) (redaktioneller Leitsatz)
3. Cannabis darf zu medizinischen Zwecken ärztlich nur verschrieben werden, wenn seine Anwendung am oder im menschlichen Körper begründet, dh geeignet und erforderlich ist, und der beabsichtigte Zweck auf andere Weise nicht erreicht werden kann. Der Arzt hat in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die Betäubungsmittelverschreibung ultima ratio ist und nicht durch die Verschreibung von Arzneimitteln oder eine andere Behandlungsart ersetzen werden kann. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Fahrerlaubnisbehörde, die von Amts wegen zu ermitteln hat, ob die Voraussetzungen des Arzneimittelprivilegs für psychoaktiv wirkende Arzneimittel erfüllt sind, kann eine schlüssige Darlegung und die Vorlage nachvollziehbarer Unterlagen verlangen. Sie bedient sich der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen für erforderlich hält. Die Beteiligten sollen bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken und insbesondere ihnen bekannte Tatsachen und Beweismittel angeben. Kommt der betreffende Beteiligte seiner hieraus folgenden Mitwirkungslast bzw. -obliegenheit nicht in angemessenem Umfang nach, obwohl ihm dies möglich und zumutbar gewesen wäre, darf dem im Rahmen der Beweiswürdigung Rechnung getragen werden; eine deshalb nachteilige Beweiswürdigung ist nicht mit einer Umkehr der Beweislast gleichzusetzen. (Rn. 24 und 25) (redaktioneller Leitsatz)
Fahreignung bei Einnahme von medizinischen Cannabis
1. Wird medizinisches Cannabis nicht entsprechend der ärztlichen Verordnung eingenommen, besteht nach Nr. 9.4 der Anlage 4 zur FeV keine Fahreignung.
2. Im Falle des Beigebrauchs von illegalem Cannabis oder fahreignungsrelevantem Mischkonsum mit Alkohol besteht bei Cannabispatienten ebenfalls keine Fahreignung.
3. Erfolgt die ärztliche Verordnung von medizinischem Cannabis erst nach einem Verstoß gegen das Trennungsgebot in Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV, hat die Fahrerlaubnisbehörde zu prüfen, ob durch die Verordnung die Fahreignungszweifel ausgeräumt sind. Ggf. sind entsprechende Aufklärungsmaßnahmen einzuleiten.
BayVGH, Beschluss vom 29.4.2019 – 11 B 18.2482
Bedeutung für die Praxis:
"Seitdem Cannabis verschreibungsfähig geworden ist, häufen sich diejenigen Fälle, in denen Cannabispatienten unter Cannabiseinfluss am Straßenverkehr teilnehmen. Ihre Fahreignung beurteilt sich dann nicht nach denjenigen Kriterien, die für die illegale Einnahme von Cannabis gelten, sondern nach denjenigen, die für die Einnahme von Arzneimitteln gelten.
Wird das ärztlich verordnete Cannabis entgegen den insoweit gemachten Vorgaben eingenommen, liegt eine missbräuchliche Einnahme von Arzneimitteln vor mit der Folge, dass ebenfalls keine Fahreignung besteht. Wann im Zusammenhang mit ärztlich verordnetem Cannabis von einer missbräuchlichen Einnahme auszugehen ist, hat der Senat für die Praxis gut nachvollziehbar herausgearbeitet. Gleichzeitig macht er deutlich, dass auch im Fall von ärztlich verordnetem Cannabis ein Mischkonsum mit Alkohol ebenfalls zum Verlust der Fahreignung führt." VRiVG Felix Koehl, München zum Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 29.4.2019
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Mischkonsum von Alkohol und Medizinalcannabis
VGH München (11. Senat), Beschluss vom 02.05.2023 – 11 CS 23.78
Entziehung der Fahrerlaubnis bei ärztlich verordneter Einnahme von Medizinalcannabis
Kein Alkohol für Cannabispatienten während der Fahrt!
Der Mischkonsum von Medizinalcannabis und Alkohol im Zusammenhang mit der Verkehrsteilnahme ist als missbräuchliche Einnahme iSd Anl. 4 Nr. 9.4 FeV anzusehen und führt zur Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen.
Am 2. Februar 2020 gegen 1:30 Uhr kontrollierte die Polizei den Antragsteller als Fahrer eines Kraftfahrzeugs und stellte dabei drogenbedingte Auffälligkeiten fest. Der Antragsteller räumte einen Cannabis-Konsum ein und zeigte auf seinen Namen ausgestellte Rezepte für Medizinalcannabis vor. Ein freiwilliger Atemalkoholtest ergab eine Atemalkoholkonzentration von 0,31 mg/l. Gegenüber der Polizei erklärte der Antragsteller, innerhalb der letzten 24 Stunden zwei Bier à 0,5 l getrunken zu haben. Dem Bericht des Blutentnahmearztes lässt sich entnehmen, dass der Antragsteller Cannabis nach eigenen Angaben zuletzt am 31. Januar 2020 um 20 Uhr konsumiert hat. Die am 2. Februar 2020 um 1:53 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 0,71 Promille sowie Konzentrationen von 10 ng/ml THC, 3,7 ng/ml 11-Hydroxy-THC und 37 ng/ml THC-Carbonsäure im Serum/Plasma. Die Tat wurde rechtskräftig als Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 1 und 2 StVG geahndet.